Inselstreit zwischen China und Japan:Provokationen im Wochentakt

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Die Senkaku-Inseln im ostchinesischen Meer: Kern der Auseinandersetzung zwischen China und Japan. (Foto: REUTERS)

Ungutes braut sich zusammen im Ostchinesischen Meer - und alles wegen ein paar unbewohnter Felsen: Die Regierungen in Peking und Tokio streiten erbittert um die Senkaku-Inseln. Das Gefährliche ist, dass die Situation jederzeit außer Kontrolle geraten kann. Bringt der Besuch eines japanischen Politikers in China nun Entspannung?

Von Kai Strittmatter, Peking

Sie reden wieder miteinander. Allein das lässt manche Beobachter aufatmen. Chinas Staatssender CCTV begann seine Mittagsnachrichten am Dienstag mit Bildern von der Ankunft Natsuo Yamaguchis in Peking. Der japanische Politiker soll einen Brief seines Premiers Shinzo Abe für Chinas neuen Führer Xi Jinping im Gepäck haben: Man will zeigen, dass man den Besuch für wichtig hält. Eine kleine Atempause nach all dem Donnern der "Kriegstrommeln" (so der Economist) in den letzten Monaten?

Ungutes braut sich zusammen im Ostchinesischen Meer. Im letzten Sommer brach der Streit um die von Japan verwalteten Senkaku-Inseln aus, die China unter dem Namen Diaoyu für sich beansprucht, seither ist die Gefahr einer Eskalation von Monat zu Monat größer geworden. Die drittgrößte (Japan) und die zweitgrößte (China) Wirtschaftsmacht der Erde beharken sich mittlerweile mit Drohgebärden so feindselig wie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr.

Und die größte Macht, die USA, versucht, hinter den Kulissen zu mäßigen, steht aber eigentlich mitten drin in dem Konflikt: Japan versucht, den Alliierten zu offener Unterstützung zu bewegen, und China sieht ohnehin überall die heimlich steuernde Hand Washingtons: Japan sei nur eine Figur in "Amerikas Plan, China klein zu halten", hieß es in einem Kommentar der Volkszeitung.

"China ist eine aufsteigende Nation"

Das alles wegen ein paar unbewohnter Felsen? Vieles kommt hier zusammen. Vordergründig dominiert die Geschichte: Für die Chinesen ist der Konflikt untrennbar verknüpft mit der Expansionspolitik des japanischen Kaiserreichs, mit der grausamen Invasion durch japanische Truppen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Hinzu kommt, dass die KP die Erinnerung an Japans Gräueltaten bewusst wachhält, und dass die wiedergewonnene Stärke Chinas und die Unverletzlichkeit chinesischen Territoriums mittlerweile neben dem neuen Wohlstand die wichtigsten Säulen ihrer Legitimation sind.

Aus der Vogelperspektive gesehen ist der Konflikt aber nur ein Puzzleteil in der Neuausrichtung der globalen Machtverhältnisse. "Japans Hoffnung, China klein zu halten, ist lächerlich", schreibt die Pekinger Global Times: "China ist eine aufsteigende Nation und die treibende Kraft in der asiatischen Geopolitik." Chinas scheidender Parteichef Hu Jintao hatte in seiner letzten großen Rede im November gesagt, sein Land wolle eine "Seemacht" werden. Kurz darauf führte China seinen ersten Flugzeugträger vor. Der neue Parteichef, Xi Jinping, hält sich noch bedeckt, gibt sich aber als überzeugter Nationalist, in seinen ersten Reden ist viel von der "nationalen Wiedergeburt" Chinas die Rede.

Senkaku und andere umstrittene Einöden
:Dünn besiedelt, hart umkämpft

Eine unbewohnte Inselgruppe im Ostchinesischen Meer sorgt immer wieder für harte Worte und deutliche Drohgesten zwischen China und Japan. Was für Außenstehende bizarr wirkt, ist kein Einzelfall: Auch in anderen Teilen der Welt wird um dünn besiedelte Territorien erbittert gestritten. Eine Auswahl.

