Integrationsbarometer 2018:Männer bewerten Integration negativer als Frauen

Lesezeit: 3 min

Je mehr Kontakt Menschen mit Zuwanderern haben, desto positiver beurteilen sie das Zusammenleben mit ihnen. Auch Kopftücher werden in der Öffentlichkeit nicht grundlegend abgelehnt. (Foto: imago stock&people)
  • Eine klare Mehrheit der Menschen in Deutschland bewertet das Zusammenleben mit Zuwanderern positiv.
  • Das zeigt das Integrationsbarometer 2018 des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration.
  • Negativere Ansichten fallen vor allem in zwei Gruppen auf: bei Männern und bei Menschen in Ostdeutschland.

Fremdenfeindliche Proteste und Übergriffe in Chemnitz und Köthen, hetzerische Töne gegen Migranten auch in etablierten Parteien. Wer das Geschehen und den Diskurs in Deutschland verfolgt, kann gut den Eindruck gewinnen, das Land habe ein massives Problem mit Zuwanderern und ihrer Integration. Eine neue Studie zeigt allerdings ein anderes Bild. Danach bewertet eine klare Mehrheit der Menschen in Deutschland das Zusammenleben mit Migranten insgesamt positiv.

Hier die wichtigsten Ergebnisse des Integrationsbarometers 2018, das der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) auf Basis einer repräsentativen Umfrage erstellt hat:

Integration allgemein

Auf einer Skala von null (sehr negativ) bis 100 (sehr positiv) bewerteten sowohl Deutsche ohne Migrationshintergrund (63,8 Punkte) wie auch mit Migrationshintergrund (68,9) das Integrationsklima eher positiv. Im Vergleich zu einer ersten Befragung vor zwei Jahren (dem Integrationsbarometer 2016) hat sich die Stimmung damit ein wenig eingetrübt (damals lag dieser Wert bei 65,4 beziehungsweise 69,0). Ähnlich bewerten die in Deutschland lebenden EU-Ausländer das Integrationsklima. Aussiedler und Menschen mit türkischen Wurzeln haben dagegen sogar eine leichte Verbesserung wahrgenommen.

Wie bereits bei der Vorgängerstudie ist Skepsis gegenüber der Integration im Osten höher als im Westen. Erstmals zeigt sich hingegen eine unterschiedliche Bewertung durch Männer. Diese zeigten sich insgesamt skeptischer gegenüber der Integration als Frauen - der sogenannte Integrationsklima-Index liegt bei den Männern bei 61 Punkten, bei den Frauen bei 67. Die Experten führen das negativere Bild der Integration bei Ostdeutschen vor allem darauf zurück, dass sie in ihrem Alltag weniger mit Zuwanderern zu tun haben. "Am besten können etwaige wechselseitige Vorbehalte in der persönlichen Begegnung abgebaut werden", kommentiert der SVR-Vorsitzende Thomas Bauer den Befund.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), sagte, die Studie zeige, dass das Zusammenleben vor allem da als harmonisch empfunden werde, wo es direkte Kontakte gebe. Deshalb sei es wichtig, mehr Gelegenheiten und Orte für Begegnung zu schaffen.

Integration
:"Es fehlt oft das Interesse am Schüler als Menschen"

Jörg Knüfkens Schüler galten als unbeschulbar. Dann schenkte er jedem ein Tagebuch. Ein Gespräch über sein Projekt "Change Writers". Mit einer Auswahl bemerkenswerter Einträge.

Interview von Daniela Gassmann

Zuzug von Flüchtlingen

"Angesichts der medialen Debatten mag es überraschen, dass es keinen Trend gibt, Flüchtlinge als Gefahr für den Wohlstand zu sehen", teilt SVR-Chef Bauer weiter mit. Die Mehrheit der Befragten sei weiterhin bereit, Flüchtlinge aufzunehmen - selbst wenn Deutschland das einzige EU-Land sein sollte, dass dazu bereit ist. Allerdings wünsche sich etwas mehr als die Hälfte von ihnen eine "Obergrenze" für die Aufnahme von Flüchtlingen. Wo diese Grenze liegen soll, wurde nicht gefragt.

Gefühlte Kriminalität

Etwa sieben von zehn Menschen in Deutschland glauben der Umfrage zufolge nicht, dass die Kriminalität durch die Zuwanderung der vergangenen Jahrzehnte gestiegen ist. Anders sieht es aus, wenn konkret nach Flüchtlingen gefragt wird. 17 Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund stimmen dem Satz "Die aufgenommenen Flüchtlinge erhöhen die Kriminalität in Deutschland" voll und ganz zu. 30,8 Prozent stimmen eher zu. Etwa 36 Prozent halten die Aussage für eher falsch. Etwa 16 Prozent stimmen gar nicht zu.

Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt

Die meisten Menschen haben das Gefühl, dass die Kommunen die Unterbringung der Asylbewerber und Flüchtlinge recht gut bewältigt haben. In Ballungsgebieten, in denen bezahlbarer Wohnraum schon vorher Mangelware war, gibt es aber auch kritische Töne. Und zwar vor allem von Menschen ohne Migrationshintergrund, die in Berlin, Hamburg oder Bremen leben.

Bildung für alle

Der Bildungsbereich wird, was die Integration angeht, insgesamt als am schlechtesten angesehen. Jeder Zweite ist der Meinung, dass Kinder in Schulen mit einem hohen Migrantenanteil schlechter lernen. Das Thema treibt Deutsche und Zugewanderte gleichermaßen um. Hier zeigt sich allerdings ein deutlicher Unterschied in der Bewertung durch Frauen und Männer. Während etwa 56 Prozent der Frauen nicht glauben, dass eine ethnisch gemischte Schülerschaft die Leistungsfähigkeit von Schulen beeinträchtigt, unterstellt derselbe Anteil der Männer solch einen Effekt.

Einig ist sich eine Mehrheit der Befragten hingegen, dass nicht nur die eigene Leistung und Begabung, sondern auch die soziale Herkunft ein entscheidender Faktor für Erfolg in Bildung und Arbeitswelt ist. Zu Recht, so SVR-Mitglied Claudia Diehl: "Die Bildungsforschung belegt regelmäßig, dass in Deutschland der Bildungserfolg eng an das Elternhaus gekoppelt ist. Das sehen auch die Zugewanderten so, unabhängig davon, welcher Herkunftsgruppe sie angehören. Und ihnen ist auch klar, dass Bildung ein zentrales Aufstiegsvehikel ist."

Kulturelle Bereicherung

Im Gegensatz zu den Neuen Rechten, die Zuwanderung als Bedrohung für die deutsche Identität empfinden, stimmt die Mehrheit der Menschen der Aussage zu, die aufgenommenen Flüchtlinge "werden Deutschland kulturell langfristig bereichern". Deutsche ohne Migrationshintergrund vertreten diese Meinung sogar noch etwas häufiger (71,5 Prozent) als Menschen mit Migrationshintergrund.

Kopftuchdebatte

Die Mehrheit der befragten Muslime ist dafür, das Tragen von Kopftüchern sowohl an Schulen wie auch in Behörden zu erlauben. Die nicht muslimische Bevölkerung macht hier einen Unterschied. Während sie das Tragen von Kopftüchern an Schulen mehrheitlich ablehnt, würde hingegen auch aus dieser Gruppe eine Mehrheit Kopftücher in Behörden erlauben.

Für die Studie des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration wurden zwischen Juli 2017 und Januar 2018 insgesamt 9298 Menschen befragt.

© SZ.de/dpa/epd/kna - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Migration und Integration
:Deutschland wirkt von der Vielfalt überfordert

Einwanderer haben "zwei Herzen" in ihrer Brust, heißt es oft. Das klingt problematisch. Dabei passt die Vorstellung von einer eindeutigen Identität schon lange nicht mehr zu Deutschland.

Von Sonja Zekri

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: