Innovationen:Erster Weltkrieg: Erfindungen, die das Leben erleichtern

Reißverschluss, Damenbinde und Teebeutel: Der Erste Weltkrieg beförderte so manche nützliche Erfindung, ohne die wir uns das Leben heute nicht mehr vorstellen können.

Von Marc Zimmer mit Aufnahmen aus dem Archiv von SZ Photo

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(Foto: VEREINIGUNG \"FREUNDE DES AMERIK)

Giftgas, Flammenwerfer, Panzer: Der Erste Weltkrieg beförderte so manche todbringende Erfindung. Doch Neuerungen gab es nicht nur für den Kampf, sondern auch im zivilen Bereich. Viele werden noch heute verwendet. Reißverschluss Knöpfe, Öse oder Schnüre hielten auch im frühen 20. Jahrhundert noch die meisten Jacken oder andere Kleidungsstücke zusammen. Zwar gab es den Reißverschluss bereits Mitte des 19. Jahrhunderts, doch bis zum Ersten Weltkrieg fand er kaum praktische Verwendung. Das änderte sich, als das US-Militär seine Truppen mit neuen Kampfanzügen ausstattete. Diese hatten einen "Zipper", der Reißverschluss schützte vor allem Marinesoldaten effektiv vor Regen und Wind. Nach Kriegsende trat der Reißverschluss seinen Siegeszug auch in der Alltagskleidung an. Auf dem Bild kehren US-Truppen auf dem Passagierschiff Leviathan 1919 nach New York zurück. Mit an Bord: Uniformen mit Reißverschluss.

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(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Damenbinden Durch die neuen, verheerenden Waffen stieg die Zahl der Toten und Verwundeten bereits Ende des ersten Kriegsjahres 1914 in die Millionen. Der "Weltenbrand" war ein Krieg von neuer Dimension - und stellte somit auch höchste Ansprüche an die Medizin. Ärzte und Krankenschwestern aller Parteien mussten eine nie dagewesene Zahl an Verwundeten versorgen. Ein Material der US-amerikanischen Firma Kimberly-Clark erwies sich damals als hilfreich. Bereits vor Kriegsausbruch hatte das Unternehmen aus Wisconsin die "Zellwatte" entwickelt. Dabei handelte sich um ein Verbandszeug, das fünfmal mehr Flüssigkeit aufnehmen konnte als die bis dahin gebräuchlichen Baumwollverbände - und das bei deutlich geringeren Produktionskosten. Doch nicht nur in den Lazaretten kam das neue Verbandsmaterial zum Einsatz. Schnell entdeckten die Krankenschwestern des Roten Kreuzes einen weiteren praktischen Nutzen der saugfähigen Zellwatte - als wirksamen und hygienischen Schutz während der Menstruation. Nach Kriegsende setzte Kimberly-Clark erfolgreich auf diesen Markt: Von 1920 an brachten sie unter dem Namen "Kotex" Damenbinden heraus, wenige Jahre später folgte mit "Kleenex" das bekannte Papiertaschentuch. Bild: Krankenschwestern leisten Erste Hilfe nach einem Gasangriff anno 1917.

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(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Blutbank Doch nicht immer reichte es, die Wunden der Soldaten zu verbinden. Zahl und Art der Verletzungen machte es notwendig, in großem Stil Blutvorräte anzulegen. Erst 1914 hatten Forscher entdeckt, wie Blutkonserven mithilfe von Substanzen wie Natriumcitrat vor der Gerinnung bewahrt und so länger haltbar gemacht werden konnten. Einige Jahre zuvor hatte der Österreicher Karl Landsteiner die verschiedenen Blutgruppen beschrieben. Diese Erkenntnisse machten es möglich, die ersten Blutbanken anzulegen - zunächst nur mit Blutkonserven der Gruppe 0, die notfalls jeder Patient vertragen würde. Im Bild: Deutsche Verwundete in einem Lazarett an der Ostfront, 1915