Barbara Galaktionow

Im Südchinesischen Meer streitet sich China mit Vietnam und mit den Philippinen, im Ostchinesischen mit Japan. Der Stolz auf die eigene neue Stärke geht in Peking einher mit der Wahrnehmung Japans als Nation im Niedergang. Auslöser des aktuellen Streits war im vergangenen Sommer nicht China, sondern Tokios Entscheidung, drei der Senkaku-Inseln einem privaten Unternehmer abzukaufen und so quasi zu verstaatlichen. Aber die harte chinesische Reaktion seitdem, das Aufgeben der alten Politik der Zurückhaltung, die im Wochentakt erfolgenden Nadelstiche, die Provokationen - das ist auch eine Folge der Einschätzung des Nachbarn als zunehmend schwacher Rivale.

Am 13. Dezember 2012 gewann der Streit zum ersten Mal eine militärische Dimension, als China eine Propellermaschine über die Inseln fliegen ließ und Japan daraufhin acht F-15-Kampfflieger schickte. China wiederum schickte am 10. Januar zwei seiner J-10-Kampfflieger. Schiffe der Küstenwachen beider Länder bedrängen sich nun regelmäßig. Als in Japan Überlegungen laut wurden, in Zukunft Warnschüsse gegen chinesische Flieger abzugeben, die in den Luftraum über den Inseln eindringen, antwortete der chinesische General Peng Guanqian, das werde man als den Beginn von "Kampfhandlungen" werten.

Manche in Peking sehen dabei nicht nur Japan, sondern auch die USA als absteigende Nation. Der als Hardliner bekannte Konteradmiral Zhang Zhaohang meinte zum Beispiel vergangenen August im Staatsfernsehen, wenn China wegen der Inseln in den Krieg zöge gegen Japan, würden die USA "davonlaufen wie die Hasen". Mainstream ist diese Meinung nicht. "Der Streit um die Inseln wird noch lange existieren", sagt der Pekinger Japanischprofessor Xu Yiping, "aber deswegen wird es keinen Krieg geben. Das chinesische Volk sollte nicht so emotional sein, in der Hinsicht sind die Japaner klüger."

Die Regierungen beider Länder haben in den vergangenen Tagen betont, der Dialog sei wichtig. Aber so wie Premier Abe in Japan, so spielt auch die KP in China mit den nationalistischen Emotionen. Ein zufälliger Blick ins chinesische Fernsehen oder in die eine oder andere Zeitung könnte so manchen Beobachter glauben lassen, Krieg sei nicht mehr fern. "Ein militärischer Zusammenstoß wird immer wahrscheinlicher", hieß es in einem Kommentar der Global Times: "Wir sollten uns auf das Schlimmste vorbereiten."

Die Situation kann außer Kontrolle geraten - ohne, dass es jemand wollte

In einer vorige Woche veröffentlichten Demarche des Generalstabs hieß es, vorrangige Aufgabe für die Volksbefreiungsarmee sei 2013 das Training "der Fähigkeit, einen Krieg zu gewinnen". Am Wochenende kündigte Chinas Kartografie-Behörde an, bis Ende des Monats eine neue Karte zu veröffentlichen, die nicht mehr nur 29, sondern 130 mit den Nachbarn umstrittene Gebiete als chinesisches Territorium kennzeichnen wird, darunter erstmals in allen Details die Diaoyu-Inseln. Die Karte werde "das Bewusstsein des chinesischen Volks für sein nationales Territorium signifikant stärken".

Eigentlich kann China kein Interesse an einer militärischen Auseinandersetzung haben, und sei sie auch begrenzt: Japan ist der größte Investor im Land und der zweitgrößte Handelspartner. Eine solche Eskalation - das weiß die Pekinger Führung - wäre am Ende kein Beleg für Chinas neue Größe, sondern würde dem Land auf einen Schlag Feinde überall in der Region und der Welt schaffen und seinen gerade erst begonnenen Aufstieg jäh beenden. Das Gefährliche aber ist, dass die Situation außer Kontrolle geraten kann, ohne dass das eigentlich einer wollte: Eine einzige unbesonnene Provokation genügt.

© SZ vom 23.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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