Innere Sicherheit:Die Wunschliste der Union für mehr Sicherheit

Innere Sicherheit: Mehr Kameras für noch mehr Sicherheit? Die Union wünscht sich Überwachung.

Mehr Kameras für noch mehr Sicherheit? Die Union wünscht sich Überwachung.

(Foto: imago)

Abschieben, speichern, filmen - manches davon ist bereits möglich, anderes könnte an Gerichten scheitern oder am Bundesrat.

Von Ronen Steinke

Die Themen sind gesetzt, die Ausarbeitung aber beginnt erst jetzt: Der Entwurf eines Forderungskatalogs von Unionsinnenministern, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, umfasst die imposante Zahl von 27 Punkten. Dabei sind viele aber nur eine Zeile lang. Abzüglich Überschrift und Prolog passt das Ganze fast auf eine DIN-A4-Seite. Vieles ist vage, vieles auch in der Union umstritten. Punkt Nummer 1, die Forderung nach 15 000 neuen Politzisten, dürfte am ehesten Konsens sein. Die Liste wirft kriminalpolitische Fragen auf, aber auch verfassungsrechtliche.

Wäre ein Burka-Verbot, wie es in dem Entwurfspapier gefordert wird, rechtlich überhaupt möglich?

In Frankreich, Belgien und den Niederlanden gilt seit Jahren ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das in seiner Entscheidung vom 2. Juli 2014 letztlich ebenso wenig beanstandet wie die jeweiligen nationalen Verfassungsgerichte. Das Argument der Richtermehrheit: Für ein gedeihliches Gemeinwesen könne es wichtig sein, dass man sein Gesicht zeigt. Im laizistischen Frankreich kosten Verstöße 150 Euro. In Deutschland hat sich das Bundesverfassungsgericht bislang nur mit einer sehr viel spezielleren Frage befasst - dem Kopftuch im öffentlichen Dienst. Bedenkt man aber, wie stark die Karlsruher Richter schon da die Religionsfreiheit (Artikel 4 Grundgesetz) einer Muslimin gewichtet haben, die sich verschleiern wollte, ist es schwer vorstellbar, dass sie ein pauschales Burkaverbot - ohne Bezug zum öffentlichen Dienst - akzeptieren würden. Selbst wenn, wie es die Unions-Innenminister vorschlagen, dies "nur" als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld geahndet würde, so wie in Frankreich.

Mit welcher Begründung wollen einige Unionsinnenminister die doppelte Staatsbürgerschaft abschaffen?

Der Doppelpass sei "ein großes Integrationshindernis", heißt es in dem Papier. "Wir lehnen diese gespaltene Loyalität ab." Die Formulierungen erinnern an die harten Auseinandersetzungen des Jahres 1999, als eine Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft dem CDU-Politiker Roland Koch zum Wahlsieg in Hessen verhalf. Inzwischen sind Doppelpässe seit sechzehn Jahren zigtausendfache Realität; und 2012 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einer Studie fest: Das Empfinden von Loyalität sei nicht vom Pass abhängig. Doppelstaatler unterschieden zwischen "dem Pass als Formalität" und ihrem Zugehörigkeitsgefühl. "Beides wird als nicht unbedingt deckungsgleich erlebt und daher voneinander entkoppelt." Für die Integration sei der deutsche Pass förderlich. Im Papier der Unions-Innenminister heißt es: "Wir fordern eine bewusste Entscheidung für die Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung und keinen Staatsangehörigkeitsautomatismus."

Nichtdeutsche "Hassprediger" sollten sofort ausgewiesen werden, heißt es im Papier der Unionsinnenminister. Ist das nicht schon heute möglich?

