Insolventes Prestigeobjekt Nürburgring:Becks bittere Wahrheit

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Ministerpräsident Kurt Beck und Rheinland-Pfalz haben in die Traditionsrennstrecke Nürburgring Millionen gepumpt. Jetzt ist die Betreibergesellschaft pleite. Und schuld soll die EU sein. Was aber wird nun aus der Formel 1?

Helga Einecke und Klaus Ott, Mainz

Kurt Beck ist verstimmt. Der SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz sitzt im Stresemann-Saal seiner Staatskanzlei und muss erklären, dass sein teures Prestigeprojekt Nürburgring insolvent ist - und dass die Landesregierung dafür finanziell gerade stehen muss. Drei seiner Minister begleiten den dienstältesten Ministerpräsidenten Deutschlands, so gravierend ist die Angelegenheit. Alle geben der EU-Kommission die Schuld.

Es gibt angenehmere Pressekonferenzen: Kurt Beck (Mitte) und Innenminister Roger Lewentz müssen die Nürburgring-Insolvenz erklären. (Foto: dapd)

Bis vor wenigen Tagen sei man noch davon ausgegangen, dass das im Mai beantragte Überbrückungsdarlehen von 13 Millionen Euro für die Betreiber des Nürburgrings genehmigt werde. Dann sei plötzlich ein Schwenk gekommen: Brüssel habe entschieden, nichts zu entscheiden, wohl wissend, dass dies in die Zahlungsunfähigkeit führe. "Keine Entscheidung zu treffen ist so, als würde man negativ entscheiden", sagt Beck. Die Sache ist kompliziert.

Mainz will etwas für die Region tun, das Gebiet rund um die Traditionsstrecke in der Eifel aufwerten. Es kursieren schlimme Zahlen. Schon 330 Millionen Euro sollen für das Projekt geflossen sein - andere meinen, die Nürburgring GmbH sei gar mit 413 Millionen Euro verschuldet.

Auf jeden Fall bleibt das Land auf Bürgschaften und Garantien sitzen. Dabei will die Regierung eine unterschriftsreife Einigung zwischen der landeseigenen Nürburgring GmbH und der privaten Betreiberfirma Nürburgring Automotive GmbH (NAG) eingefädelt haben, die nur noch der Zustimmung aus Brüssel bedurft hätte.

Weil die NAG keine Pacht gezahlt habe, hätten Besitz und Betrieb an die Nürburgring GmbH zurückfallen sollen, so die Regierung. Daraus werde nun nichts, daher das Insolvenzverfahren einleiten. Die NAG widerspricht: Man schulde dem Land gar nichts. Und der Betrag, über den das Land streite, betrage ohnehin nur vier Millionen Euro.

Banken mehrfach geholfen, regionalen Projekten nicht

Das Land wiederum gibt den schwarzen Peter an die EU weiter. Notfalls will Beck vor Gericht ziehen. Besonders ärgert ihn, dass sein Kabinett parallel zum Aus für den Nürburgring über das nächste Rettungspaket für die Banken entscheiden musste. "Uns hat man ein paar Millionen Übergangshilfen verweigert", schäumt Beck, aber die Bankenmilliarden der EU solle man abnicken. Solche Dinge machten nachdenklich. Das ganze Wettbewerbsrecht der EU hält Beck für zu wenig arbeitnehmerfreundlich.

Der Ministerpräsident bestätigt, mit der Kanzlerin in der Angelegenheit gesprochen zu haben. Er könne sich für die Unterstützung nur bedanken. Sämtliche Beihilfe-Verfahren, die von Brüssel wegen ihres Subventionscharakters genehmigt werden müssen, laufen über Berlin - das ist bei der BayernLB nicht anders als beim Nürburgring. Nun wird nächste Woche das Insolvenzverfahren eingeleitet.

Beck stellt klar, dass kein Dritter Schaden erleiden soll. Die 30 betroffenen Mitarbeiter müssten nicht um ihren Arbeitsplatz bangen. Auch Becks Stellvertreterin, Eveline Lemke (Grüne) ist empört über Brüssel. "Wir erwarten, dass uns geholfen wird", sagt sie. Nun müsse man Grundsatzfragen stellen: Warum den Banken mehrfach geholfen werde zum Beispiel, nicht aber regionalen Projekten.

