Innere Sicherheit:Das Gespenst des deutschen FBI

Ein dicker Bericht für Thomas de Maizière: Die Werthebach-Kommission präsentiert in Berlin ihre Analyse der deutschen Sicherheitsarchitektur. Die Kernforderung, Bundespolizei und Bundeskriminalamt zu fusionieren, gefällt dem Innenminister.

Matthias Kolb

Eckart Werthebach ist ein Mann mit feinen Manieren und weiß, was sich gehört. Deswegen bedankt sich der frühere Berliner Innensenator zunächst bei den Mitgliedern der Kommission, mit denen er den Zustand der deutschen Sicherheitsbehörden analysiert hat. Viel Erfahrung sei da zusammengekommen: Kay Nehm etwa habe zwölf Jahre als Generalbundesanwalt gewirkt oder Ulrich Kersten das Bundeskriminalamt (BKA) acht Jahre lang geleitet. Und die insgesamt sechsköpfige Kommission ist sich einig: In der bisherigen Kooperation der Behörden gebe es "keine gravierenden Sicherheitsmängel", die eine sofortige Reaktion des Innenministers erfordern.

Vorstellung der Ergebnisse der Werthebach-Kommission

Wo stehen sie, die Fotografen? Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und der frühere Verfassungsschutzpräsident Eckart Werthebach präsentieren den Bericht der Werthebach-Kommission vor der Bundespressekonferenz.

(Foto: dpa)

Das wird Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) bei der Vorstellung des 151 Seiten starken Berichts ebenso gern gehört haben wie den Widerspruch des 70-Jährigen gegen einige Presseberichte. "Wir haben niemals empfohlen, das Bundeskriminalamt zu einem deutschen FBI aufzuwerten", betont Werthebach, der einst auch dem Verfassungsschutz vorstand.

Die Kommission fordere zwar, die Sicherheitsbehörden des Bundes zusammenzulegen - also die Bundespolizei mit dem BKA zu fusionieren. Die neue Behörde, die "Polizei des Bundes" heißen soll, werde aber keine zusätzlichen Kompetenzen erhalten. Im Grundgesetz sei "mit Bedacht festgelegt" worden, dass Bund und Länder unterschiedliche polizeiliche Aufgaben hätten, betonte der CDU-Politiker Werthebach. Dabei solle es bleiben.

Auch Innenminister de Maizière wollte das Gespenst vom "deutschen FBI" schnell vertreiben. Er halte die Idee, BKA und Bundespolizei zu verschmelzen, für "überzeugend und bedenkenswert", lobte der CDU-Politiker. Dies wäre auch eine logische Konsequenz aus der Wiedervereinigung, denn "heute käme niemand auf die Idee, verschiedene Sonderpolizeien des Bundes nebeneinander zu organisieren".

Keine Änderung des Grundgesetzes geplant

De Maizière führte auf Nachfrage aus, weshalb er eine Behörde nach dem amerikanischen Vorbild ablehne: "Das FBI ist eine reine Kriminalpolizei." Auch das Recht des Federal Bureau of Investigation, Ermittlungen eigenmächtig an sich zu ziehen und "andere Behörden beiseitezuschieben", wolle er als deutscher Innenminister nicht einführen. Er sei überzeugt, dass sich eine mögliche Reform auch ohne Grundgesetzänderung umsetzen ließe. Es gehe darum, "gute Dinge besser zu machen", erklärte de Maizière.

Der 56-Jährige will im Frühjahr eine politische Grundentscheidung über Zuschnitt und Zeitplan der Reform treffen. Die Expertenkommission ist überzeugt, dass in der neuen "Polizei des Bundes" Parallelarbeit und Konkurrenz zwischen den bisher getrennt arbeitenden Behörden vermieden werden könne. Skeptisch beurteilte der Innenminister allerdings deren Vorschlag, die Fusion über mehrere Jahre zu strecken - es sei sinnvoller, Organisationen "kurz und schnell" zu reformieren.

Offen ließ de Maizière die Auswirkungen der Reform auf die Stellenzahl. "Das Ziel besteht nicht darin, Stellen abzubauen." Es gehe um mehr Sicherheit. Die Standorte in Potsdam und Wiesbaden sollten im Wesentlichen erhalten bleiben. Der Minister machte keine näheren Angaben, wo die Zentrale einer neuen Polizei des Bundes angesiedelt werden soll.

Bundespolizei soll Luftfracht allein kontrollieren

Darüberhinaus plädiert das im April eingesetzte Gremium angesichts der Terrorgefahr dafür, dass nur noch die Bundespolizei für die Kontrolle der Luftfracht verantwortlich sein soll. Die sechs Experten gaben damit eine andere Empfehlung als ein Arbeitsstab der Regierung, der zwar der Bundespolizei mehr Zuständigkeiten übertragen möchte, aber weiterhin den Zoll sowie das Luftfahrtbundesamt an den Checks beteiligen will. "Wir sind der Auffassung, dass die Zuständigkeitsvielfalt in der Luftsicherheit pannenträchtig ist und zu Informationsdefiziten führt", erklärte Werthebach.

Auch hier dürfte Thomas de Maizière innerlich genickt haben. Schließlich entspricht der Vorschlag genau dem Ziel des Innenministers, die Zuständigkeiten der Sicherheitsbehörden des Bundes klarer zu regeln. Bei der Debatte um die Kontrolle der Luftfracht hat er erfahren müssen, wie schwierig dies sein wird: Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) weigerte sich erfolgreich, Kompetenzen an andere Ressorts abzugeben. Im politischen Berlin ist Machtkalkül manchmal wichtiger als Sicherheit.

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