Innere Sicherheit - Dresden:Verfassungsschutz hat Daten widerrechtlich gespeichert

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Roland Wöller (CDU), Innenminister von Sachsen. Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

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Dresden (dpa/sn) - Sachsens Verfassungsschutz hat Daten von Parlamentariern widerrechtlich gespeichert. Das gab Innenminister Roland Wöller (CDU) im Beisein des neuen Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Dirk-Martin Christian am Donnerstag in Dresden bekannt. Konkret geht es um Mandatsträger der AfD. Dabei unterliege die Sammlung und Speicherung von Daten über Abgeordnete besonders strengen Regelungen. Das Grundgesetz schütze ausdrücklich das freie Mandat von Abgeordneten. Im Hinblick auf die Speicherung ihrer Daten gelten deshalb besonders strenge Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts.

Nach Darstellung von Wöller reicht die bloße Parteimitgliedschaft für eine Beurteilung nicht aus. Vielmehr brauche man konkretes Wissen über das Handeln des Abgeordneten, "wie und auf welche Art und Weise er die freiheitlich-demokratische Grundordnung in relevanter Weise gefährdet". "Diese Anforderungen wurden vom LfV verletzt." Die Fachaufsicht im Ministerium habe das beanstandet und mehrfach Belege und Beweise gefordert. Diese habe das LfV aber nicht liefern können. Deshalb sei die Löschung der Daten notwendig.

"Man kann nicht die Verfassung schützen und selbst Verfassungsbruch begehen", erklärte LfV-Präsident Christian. Die von den Abgeordneten gesammelten Daten würden alle aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen, also aus Medienberichten. Einen Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel habe es nicht gegeben.

Wöller zufolge hat das LfV unter Christians Vorgänger Gordian Meyer-Plath auch die erforderliche Genehmigung für eine Datensammlung über Abgeordnete beim Ministerium nicht eingeholt. Der Minister war nach eigenen Angaben im April über den Vorgang informiert worden. Man habe aber die Hoffnung gehegt, dass das Landesamt seine Rechtsauffassung noch ändert. Als das bis Ende Mai nicht erfolgt sei, haben man die Löschung der Daten gefordert. LfV-Chef Christian räumte ein, dass dies noch erfolgen müsse.

Hintergrund der Pressekonferenz war ein Bericht in der "Sächsischen Zeitung" vom Mittwoch. In dem Beitrag war unter anderem berichtet worden, dass Christian die Löschung der Daten gefordert hatte und Geheimdienstarbeit im Bereich Rechtsextremismus blockiere.

"Einen Tag vor dem Wechsel an der Spitze des LfV hat es gezielte Indiskretionen gegeben, die das Vertrauen in die Arbeit des Verfassungsschutzes zu erschüttern drohen. Diese Indiskretionen sind völlig haltlos und unbegründet", erklärte Wöller. Es könne keine Rede davon sein, dass der Verfassungsschutz "blind und stumm gemacht" werden sollte.

"Das Durchstechen von Verschlusssachen in die Öffentlichkeit, um auf diesem Wege die eigene Meinung und sein rechtswidriges Tun gegen Abgeordnete zu verteidigen, ist ein bemerkenswerter (...), einmaliger Vorgang", sagte Wöller. Die Staatsanwaltschaft sei eingeschaltet. Der Wechsel im Amt des Präsidenten sei lange geplant gewesen: "Die jüngsten Vorgänge zeigen, dass er mehr als notwendig ist." Die Amtsführung müsse sich klipp und klar an Recht und Gesetz halten.

Wöller zufolge sind der gewaltbereite Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus sowie sämtliche Strömungen und Subkulturen des Rechtsradikalismus derzeit die größte gesellschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen in Sachsen und auch in Deutschland. Das Ausmaß von Hass und Gewalt nehme in der Gesellschaft und sozialen Medien erschreckende Züge an. Der Verfassungsschutz müsse seine Fähigkeit zur Früherkennung und Analyse ausbauen. Seit 1. März gebe es im LfV eine Abteilung "Auswertung Rechtsextremismus".

AfD-Chef Jörg Urban sprach von einem "skandalösen Vorgang". Die "politische Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes" sei ein schwerwiegender Eingriff in den demokratischen Wettbewerb: "Wir fordern eine lückenlose Aufklärung der Verfassungsschutz-Affäre, verlangen die Herausgabe aller gesammelten Daten und prüfen selbstverständlich rechtliche Schritte."

Auch die Grünen betrachten die Datenspeicherung als "ungeheuerlichen Vorgang": "Verfassungsfeinde bekämpft man nicht durch verfassungswidrige Praktiken", erklärte der Abgeordnete Valentin Lippmann. SPD-Politikerin Sabine Friedel hob hervor: "Im Verfassungsschutzbereich gilt wie für den Rechtsstaat generell: Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit müssen bei allen Maßnahmen, die Grundrechte beschränken, der wichtigste Maßstab sein." Meyer-Plath habe der Arbeit des Verfassungsschutzes im Freistaat Sachsen einen Bärendienst erwiesen, sagte der CDU-Politiker Rico Anton.

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