Innenministerium:Notfalls zurück nach Afrika

Pk zum Jahresbericht der Bundespolizei

Bundespolizeichef Dieter Romann und Innenminister Horst Seehofer.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Seehofer dringt auf ein EU-weites Konzept zur Flüchtlingsrettung und warnt vor offenen Grenzen auf dem Mittelmeer.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Vor dem Treffen der Innen- und Justizminister der EU in Helsinki dringt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf ein europäisches Gesamtkonzept zur Seenotrettung - samt Rückführung Geflüchteter nach Nordafrika. "Da kann es überhaupt keine Diskussion geben, dass man Menschen vor dem Ertrinken schützen muss", sagte Seehofer am Dienstag in Berlin. Beim Treffen in Helsinki wolle er eine Lösung finden, die "uns diese erbärmlichen Schauspiele erspart". Es gehe nicht an, dass wegen der ungeklärten Frage der Flüchtlingsverteilung in Europa alle 14 Tage aus Seenot gerettete Flüchtlinge einzeln über den Kontinent verteilt werden müssten, "erst die Kollabierten, dann die Schwangeren, dann die Kinder".

Schiffbrüchige retten, in Europa verteilen oder gleich zurückbringen - so etwa sieht Seehofers Gesamtkonzept zur Seenotrettung aus. Denn neben dem Bergen von Flüchtlingen will er in Helsinki auch die Bekämpfung der Schleuserkriminalität voranbringen, die Verstärkung der Grenzschutzagentur Frontex sowie die Rückführung Schiffbrüchiger. Einfach in Europa anlanden lassen will Seehofer gerettete Flüchtlinge jedenfalls keineswegs.

"Wir wollen keine Pullfaktoren mit der Folge, dass wir faktisch eine offene Grenze haben auf See", sagte er bei der Vorstellung des Jahresberichts der Bundespolizei. Die Flucht übers Mittelmeer könne unattraktiver werden, "indem man auch andere Häfen ansteuert außer den europäischen". Im Prinzip könnten Rettungsschiffe alle nordafrikanischen Staaten ansteuern, außer Libyen. Die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage europäische Sicherheitskräfte in Nordafrika agieren sollen, beantwortete Seehofer nicht. "Es ist die Aufgaben der EU, dies im Einzelfall zu managen", sagte er.

Die Zahl der Flüchtlinge auf der zentralen Mittelmeerroute Richtung Italien ist 2018 um 80 Prozent zurückgegangen. Nach dem Jahresbericht 2018 der Bundespolizei, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, haben Fluchtbewegungen im Osten des Mittelmeers dagegen um 34 Prozent zugenommen, im Westen Richtung Spanien um 147 Prozent. Die Bundespolizei, die für Grenzsicherung zuständig ist, registrierte insgesamt eine deutliche Abnahme illegaler Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen. 150 000 Fälle wurden 2018 gezählt, ein Minus von 27 Prozent. "Das ist der niedrigste Wert der vergangenen fünf Jahre", sagte Seehofer.

2018 wurden an deutschen Grenzen 42 478 unerlaubte Einreisen registriert, ein Rückgang um 15 Prozent. Trotz sinkender Straftaten und steigender Aufklärungsquote entwickle sich das Sicherheitsgefühl der Bürger "nicht synchron zur Kriminalitätsstatistik", so Seehofer. Starke Polizeipräsenz bleibe wichtig.

Die Bundespolizei wird bis 2021 um insgesamt 12 700 Stellen aufgestockt sein. Sie hat dann mehr als 50 000 Mitarbeiter. Einen solchen Zuwachs habe es "nie in der Geschichte der Bundesrepublik" gegeben, sagte Präsident Dieter Romann. Seine Behörde habe im Vorjahr 16 878 Haftbefehle vollstreckt, etwa 46 pro Tag. "Bei uns klicken die Handschellen", so Romann. "Luft nach oben" gebe es noch im Bereich Rückführungen. Mehr als 26 000 Abschiebungen wurden vollzogen, 3200 mussten abgebrochen werden, in 506 Fällen, weil Piloten den Start verweigerten.

Seehofer sprach sich für die Ausweitung der Schleierfahndung an deutschen Grenzen aus. Es sei zu überlegen, ob eine solche "intelligente Grenzsicherung" über den bislang geltenden Radius von 30 Kilometern diesseits der Grenze ausgeweitet werden müsse. Aus Brüssel kamen bereits Bedenken.

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