Die Ausweisung ausländischer Straftäter ist zuletzt schon sehr viel einfacher geworden, die Ausländerbehörden müssen zum Beispiel nicht mehr warten, bis ein Strafrichter ein Urteil gesprochen hat, es genügt unter Umständen schon ein Verdacht. Was "Hassprediger" angeht, also Ausländer, die "zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufrufen", so erlaubt der Paragraf 54 Absatz 1 Nummer 5 Aufenthaltsgesetz seit dem vergangenen Jahr auch das, was nun aus der Union gefordert wird: die Ausweisung. Dies bedeutet, dass es einem Ausländer unmöglich gemacht wird, eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland zu erlangen. Nach Syrien abschieben kann man ihn dann aber trotzdem noch nicht.

Auch Verfassungsschützer sollen künftig Zugriff auf die Vorratsdatenspeicherung bekommen. Was würde das bedeuten?

Viele SPD-Abgeordnete haben der Vorratsdatenspeicherung nur unter Bauchschmerzen zugestimmt - und unter Betonung der Hürden, die das Bundesverfassungsgericht 2010 aufgestellt hat. Wenn ohne jeden Verdacht gespeichert wird, wann wer wie lange mit wem telefoniert hat, dann dürfen diese Daten nur gesichtet werden, wenn es um konkrete, schwere Straftaten geht. Das würde sich ändern, wenn nun auch Inlandsgeheimdienste die Daten abfragen könnten. Sie beschäftigen sich nicht mit Straftaten. Sie suchen, weniger klar abgegrenzt, bestimmte politische "Bestrebungen". Als einziges Bundesland probiert Bayern das bereits aus: Der bayerische Verfassungsschutz kann laut einer Gesetzesänderung, die Anfang Juli beschlossen wurde, diese Telefon-Verbindungsdaten nutzen. Die CSU wandte dazu einen rechtlichen Trick an, sie definierte den Verfassungsschutz als "Gefahrenabwehrbehörde". Innenminister Joachim Herrmann räumte ein, das dies "in der Tat bis an die Grenzen dessen geht, was vom Rechtsstaat erlaubt ist". Der Strafrechtler Fredrik Roggan, der an der Polizei-Fachhochschule Brandenburg lehrt, hält das für einen "klaren Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit", die Karlsruhe einfordert.

Die Unionsinnenminister wollen die Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen, in Bussen und Bahnen ausbauen. Schafft das mehr Sicherheit?

Sechs Fotos von der Kamera eines Hobbyfotografen haben die sexuellen Übergriffe in der Hamburger Silvesternacht dokumentiert. Sie sind die besten Beweismittel, die die Polizei hat. Dass es auf einen Bürger ankam, der zufällig feiernde Menschen an der Großen Freiheit fotografierte, zeigt schon das ganze Problem, sagt Ulf Küch vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Die Polizei verfügt an diesem Kriminalitätsschwerpunkt nicht über Videoaufnahmen. Richtig ist aber auch: Große Hoffnungen werden hier oft enttäuscht. Die Strafverfolgung ist in Hamburg trotz der Fotos nicht weit gekommen. Die Gerichte haben Haftbefehle wieder aufgehoben. Eine präventive Wirkung - die zweite Hoffnung, die sich mit Kameras verbindet - ist auch schwer belegbar, sagt der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Thomas Bliesener. Ein Abschreckungseffekt zeige sich fast nur bei lange geplanten Taten wie Auto-Aufbrüchen. "Da ziehen Täter so etwas ins Kalkül. Bei Gewalttaten anscheinend nur selten."

Welche dieser Forderungen wären zustimmungspflichtig im Bundesrat?

Für das Staatsbürgerschafts- und das Ausländerrechts würde die Union den Bundesrat und damit die SPD und die Grünen brauchen. Ansonsten gilt: Polizei ist Ländersache. Um die Videoüberwachung auszuweiten, braucht es nur die Zustimmung des jeweiligen Landes-Koalitionspartners. Ein Burkaverbot in Form einer Ordnungswidrigkeit könnte auf Bundes- wie auf Länderebene beschlossen werden.

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