Rheinland-Pfalz muss wegen der bevorstehenden Nürburgring-Pleite den Landeshaushalt anzapfen. Eine Rücklage von 254 Millionen Euro kann laut Finanzminister Carsten Kühl (SPD) aktiviert werden. Ein Nachtragshaushalt sei nicht notwendig. Die Summe soll den größten Teil einer Landesbürgschaft für einen Millionen-Kredit einer landeseigenen Bank an die Nürburgring GmbH decken - denn die Gesellschaft kann offenbar die Schuldzinsen nicht mehr zahlen.

Mythos Nürburgring
:Die grüne Hölle

Der Nürburgring schrieb bedeutende Geschichten des Rennsports: von der ersten Gebirgsstrecke über die Legende der Silberpfeile bis zum schlimmen Unfall von Niki Lauda. Nun geht die Rennstrecke endgültig in die Insolvenz.

Was aber wird nun aus der Formel 1, die seit langem am Nürburgring gastiert, im Wechsel mit dem Hockenheimring? Dort starten am kommenden Wochenende Weltmeister Sebastian Vettel und seine Fahrerkollegen. Zuletzt hatte es danach ausgesehen, dass die Strecke in der Eifel aus dem Rennkalender gestrichen werde, weil niemand mehr bereit ist, das Defizit zu tragen. Seit die Grünen in Mainz mitregieren, gelten Zuschüsse des Landes für die Formel 1 als ausgeschlossen.

Und das erst recht, seit Formel-1-Chef Bernie Ecclestone eine Anklage in Deutschland wegen Bestechung eines Ex-Geschäftspartners fürchten muss, des früheren Spitzenbankers Gerhard Gribkowsky. Den hat das Landgericht München zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er von Ecclestone und einer Holding, hinter der die Ex-Frau des Renn-Bosses steht, 44 Millionen Dollar kassiert hatte. Das sei Schmiergeld gewesen, befand die Justiz.

Am Mittwoch überraschte die NAG, die auch das Formel-1-Spektakel am Nürburgring veranstaltet, mit einer aus ihrer Sicht freudigen Meldung. Man habe sich mit Ecclestone auf ein tragbares Konzept verständigt. Ab 2013 werde der Brite auf die Gebühr verzichten, die für die Vergabe der Rennen sonst fällig ist.

Deshalb seien auch keine Zuschüsse des Landes mehr nötig. Die NAG ist eine private Gesellschaft. Ihren Angaben zufolge wolle Ecclestone am Nürburgring künftig selbst als Veranstalter auftreten und sämtliche Kosten übernehmen, dann aber auch alle Einnahmen für sich reklamieren.

Der Rennzirkus muss weitergehen

Käme es so, dann würden der Brite und die Formel 1 das Risiko tragen. Das wäre überraschend. Die Geschäftspolitik der Formel 1 besteht ja darin, von den Betreibern der Rennstrecken hohe Gebühren zu verlangen; 30 Millionen Dollar im Schnitt inzwischen.

Und dann darauf zu setzen, dass viele Staaten den Rennzirkus unbedingt im eigenen Lande haben wollen und deshalb bereit sind, für eventuelle Verluste aufkommen. Andererseits ist Deutschland ein wichtiger Markt für Ecclestone, er braucht die Rennen hier. Am Wochenende, in Hockenheim, wollen die NAG-Chefs nochmals mit dem Formel-1-Boss reden.

Bis Ende Juli soll der neue Renn-Vertrag für den Nürburgring stehen, und die Mainzer Regierung soll ihn unterschreiben. Doch die ist noch skeptisch. Innenminister Roger Lewentz (SPD) sagt, er habe von dieser Vereinbarung gehört, aber noch kein entsprechendes Schriftstück gesehen.

Die NAG erklärt, man habe Lewentz informiert und es gebe nur noch ein "kleines Zeitfenster", um Formel-1-Rennen in der Eifel zu sichern. Bis August will Ecclestone angeblich mit dem Renn-Kalender für 2013 durch sein. Und wer da nicht drin sei, der sei draußen. Aber wer weiß, vielleicht ist das auch das übliche Pokerspiel.

© SZ vom 19.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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