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(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Armbanduhren Flächendeckendes Artilleriefeuer, um das Vorrücken der eigenen Truppen zu sichern: die sogenannte "Feuerwalze" war eine taktische Neuheit im ersten Weltkrieg. Mit ihr einher ging die Ausbreitung einer anderen, relativ neuen Erfindung: der Armbanduhr. Für Artillerieschützen war das richtige Timing entscheidend. Sie mussten einerseits mit beiden Händen das Geschütz bedienen, andererseits aber auch das Feuer genau mit den eigenen Fußtruppen synchronisieren. Mit den bis dahin gebräuchlichen Taschenuhren war das kaum möglich. Das Militär entdeckte daher schnell den praktischen Nutzen der bis dahin wenig beliebten Armbanduhr - die Uhrzeit konnte mit einem kurzen Blick erfasst und zugleich gehandelt werden. Nach dem Ersten Weltkrieg löste die Armbanduhr die Taschenuhr als Marktführer ab.

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(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Sommerzeit Bereits 1915 wurden in Deutschland die Brennstoffe knapp. Neben dem ohnehin erhöhten Verbrauch durch die Rüstungsindustrie stoppte die Seeblockade der britischen Royal Navy auch noch die lebenswichtigen Importe von Petroleum oder Paraffin. Um wenigstens von Frühjahr bis Herbst den Bedarf an künstlichem Licht zu reduzieren und das kostenlose Tageslicht bestmöglich zu nutzen, kam die Reichskanzlei 1916 auf einen Vorschlag des Geheimrats Henry von Böttinger zurück. Dieser hatte bereits einige Jahre zuvor eine Zeitumstellung angeregt. Am 30. April war es dann so weit, die Uhren wurden um eine Stunde vorgestellt. Die Idee fand schnell Nachahmer, nur drei Wochen nach Deutschland zog Großbritannien nach und führte ebenfalls die "Daylight Saving Time" ein. Weitere Kriegsparteien folgten. Nach Kriegsende wurde die Sommerzeit wieder abgeschafft. Erst Adolf Hitler führte sie 1940 wieder ein - abermals, um Ressourcen im Krieg zu sparen. Bild: Die Eisen- und Metallgießerei in den Škodawerken bei Pilsen (heute Tschechien)

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(Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo)

Sonnenbank Nicht nur Rohstoffe wurden schnell knapp, auch bei Nahrungsmitteln kam es zu Engpässen - mit schweren gesundheitlichen Folgen. Experten schätzen, dass in Berlin 1918 die Hälfte aller Kinder von Mangelernährung betroffen war. Viele Jungen und Mädchen litten an Rachitis, der sogenannten "Englischen Krankheit", bei der das Knochenwachstum durch die Unterernährung beeinträchtigt wird. Der Berliner Arzt Kurt Huldschinsky bestrahlte seine Rachitis-Patienten mit Quecksilber-Quartz-Lampen. Durch das ultraviolette Licht schienen die Knochen der Kinder stärker zu werden. Später bestätigte sich, dass das ultraviolette Licht die Verarbeitung von Vitamin D beschleunigt, das für das Knochenwachstum wichtig ist. Die sogenannte "Höhensonne" wurde später zum Verkaufsschlager. Auf dem Bild teilt ein deutscher Soldat anno 1914 seine Suppe mit einem kleinen französischen Jungen.

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(Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo)

Funkverkehr Der Erste Weltkrieg ist bekannt für seine militärischen Innovationen - vom Giftgas bis zum Panzer - und seine Schützengräben. Die Welt erlebte von 1914 an aber auch den ersten großen Einsatz der Luftwaffe. Zeppeline und Bomber flogen beispielsweise Angriffe auf Städte wie London und Antwerpen. Die Piloten hatten allerdings noch keine Möglichkeit, mit den Truppen am Boden in Kontakt zu treten. Dies war jedoch für eine schlagkräftige Luftwaffe unabdingbar. Der Lösung: kabellose Kommunikation. Die Technologie steckte vor Beginn des Ersten Weltkriegs noch in den Kinderschuhen, wurde aber schnell weiterentwickelt. Bereits Ende 1916 wurde ein erster Helm mit integriertem Mikrofon und Kopfhörer für Piloten entwickelt. Im Bild: Englische Maschine Havilland 9A, anno 1917.

