Innenminister und Islam:Friedrich sucht den Frieden

Das Regensburger Religionsgespräch findet zwar ohne Muslime statt, doch der Innenminister überrascht: CSU-Mann Hans-Peter Friedrich, der zum Amtsantritt betonte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, bietet den Muslimen nun Kompromisse an.

Matthias Drobinski

Der Blick in die Geschichte macht keinen Mut. 1541 trafen sie sich zum ersten Mal in Regensburg zum Religionsgespräch, Protestanten und Katholiken - und reisten unversöhnt wieder ab. Beim zweiten Gespräch 1546 kam es noch schlimmer: Kaiser Karl V. nutzte den Disput, um davon abzulenken, dass er Krieg gegen die evangelischen Reichsstände vorbereitete.

Seit März Innenminister: CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich

Seit März Innenminister: CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich

(Foto: dpa)

2011 also erneut ein zweites Regensburger Religionsgespräch. Das erste fand 2009 statt, und Innenminister Wolfgang Schäuble erklärte, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Nun aber redet Hans-Peter Friedrich von der CSU, der neue Bundesinnenminister. Der hat gleich zum Amtsantritt, gesagt, dass zwar die Muslime zu Deutschland gehörten, der Islam aber nicht - und sich damit auf der Islamkonferenz Ärger eingehandelt mit den dort vertretenen Muslimen. Das lässt weitere Konflikte erwarten im historischen Saal im Alten Rathaus, wo bis 1806 der immerwährende Reichstag tagte.

Der Applaus bleibt aus, als Friedrich den Raum betritt, lockenköpfig, schüchtern lächelnd, unpathetisch in allen Bewegungen; als der Innenminister sich ins Goldene Buch der Stadt einträgt, tröpfelt ein kurzes Wohlwollen herab. Und Friedrich sucht - den Frieden. Er vermeidet den Begriff Leitkultur, lässt den letztlich sinnarmen Streit beiseite, aus welcher Perspektive gesehen nun der Islam zu Deutschland gehört oder nicht.

"Religion prägt unsere Kultur bis hinein in die Sprache", sagt er, kommt vom bayerischen "Grüß Gott" übers Kruzifix in Feld und Klassenzimmer dahin, dass jemand "wie ein Blinder durchs Land läuft", wenn er die christliche Bildsprache nicht kennt. 60 Prozent der Bundesbürger sind Christen, 75 Prozent religiös, führt er an, nein, das Land ist nicht säkularisiert.

Und weil der Staat wisse, dass Religion und gläubige Menschen den Zusammenhalt der Gesellschaft fördern, nehme er auch eine "fördernde Neutralität" gegenüber den Religionsgemeinschaften ein. Da ist für ihn auch Platz für den Islam, so er tolerant ist und die "Unaufgebbarkeit der Menschenwürde" bejaht. Bei Zwangsheiraten oder Genitalverstümmelungen jedenfalls ende die Glaubensfreiheit. "Das Europa des 21. Jahrhunderts wird religiös sein - oder es wird bedeutungslos sein", sagt er; ein bisschen Pathos muss doch sein.

Es ist weder rückwärtsgewandt noch prophetisch, was Friedrich sagt; der Morgen im Regensburger Reichssaal bietet aber einen Einblick in seine Gedankenwelt. Wo es bei Schäuble um Rationalität und Funktionalität ging und die recht verstandene Religion dem Staat beim Funktionieren half, spricht Friedrich über Identität. Darin liegt die tiefere Wahrheit dieser Rede: Vieles, was als Integrations- oder Religionsproblem diskutiert wird, ist eher ein Identitätsproblem.

Insgesamt klingt manches, was Friedrich über die Muslime sagt, freundlicher als bei seinen ersten Auftritten. Den Islam den Kirchen rechtlich gleichzustellen sei schwierig, sagt er, er könne sich aber vorstellen, dass entweder ein Beirat, in dem Muslime vertreten sind, so wichtige Projekte wie den islamischen Religionsunterricht vorantreibe, oder dass es "für eine Übergangszeit" eine Anerkennung auf Probe gebe. Das ist weniger, als die islamischen Verbände wünschen - aber es ist ein Vorschlag. Friedrich gibt nicht den Kaiser Karl, der hinter der Regensburger Kulisse den Krieg vorbereitete.

Es fehlt die Zeit zur Debatte

Die katholische Fakultät hat mit der Stadt die Tagung vorbereitet, den designierten evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm zur Diskussion mit Friedrich eingeladen und Micha Brumlik, den Erziehungswissenschaftler und jüdischen Publizisten, den katholischen Theologen Knut Wenzel aus Frankfurt, die Politikwissenschaftlerin Tine Stein aus Kiel. Wenn sie dem Innenminister sagen, dass der säkulare Rechtsstaat einst auch gegen die Kirchen erkämpft werden musste, merkt man, wie fremd ihm das Argument bleibt.

Die spannendste Frage stellt Tine Stein: Kann der Staat vom Bürger fordern, dass er sich innerlich mit dem Staat identifiziert? Viele Katholiken zum Beispiel lehnten das Kaiserreich und die Weimarer Republik aus Glaubensgründen ab, hielten sich aber strikt an die Gesetze. Hätte der Staat ihnen das gleiche Bekenntnis abverlangt wie heute die Bundesrepublik den Muslimen, wäre die Integration viel schwieriger gewesen. Doch es fehlt die Zeit zur Debatte, Freundlichkeit begleitet den Minister zum Ausgang.

Ein Muslim hätte auch reden sollen auf dem Podium, der Religionspädagoge Mouhanad Khorchide aus Münster. Aber der ist krank geworden. So findet das Religionsgespräch mit dem Minister ohne Muslime statt.

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