Innenministerkonferenz:Neben der Spur

CDU-Politiker Stahlknecht, eigentlich als Hardliner bekannt, fordert einen "Weichenwechsel" für Asylbewerber - und umgeht damit ein Tabuwort.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Wenn Sachsen-Anhalts CDU-Chef Holger Stahlknecht am Mittwoch die Innenministerkonferenz in Magdeburg eröffnet, soll es dort nicht nur um Traditionsthemen wie Polizei und Sicherheit gehen. Gastgeber Stahlknecht, der in der CDU als Hardliner in Migrationsfragen gilt und seinem Parteifreund Friedrich Merz applaudierte, als dieser das Grundrecht auf Asyl infrage stellte, will sich mit dem Bundesinnenminister über das geplante Fachkräftezuwanderungsgesetz auseinandersetzen. Der Gesetzentwurf, der kürzlich vorgelegt wurde, sei grundsätzlich gut, aber nicht gut genug, findet Stahlknecht. "Ich halte es für nötig, im Fachkräftezuwanderungsgesetz einen Weichenwechsel zu vereinbaren. Menschen, die seit fünf oder sechs Jahren integriert sind und deren Kinder hier in die Schule gehen, sollten die Erlaubnis bekommen, in Deutschland zu bleiben", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Um keine falschen Anreize zu setzen, solle hierbei eine Stichtagsregelung gelten.

Menschen von der Werkbank wegzuholen, die gebraucht würden, sei nicht zu vermitteln

Was der CDU-Politiker Stahlknecht vorschlägt, heißt eigentlich "Spurwechsel", ist in der CDU ein Tabuwort und war bisher eine Forderung vor allem der SPD. Sie wollte durchsetzen, dass abgelehnte Asylbewerbern, die in Deutschland nur geduldet, aber gut integriert sind, dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Große Teile der Union lehnen einen "Spurwechsel" vom Asylsystem in den Arbeitsmarkt ab: So würden Menschen nach Deutschland gelockt, die keine Chance auf Asyl hätten und in Deutschland eigentlich mit Abschiebung rechnen müssten.

Als Kompromiss sieht das Fachkräftezuwanderungsgesetz nun eine zweijährige "Beschäftigungsduldung vor. Geduldeten bringt allerdings keine langfristige Perspektive. Sachsen-Anhalts CDU-Chef Stahlknecht, dessen Bundesland um Fachkräfte kämpft, will nachbessern. "Man hätte sich frühzeitiger Gedanken darüber machen müssen, wie Deutschland dem Mangel an Fachkräften wirksam begegnet", sagte er. "Dass die politische Diskussion und die Erkenntnisreifung so lange gedauert haben, war ein Fehler." Gemeint sind damit ausdrücklich CDU und CSU. Stahlknecht fordert nun einen "Weichenwechsel", auch um Ressourcen zu schonen. "Etwa 40 Prozent der Migranten, die eigentlich das Land verlassen müssten, kriegen wir nicht abgeschoben", so der Minister. "Umgekehrt sollen wir Menschen von der Werkbank wegholen, die gebraucht werden und gut integriert sind." Arbeitgebern, die dringend Mitarbeiter brauchten, könne man das "nicht vermitteln". Bei der Innenministerkonferenz stehen auch Abschiebungen nach Afghanistan auf dem Programm. Einige Bundesländer wollen nicht nur Straftäter, Gefährder und sogenannte Identitätstäuscher abschieben, sondern alle Ausreisepflichtigen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: