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Innere Sicherheit - Wiesbaden:Hanau-Anschlag: Angehörige kritisieren mangelnde Transparenz

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Wiesbaden (dpa/lhe) - Auch knapp drei Monate nach dem rassistisch motivierten Anschlag in Hanau dauern die Ermittlungen an. Als Zwischenergebnis sagte Bundesanwalt Thomas Beck am Donnerstag im hessischen Landtag, dass es weiter keine Hinweise auf mögliche Mittäter, Helfer, Mitwisser oder Einbindung des Täters in terroristische Strukturen gebe. Wann die Ermittlungen abgeschlossen würden, sei noch unklar. Der Bundesanwalt äußerte sich in einer Sitzung des Innenausschusses, in der Fragen Der Angehörigen im Mittelpunkt standen. Sie verlangten mehr Transparenz und Aufklärung.

Am Abend des 19. Februar hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Er soll auch seine Mutter umgebracht haben, bevor er sich selbst tötete. Vor der Tat hatte er Pamphlete und Videos mit Verschwörungstheorien und rassistischen Ansichten im Internet veröffentlicht.

Die Angehörigen hatten Klarheit unter anderem zu Ablauf und Dauer des Polizeieinsatzes im Haus des Täters gefordert, in dem seine Leiche gefunden worden war. Die Linksfraktion hatte die Fragen in den Ausschuss eingebracht.

Im Anschluss an die Sitzung zeigten sich die Familien enttäuscht. Armin Kurtovic, der Vater eines der Opfer, berichtete, sein Sohn sei um kurz nach Mitternacht für tot erklärt worden, doch die Polizei habe die Familie erst sechs Stunden später darüber informiert. Anstelle dessen seien Hoffnungen gemacht worden, er sei verletzt oder im Krankenhaus. "Man hätte es uns doch gleich sagen können", sagte Kurtovic. Die Angehörigen verfolgten die Ausschusssitzung in einem Nebenraum des ansonsten wegen der Corona-Pandemie für die Öffentlichkeit gesperrten Landtagsgebäudes.

"Die Fragen, die wir heute gestellt haben im Landtag wurden zum großen Teil nicht beantwortet", sagte Newroz Duman von in Hanau gegründeten "Initiative 19. Februar". So sei fraglich, warum sich der Einsatz im Haus des Täters derart hingezogen habe. Eine Stunde habe die Polizei allein gebraucht, um nach Betreten des Hauses die Leiche des Täters zu entdecken. Landespolizeipräsident Udo Münch sagte dazu, in solche Fällen werde Etage für Etage und Raum für Raum durchsucht, um die Einsatzkräfte nicht zu gefährden.

Bundesanwalt Beck sagte, es werde auf Wunsch der Angehörigen Gespräche zum Stand der Ermittlungen geben. Auch schriftlich würden Informationen an die Anwälte übermittelt zum Hergang der Tat, nicht jedoch zum Stand der Erkenntnisse über den Täter. Es könnten nicht alle Details der Ermittlungen bekanntgegeben werden, um diese nicht zu gefährden. Zu Kritik, dass ein Handy eines der Opfer noch nicht an die Familie zurückgegeben wurde, sagte Beck, Grund sei, dass bisher die Zugangsdaten zu dem Gerät gefehlt hätten.

Innenminister Peter Beuth (CDU) sagte weitere Unterstützung zu und erklärte, noch in der Tatnacht habe die Polizei eine umfangreiche Opfer- und Angehörigenbetreuung auf die Beine gestellt. Auch der Opferschutzbeauftragte der Bundesregierung sei schon am Tag nach der Tat in Hanau eingebunden gewesen. Angehörige kritisierten allerdings in Wiesbaden, sie hätten keine Betreuung in der Tatnacht erfahren.

SPD-Fraktionschefin Nancy Faeser sagte, nötig seien möglichst gemeinsame Vorschläge der Parteien, welche Schritte unternommen werden könnten, damit sich eine solche Tat nicht wiederholen könne. Sie bekräftigte den Vorschlag einer Opferstiftung, die es in anderen Bundesländern bereits gebe.

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