Süddeutsche Zeitung

Innenministerkonferenz:NPD und Scientology entgehen Verbot

Lesezeit: 1 min

Den Ankündigungen folgen keine Taten: Die Innenminister haben sich nicht auf ein schärferes Vorgehen gegen rechtsextreme NPD oder Scientology verständigt.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wird kein Verbotsverfahren gegen die umstrittene Organisation Scientology einleiten. Die Innenministerkonferenz entschied sich bei ihrer Herbsttagung in Potsdam gegen einen solchen Schritt.

"Bevor wir ein Ermittlungsverfahren einleiten, brauchen wir tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass eine Verfassungswidrigkeit vorliegt", sagte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, August Hanning, am Freitag.

"Die Verfassungsschutzämter sind ganz überwiegend der Auffassung, dass es diese zureichenden Anhaltspunkte nicht gibt." Die Innenminister hatten vor einem Jahr die Verfassungsschutzämter damit beauftragt, die Aussichten eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Scientology zu prüfen.

Auf der Grundlage eines entsprechenden Berichts berieten die Innenminister am Donnerstagnachmittag in Potsdam über das weitere Vorgehen. Die große Mehrheit war gegen ein Ermittlungsverfahren. Lediglich Hamburg und Bayern wichen von dieser Haltung ab.

Der Hamburger Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) sagte, aus seiner Sicht seien die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren gegeben. "Deswegen hat Hamburg gemeinsam mit Bayern in einer Protokollnotiz deutlich gemacht, dass wir auch weiterhin Scientology für die verfassungsmäßige Grundordnung gefährdend halten und sie deswegen weiterhin durch unseren Verfassungsschutz beobachten lassen."

Laut Bundesamt für Verfassungsschutz hatte Scientology 2007 etwa 5.000 bis 6.000 Mitglieder in Deutschland. Im Verfassungsschutzbericht 2007 heißt es über die Organisation, es ergebe sich "aus einer Vielzahl von Informationsquellen", dass Scientology "wesentliche Grund- und Menschenrechte, wie die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Gleichbehandlung, außer Kraft setzen oder einschränken will".

Zeitplan kaum noch einzuhalten

Die Entscheidung über das weitere Vorgehen gegen die NPD vertagten die Innenminister. Einen Vorstoß Niedersachsens für eine Grundgesetzänderung, mit der die staatlichen Zuschüsse an die rechtsextremistische Partei gestoppt werden sollen, wollen die Ressortchefs zunächst sorgfältig prüfen.

"Es wird auf einer der nächsten Innenministerkonferenzen, wenn insgesamt die Rechtsgutachten eingeholt worden sind, wieder auf die Tagesordnung kommen", sagte der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Schünemann hatte den Innenministern ein 80-seitiges Rechtsgutachten mit einer konkreten Formulierung für eine Grundgesetzänderung vorgelegt. Die SPD hat bereits ein eigenes Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.

Bei der Innenministerkonferenz wurde der Vorschlag mit viel Skepsis aufgenommen. Schünemann hatte gehofft, die Innenministerwürden sich einem Vorschlag anschließen und eine Grundgesetzänderung noch vor der Bundestagswahl anstreben. Dieser Zeitplan dürfte jetzt kaum noch einzuhalten sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.318883
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
AP/dpa/Reuters/woja/liv
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.