Innere Sicherheit:Mehr Polizisten statt strengere Gesetze

Polizei und Fußball-Fans

Einsatzkräfte der Polizei in Münster (Archivbild): Gerade die aktuellen Großdemonstrationen belasten die Beamten stark.

(Foto: picture alliance / dpa)

Terrorgefahr, Massendemonstrationen, Bundesliga-Spiele: Die Polizei in Deutschland kann diese Belastungen kaum noch stemmen - zumal Tausende Stellen eingespart wurden.

Ein Kommentar von Joachim Käppner

American Rust" ist ein großartiger Roman von Philipp Meyer; darin bescheibt er den Niedergang einer Industriestadt in den USA: den Zerfall dessen, was einmal ein Gemeinwesen war. Das Stahlwerk geschlossen, das Budget auf klägliche Reste geschrumpft. Sie kann sich nur noch eine Handvoll Polizisten leisten - und "manche Städte hatten gar keine Polizei mehr, nicht mal das". Nächtliche Streifenfahrten in den verwahrlosenden Straßen werden von den Beamten deshalb allein unternommen. Einer von ihnen nimmt das Gesetz dann in die eigenen Hände, mit schlimmen Folgen.

Von solchen Zuständen ist die Bundesrepublik zum Glück weit entfernt, aber so weit auch wieder nicht. Die Polizei in Bund und Ländern spürt die enormen Belastungen, die ihr Terrorgefahr, Massendemonstrationen und Großereignisse wie die Fußball-Bundesliga auferlegen. Prominente Vertreter beider Polizeigewerkschaften fordern nun, die Kollegen von alltäglichen Aufgaben zu entlasten, wie der Feststellung des Fahrers nach Verkehrsdelikten, der Begleitung von Schwertransporten und manchem mehr. Sie verlangen sogar, die Polizei bei kleineren Straftaten wie Beleidigung oder Sachbeschädigung nicht mehr ermitteln zu lassen, sondern diese Delikte als bloße Ordnungswidrigkeit zu behandeln.

Oft wären mehr Beamte besser als mehr Strafgesetze

Diese Forderungen sind allenfalls emotional verständlich, aber nicht zielführend und bestenfalls ein Hilferuf. Das Vertrauen der Bürger in die Polizei lebt davon, dass sie präsent und zur Stelle ist, wenn man sie braucht - bei Verkehrsunfällen und all den "kleineren Straftaten", die der Kriminalstatistik unbeutend erscheinen mögen, gewiss aber nicht den Opfern und Betroffenen. Dieses Vertrauen beginnt verloren zu gehen.

Wenn kleine Wachen geschlossen werden, dauert es manchmal länger, bis die Streife nach einem Notruf eintrifft. Zuletzt ist die Zahl der Einbrüche deutlich gestiegen; kaum etwas verunsichert Menschen mehr als eine solche brachiale Verletzung ihrer Privatsphäre. Die Polizei aber kommt mit den Ermittlungen nicht hinterher.

Die Gewerkschaften haben errechnet, dass in den vergangenen 15 Jahren etwa 16 000 Stellen im Polizeidienst weggefallen seien, die meisten aus Spargründen und durch Reformen, die nicht mehr als verkappte Sparmaßnahmen sind. Über Zahlen kann man stets streiten, nicht aber über das Faktum des Stellenabbaus.

Die meisten Polizisten bemerken ihn in Form kleinerer und größerer Ärgernisse: Da sind Berge von Überstunden, Stresssymptome, das verbreitete Gefühl, der Beruf werde unerfreulicher und gefährlicher, die Überalterung des Personals. Im Gegenzug kürzt der Dienstherr Zulagen und Urlaubsgeld und hat vielerorts ein Laufbahnsystem geschaffen, das Vorgesetzte zwingt, Untergebene schlecht zu beurteilen, bloß damit diese keinen Anspruch auf eine höhere Stelle und damit mehr Gehalt haben.

Das alles soll die wiederholten Fälle von Polizeibrutalität weder erklären noch gar rechtfertigen, und auch nicht merkwürdige Pannen wie jene in Dresden, als die Ermittler im Fall des erstochenen Asylbewerbers erst einmal verlauten ließen, es gebe keine Hinweise auf Fremdverschulden. Aber tatsächlich wäre es oft besser um die Sicherheit bestellt, wenn statt neuer Gesetze neue Beamtenstellen geschaffen würden, gerade in den Bundesländern.

Nebenbei: Auch Verschärfungen des Strafrechts brauchen Personal, das sich um die Ausführung kümmert. Bei der Observierung von militanten Islamisten etwa sind pro Verdächtigem mindestens zwei Dutzend Beamte gebunden, oft mehr. Sie fehlen dann anderswo. Aber dieses Problem ist nicht zu lösen, indem die Polizei einen Teil des öffentlichen Raums aufgibt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: