Süddeutsche Zeitung

Innere Sicherheit:Keine Bundeswehr im Inneren: Warum Merkels Machtwort richtig ist

Viele Unionisten rufen zum Schutz vor Terroristen laut nach Soldaten. Doch eine Armee taugt nicht als Hilfspolizei.

Kommentar von Joachim Käppner

Kaiser Wilhelm II. verblüffte einst Wehrpflichtige mit einer besonders markigen Ansprache. Auf seinen Befehl hin müssten sie ohne zu zögern bereit sein, "eure eigenen Verwandten, Brüder, ja Eltern niederzuschießen", sollten diese den Umsturz im Sinn haben. Immer wieder haben deutsche Befehlshaber ihre Männer auch auf den "inneren Feind" losgelassen, 1848, 1918, 1920. Als dann wirklich ein solcher Feind entstand, die Nazis, warf sich ihm das Militär um den Hals. Das ist die historische Folie, vor der die Bundeswehr als Parlamentsarmee geschaffen und ihr der Einsatz im Inland untersagt wurde, von Ausnahmen wie Hilfe bei Naturkatastrophen abgesehen. Nun hat die heutige Armee mit preußischen Pickelhauben nicht viel zu tun; aber das Prinzip, sie nicht im Inland einzusetzen, ist dennoch bewährt.

Der Einsatz im Inland ist nicht Aufgabe des Militärs

Es war daher gut, dass Kanzlerin Angela Merkel gegen ihre Gewohnheit ein Machtwort sprach: Die Bundeswehr soll auch im Fall von Terroranschlägen nicht gerufen werden, hoheitliche Aufgaben im Inland sind Sache der Polizei. Diese nötige Klarstellung galt nicht den Streitkräften, in deren Reihen es gewiss kaum Begehrlichkeiten gibt, auch noch den Hilfssheriff zu spielen.

Sie galt der eigenen Partei. Viele Unionisten rufen wieder laut nach den Soldaten: zum Schutz vor Terroristen, zur Sicherung der Grenzen in der Flüchtlingskrise und so fort. Doch dies ist Aufgabe der Polizei. Und es gibt eine Reihe von guten Gründen dafür. Soldaten sind dafür nicht ausgebildet. Die Polizei lernt die Verhältnismäßigkeit der Mittel, die Armee lernt, welche Mittel es braucht, um einen Gegner auszuschalten. Wer ihren Einsatz fordert, will oft darüber hinwegtäuschen, dass die Polizei lange Zeit Opfer wilder Sparfestspiele war; dass die Bundespolizei jetzt deutlich mehr Personal erhält, kann man als stilles Eingeständnis des Dienstherrn werten, an der falschen Stelle gespart zu haben.

Eine Armee lässt sich nicht alle paar Jahre neu erfinden

Und obendrein: Offenbar fehlen der geschrumpften Truppe bereits jetzt Soldaten, um von Mali über Masar-i-Scharif bis zur Syrienmission, bei Nato-Operationen und der Landesverteidigung effizient ihren Job zu machen. Auf jede Reform seit dem Fall der Mauer folgte alsbald die Reform der Reform. Die Armee, die Ende der Neunziger auf den Balkan und 2001 nach Afghanistan entsandt wurde, diente eigentlich noch zuerst der Landesverteidigung. Als die Politik in der Ukrainekrise dann wieder entdeckte, dass der Schutz dieses Landes und des Bündnisgebietes gar keine schlechte Idee wäre, nannte man die Bundeswehr längst Einsatzarmee und fragte sich bang, ob sie überhaupt noch in der Lage sei, diesen Schutz zu gewährleisten.

Eine Armee lässt sich nicht alle paar Jahre neu erfinden. Als Hilfspolizei taugt sie ohnehin nicht. Wer ihr aber den Schutz des Landes nach außen auferlegt und zugleich im Ausland Solidarität mit angegriffenen Freunden wie Frankreich üben will, muss die Bundeswehr für beide Aufgaben aufstellen. Und es würde bei internationalen Einsätzen nicht schaden, deren politisches Ziel zu definieren. Da gibt es bei der Syrienmission noch einigen Erklärungsbedarf.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2015
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