Süddeutsche Zeitung

Integration:Belgiens erster schwarzer Bürgermeister

Die Wahl von Pierre Kompany an die Spitze einer Gemeinde in Brüssel hat große Symbolkraft. Sein Sohn ist bereits ein Star - auf dem Fußballfeld.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Als Pierre Kompany am Sonntagabend gewonnen hatte, war sein Sohn Vincent unter den ersten Gratulanten. Vincent Kompany ist einer der berühmtesten Fußballer Belgiens, Verteidiger und langjähriger Kapitän der Nationalmannschaft. "Wir sind sehr stolz auf dich", sagte er auf Französisch in einer Videobotschaft. Und auf Englisch, damit es seine Fans bei Manchester City mitbekommen, wo er seit Jahren spielt: "Der erste schwarze Bürgermeister in Belgien. Das ist niemals zuvor passiert. Glückwünsche an meinen Dad."

Pierre Kompany hat sich bei der Kommunalwahl in Ganshoren durchgesetzt, einer der 19 ziemlich eigenständigen Brüsseler Teil-Gemeinden. Seine Partei, eine den Christdemokraten nahestehende Bewegung, holte 28,3 Prozent der Stimmen. Ganshoren liegt im Nordwesten der Hauptstadt, grenzt an die vorwiegend von Migranten bewohnten Stadtteile Molenbeek und Laeken und ist durchzogen von einem verstopften, dreckigen Autobahnzubringer. Hier will der neue Bürgermeister die Lage der Menschen verbessern. Doch weiß Pierre Kompany natürlich, dass man sich vor allem wegen der Symbolkraft seiner Wahl für ihn interessiert.

Kampf gegen die Mobutu-Diktatur im Kongo

Zwar gibt es seit Längerem schwarzafrikanische Abgeordnete in nationalen und regionalen Parlamenten des Landes. Aber an der Spitze einer Gemeinde zu stehen, mit all den lokalen Seilschaften, die man im Griff haben muss, das ist etwas anderes, zumal unter den 25 000 Einwohnern Ganshorens nur etwa hundert sind, die wie er aus dem Kongo stammen. "Es gibt doch Fortschritt in Belgien", sagt der 71-Jährige, "und ich bin froh, dass ich ein Teil dieser Geschichte sein kann." Er habe lange gekämpft, um so weit zu kommen.

Kompanys erster Kampf war der Widerstand gegen die Mobutu-Diktatur in seinem Heimatland. Als Student geriet er zweimal in Konflikt mit dem Regime, saß 13 Monate in einem Militärlager ein. 1975 flüchtete er nach Belgien, das den Kongo bis 1960 als Kolonie ausgebeutet hatte. In Brüssel studierte er Flugzeug-Mechanik, wurde eingebürgert, fand aber zunächst nur einen Job als Taxifahrer und konzentrierte sich auf das Familienleben. Mit einer Belgierin bekam er drei Kinder, die beiden Jungs wurden Fußballer wie ihr Vater, der in seiner Jugend bei TP Mazembe in Lubumbashi Stürmer gewesen war. Als Sohn Vincent eine Profikarriere begann, übernahm Pierre das Management. Und begann sich für Politik zu interessieren. 2006 gelang ihm der Sprung in den Stadtrat von Ganshoren.

Man sollte Kompanys Erfolg nicht überbewerten. Mit der Integration der überwiegend aus dem Kongo stammenden Schwarzafrikaner in Belgien hapert es nach wie vor. Nach der Entkolonialisierung ließ die Regierung zunächst nur wenige ins Land, und die meisten träumten davon, eines Tages zurückkehren zu können. Der größte Teil kam erst in den vergangenen 20 Jahren, als die Lage in der Heimat immer schlechter wurde. Viele der Einwanderer haben weder Arbeit noch Perspektive. Regelmäßig berichten die Medien über Fälle von krassem Rassismus. Eine TV-Wetterfrau mit kongolesischen Wurzeln erzählte kürzlich unter Tränen, dass sich eine Zuschauerin bei ihr beschwert habe. Sie sei "zu schwarz", man sehe auf dem Bildschirm nur ihre Kleider. Solche Dinge erlebe sie ständig.

Integration durch Wohnraum und Fußballplätze

Auch bei der Aufarbeitung der Vergangenheit ist Belgien, wie viele andere europäische Kolonialstaaten, bisher nicht weit gekommen. Vor allem unter den Älteren gibt es noch viele, die gern von den Wohltaten der Weißen im schwarzen Herzen Afrikas sprechen und ungern von den Millionen Toten, die sie zu verantworten haben. Im renovierten Afrika-Museum, das Ende des Jahres in Tervuren bei Brüssel eröffnet, soll die Kolonialzeit endlich etwas kritischer betrachtet werden.

Pierre Kompany will die Integration nun auf seiner Ebene voranbringen: mit mehr günstigem Wohnraum in Ganshoren und besseren Fußballplätzen für die Jungen.

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SZ vom 17.10.2018/saul
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