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(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Dokumentarfilm Auch das damals noch junge Medium Film erlebte während des Ersten Weltkriegs einen Aufschwung - vor allem als wirkungsvolles Propagandamittel. Mit Giftgasangriffen, Flächenbombardements und Grabenkämpfen entstand eine neue Art von Krieg und die heimische Zivilbevölkerung gierte nach Impressionen von der Front. Der Dokumentarfilm wurde populär. Zwar waren die Szenen oft nachgestellt, doch das neue Medium wirkte authentisch und vermittelte einen ungekannten Eindruck vom Kriegsgeschehen. Als "The Battle of the Somme" 1916 in England anlief, strömten mehr als 20 Millionen Zuschauer in die Kinos. Auch die deutsche Heeresleitung erkannte das propagandistische Potential: 1917 kam der Film "Bei unseren Helden an der Somme" in den Lichtspielhäusern zur Uraufführung. Das Bild zeigt einen deutschen Ballonbeobachter mit einer Kamera für die Luftaufklärung.

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(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Teebeutel Der Vorläufer des heutigen Teebeutels wurde Anfang des letzten Jahrhunderts quasi versehentlich erfunden: Der US-amerikanische Teehändler Thomas Sullivan wollte sich Transportkosten sparen und verpackte seine Ware in kleine Seidenbeutel statt wie bis dahin üblich in schwere Blechdosen. Die Kunden hielten das für praktisch, sparte die neue Verpackung doch das Abseihen und Umfüllen des Tees in eine zweite Kanne. In Deutschland fand der Teebeutel erstmals in den Kriegsjahren 1914 bis 1918 breite Verwendung. Das Dresdner Unternehmen Teekanne griff Sullivans Idee auf und verpackte die Teerationen für die Soldaten in kleine Mullsäckchen. Diese erhielten von den Truppen den Namen "Teebombe". Der Teebeutel mit Heftklammer, wie wir ihn heute kennen, wurde übrigens erst 1949 patentiert. Bild: Deutsche Soldaten haben sich 1915 in einem Unterstand an der Westfront eingerichtet.

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(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Vegetarische Würstchen Spätestens im "Steckrübenwinter" 1916/17 war der Lebensmittelengpass so dramatisch, dass in Deutschland über alternative Nahrungsmittel nachgedacht werden musste. Bereits 1914 waren Einschränkungen bei den Grundlebensmitteln erlassen worden, ein Jahr später bestand Brot zu 50 Prozent aus Ersatzmitteln wie Kartoffelmehl oder Hafer. Der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer war damals noch Bürgermeister von Köln. Auch seine Stadt litt unter der Lebensmittelknappheit, vor allem an Fleisch und anderen Eiweißquellen mangelte es. Adenauer, der auch später noch als Tüftler bekannt war, erfand im Kampf gegen den Hunger 1916 die Sojawurst - und schuf so die Grundlage für viele vegetarische Ersatzprodukte der heutigen Zeit. Der Patentantrag wurde in Deutschland nicht anerkannt. Doch vom britischen König Georg V. erhielt Adenauer am 26. Juni 1918 ein Patent für die fleischlose Wurst. Im Bild: Österreichische Soldaten mit beschlagnahmtem Vieh

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(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Veggie Day Die Idee vom fleischfreien Tag ist nicht ganz neu. Die Mehrheit der Deutschen verzichtet allerdings nicht gern auf Wurst, Schnitzel und Schweinebraten. Das mussten die Grünen zuletzt schmerzlich feststellen. In den entbehrungsreichen Kriegsjahren blieb den Menschen aber kaum eine andere Wahl. Von 1915 an wurde der Fleischverbrauch staatlich reguliert: fleischfreie Tage wurden verordnet, zuerst nur für Gewerbebetriebe, später für die gesamte Bevölkerung . Von 1916 an durfte montags, mittwochs und freitags kein Fleisch auf den Teller - einzige Ausnahme waren Blut- und Leberwürste. Die Einhaltung des Gebots wurde vom eigens für diese Fragen gegründeten Amt für Volksernährung überwacht, bei Nichteinhaltung des Fleischverzichts konnten empfindliche Geldstrafen verhängt werden. Das Bild zeigt Frauen, die im Kriegsjahr 1916 für Nahrungsmittel anstehen.

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