Süddeutsche Zeitung

Innenministerkonferenz:Bleiberecht für integrierte Jugendliche

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Bisher nur geduldeten jungen Ausländern soll unabhängig von den Eltern ein gesicherter Aufenthalt in Deutschland gewährt werden - wenn sie integriert sind. Die Kriterien sind jedoch unklar.

S. Höll u. R. Preuß

Ausländische Jugendliche, die zusammen mit ihren Familien in Deutschland nur geduldet sind, sollen künftig ein eigenes Aufenthaltsrecht erhalten können. Die Innenminister von Bund und Ländern befürworteten bei ihrer Herbstkonferenz in Hamburg ein entsprechendes Bundesgesetz. Es soll die unterschiedlichen Härtefallregelungen ersetzen, mit denen die Länder bislang Minderjährige ohne deutschen Pass vor Abschiebungen in ihre Heimat verschonen können. Das eigene Aufenthaltsrecht soll denjenigen Jugendlichen gewährt werden, die, wie es im Beschluss der Minister heißt, "die Gewähr bieten, dass sie sich in die hiesigen Lebensverhältnisse einfügen werden".

Die Minister verzichteten bei dem Treffen allerdings darauf, genaue Kriterien für die Bewilligung einer solchen Genehmigung festzulegen. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) schlägt sei längerem vor, den Aufenthaltstitel auch von den Schulnoten abhängig zu machen. Dem Vernehmen nach diskutierten die Minister diese Idee, stießen dabei allerdings auf Schwierigkeiten. So könne es sein, dass ein ausländischer Jugendlicher in Mathematik eine sehr gute Note habe, in Deutsch dagegen eine schlechte Bewertung. Wie man mit einem solchen Schüler dann verfahren solle, sei unklar gewesen.

Auch die Eltern dieser Jugendlichen sollen nach dem Willen der Minister ein Bleiberecht erhalten, wenn sie gut integriert sind und für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Ansonsten müssen die Eltern von Jugendlichen mit Bleiberecht Deutschland verlassen, wenn ihr Kind volljährig ist. Der Vorsitzende der Konferenz, Hamburgs Innensenator Heino Vahldieck (CDU), sprach von einem "Durchbruch", der auch der Integration von Ausländern diene. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte die Einigung. Nach jahrelangen, ergebnislosen Diskussionen über einen Abschiebestopp für Minderjährige komme es jetzt darauf an, "schnell die Dynamik des parteiübergreifenden Konsens zu nutzen", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Eine Regelung könne rasch in den bereits dem Bundestag vorliegenden Gesetzentwurf gegen Zwangsheiraten eingefügt werden. "Die Union öffnet sich in einem ersten Schritt einer modernen Einwanderungspolitik", sagte sie. Zugleich wollen Bund und Länder streng gegen Ausländer vorgehen, die als integrationsunwillig gelten. Die bislang vorgesehenen Sanktionen für Einwanderer, die obligatorische Integrationskurse verweigerten, sollten "konsequent angewendet werden" beschlossen die Minister.

Die Politiker bearbeiteten außerdem eine Reihe weiterer Tagesordnungspunkte, die wir auf den folgenden Seiten für Sie zusammengefasst haben:

Die Minister aller Länder beklagten, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine "erhebliche Schutzlücke" entstanden sei. Minister Schünemann betonte, allein in Niedersachsen hätten etwa 300Straftaten nicht aufgeklärt werden können, weil man nicht auf die gespeicherten Telekommunikationsdaten zurückgreifen könne. Die Pläne von Leutheusser-Schnarrenberger, ein sogenanntes "Quick-Freeze"-Verfahren zu ermöglichen, bei dem Daten vorübergehend gespeichert und bei Bedarf freigegeben werden können, sei unzureichend.

Die Landesminister unterstützen ihren niedersächsischen Kollegen außerdem in der Forderung, dass künftig der Bund die Kosten für Atomtmülltransporte nach Gorleben übernehmen solle. Schünemann, der das Land Niedersachsen in dieser Kostenfrage für überfordert hält und die Atomtransporte als nationale Aufgabe definiert sehen möchte, stößt aber bei der Bundesregierung auf Widerstand. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) appellierte in Hamburg an die Bundesländer, Niedersachsen in dieser Frage finanziell entgegenzukommen. Sie könnten dem Beispiel des Bundes folgen, der Niedersachsen bei Castor-Transporten Bundespolizisten unentgeltlich zur Verfügung stelle. Das wiederum lehnen die übrigen Länder ab.

Die Länder forderten den Bund auf, Prostitution besser zu überwachen, auch um effektiver gegen Menschenhandel vorzugehen und neue Regelungen auf den Weg zu bringen. So sollen Bordelle nur noch mit Genehmigungen eröffnet werden dürfen. Außerdem soll es eine Meldepflicht für Prostituierte geben. Hintergrund des Vorstoßes sei die zunehmende Zahl osteuropäischer Frauen, die ohne Einhaltung hygienischer Mindeststandards der Straßenprostitution nachgingen. Zudem äußerten die Minister Sorgen über Auswüchse der Prostitution, etwa in sogenannten "Flatrate-Clubs".

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Quelle:
SZ vom 20.11.2010
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