Integration:De Maizières Leitkultur-Vorstoß: "Was für eine peinliche Inszenierung"

German Interior Minister de Maizere leaves a news conference in Berlin

Innenminister Thomas de Maizière hat mit seinem Katalog zu einer Leitkultur erneut eine Debatte zum Thema Integration angestoßen.

(Foto: REUTERS)
  • Mehrere Unionspolitiker haben Thomas de Maizière für seinen Katalog zu einer deutschen Leitkultur gelobt.
  • Kritik kam von der Opposition, die dem Minister Wahlkampftaktik vorwarf.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat mit seinen Thesen zu einer deutschen Leitkultur unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Rückenwind bekam der CDU-Politiker von der eigenen Partei. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann sagte, die von dem Minister angestoßene Debatte sei "längst überfällig." Appelle allein reichten allerdings nicht aus. "Am Ende müssen gesetzgeberische Schritte folgen", sagte Linnemann. Jeder, der sich "wieder reflexartig" gegen den Vorstoß stelle, müsse sich fragen, wie er Integration vorantreiben wolle.

De Maizière hatte am Wochenende dazu aufgerufen, sich selbstbewusst zu einer deutschen Leitkultur zu bekennen. Der Innenminister nannte einen Katalog von zehn Punkten, der jenseits von Grundrechten und Grundgesetz seiner Meinung nach die Leitkultur ausmacht. So seien für Deutschland Respekt und Toleranz wichtig. Gewalt werde grundsätzlich nicht akzeptiert. Deutschland sei eine "offene Gesellschaft". Besonders viel Aufsehen erregte der Minister mit der Formulierung: "Wir zeigen unser Gesicht, wir sind nicht Burka."

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU verteidigte de Maizière und verlangte konkrete Taten. Wer sich als Zuwanderer nicht in Deutschland integrieren wolle, der müsse das Land in letzter Konsequenz verlassen. Der "starke Flüchtlingsstrom" der vergangenen Jahre habe große Teile der Bevölkerung verunsichert.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte, sich zum Grundgesetz zu bekennen, reiche nicht aus. Zur Leitkultur gehöre es auch, stolz auf die Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold zu sein und anzuerkennen, dass Leistung sich lohne.

Am Sonntag hatte es zunächst auch kritische Stimmen aus den Reihen der Union gegeben. Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz meldete sich in der Huffington Post zu Wort und bemängelte, dass der Minister nicht zwischen verpflichtendem Recht und unverbindlicher Tradition unterscheide. Für eine verpflichtende Leitkultur biete das deutsche Grundgesetz keine Rechtsgrundlage.

Kritik gab es auch von SPD, FDP, AfD und den Grünen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bezeichnete den Vorstoß des Ministers unter Verweis auf die Verfassung als unsinnig. "Die deutsche Leitkultur ist Freiheit, Gerechtigkeit und ein gutes Miteinander, so wie es im Grundgesetz steht", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Sein Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel twitterte: "Was für eine peinliche Inszenierung. Merkel macht auf liberal und europäisch, de Maizière macht auf Leitkultur. Absurde Arbeitsteilung."

FDP-Chef Christian Lindner sagte, de Maizière wolle lediglich Wahlkampf machen: "Der Beitrag von Herrn de Maizière ist ein Ablenkungsmanöver. Die CDU bringt eine moderne Einwanderungspolitik mit gesetzlicher Grundlage nicht zustande. Stattdessen werden jetzt alte Debatten aufgewärmt."

Aus Sicht von Grünen-Chefin Simone Peter braucht Deutschland keine Debatte über eine Leitkultur, sondern "eine neue Innenpolitik, die Integration voranbringt, rechte Netzwerke prüft und islamistische Gefährder im Auge hat", schrieb sie via Twitter.

Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry ging den Innenminister über den Kurznachrichtendienst persönlich an: "Modell de Maizière: Deutsche Leitkultur während der Legislatur torpedieren, zwei Wochen vor der Wahl den großen Kulturverteidiger spielen", schrieb sie.

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