Innenminister Friedrich in der Kritik:Reformierer auf eigene Rechnung

Umgeben von Getreuen: Innenminister Friedrich macht die Umbesetzung von Bundespolizei und Verfassungsschutz innerhalb nur weniger Stunden perfekt. Aus seinem Ministerium ist zu hören, das sei nur der Anfang einer großen Reform. Doch genau die hat der Minister einst verhindert. So geht es ihm wohl in erster Linie darum, den eigenen Posten zu retten.

Michael König

Im Internet war am Dienstag von einer weiteren spektakulären Personalentscheidung zu lesen. "Ich habe überprüft, wer für den ganzen Pfusch verantwortlich ist, der in meiner Amtszeit ans Tageslicht gekommen ist", wurde Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zitiert, "und festgestellt, dass ich das selbst bin."

Hans-Peter Friedrich im Bundespolizeipräsidium

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich nach der Amtseinführung des neuen Bundespolizeipräsidenten: Reformeifer zwecks Machterhalt?

(Foto: dpa)

Bei der Quelle handelt es sich allerdings um das Satire-Onlinemagazin Der Postillon, und so ist nicht davon auszugehen, dass sich Friedrich tatsächlich "hart, aber konsequent selbst gefeuert" hat. Andernfalls hätte der CSU-Politiker auch kaum die Termine wahrnehmen können, die für den Rest seiner Amtszeit immens wichtig sein könnten.

Am Mittwochmorgen ernannte Friedrich zunächst Hans-Georg Maaßen zum neuen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Maaßen tritt die Nachfolge des zurückgetretenen Heinz Fromm an, der wegen der Aktenschredder-Affäre zurückgetreten war. Er demonstrierte gleich Tatendrang: "Die Vorgänge müssen aufgeklärt werden", sagte Maaßen der Bild-Zeitung. Der Verfassungsschutz müsse das Vertrauen der Bürger gewinnen. Dafür sei "Transparenz oberstes Gebot".

Nach dem Termin mit Maaßen ließ sich Friedrich seinen neuen Bundespolizei-Chef absegnen: Dieter Romann wurde vom Bundeskabinett befürwortet. Noch am Vormittag führte der Innenminister den neuen Mann im Präsidium in Potsdam in sein Amt ein. Er folgt auf Matthias Seeger, dessen Abberufung von üblen Gerüchten begleitet wird.

"Der schwächste aller Innenminister"

Binnen weniger Stunden hat Friedrich also die Führung zweier wichtiger Sicherheitsbehörden nach seinem Gusto umgestaltet. Die Diskussion über seine Entscheidungen dürfte allerdings ungleich länger dauern. Polizeigewerkschaften und Opposition üben bereits seit Tagen scharfe Kritik an der Umbesetzung. "Es gibt viele Probleme bei der Bundespolizei, aber die meisten liegen in der Verantwortung des Ministeriums", legt Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD, im Gespräch mit SZ.de. noch mal nach.

Bodo Ramelow, Fraktionschef der Linken in Thüringen, geht noch weiter: "Der schwächste aller Innenminister zeigt seine einzige Stärke darin, dass er alle rausschmeißt. Es scheint mir ein CSU-Problem zu sein, dass die Chefs gefeuert werden, aber niemand die Strukturprobleme anfasst. Ähnlich wie damals bei Karl-Theodor zu Guttenberg in der Kundus- und Gorch-Fock-Affäre."

Friedrich wird die Kritik kaum stören. Starker Gegenwind passt genau in das Bild, das er abgeben möchte: Der CSU-Innenminister als Reformierer, der ohne Rücksicht auf Verluste für die Sicherheit kämpft. Nach den Pannen bei der Enttarnung der NSU-Terroristen braucht Friedrich positive Schlagzeilen. Es geht auch um seinen eigenen Job.

Machterhalt durch Personalrochade

Dass ihn Angela Merkel als Problemminister benennt und aus dem Kabinett wirft, wie die Kanzlerin das mit Umweltminister und NRW-Wahlverlierer Norbert Röttgen tat, gilt zwar als ausgeschlossen - als CSU-Mann ist Friedrich vor ihrem Zugriff geschützt. Aber auch in Bayern wird im Herbst 2013 gewählt. Negative Schlagzeilen aus Berlin, zumal auf dem CSU-Kerngebiet der inneren Sicherheit, kann Parteichef Horst Seehofer keinesfalls gebrauchen.

So besteht der Verdacht, Friedrich sei in erster Linie an Machterhalt interessiert. "Mein Eindruck ist, dass er rechtzeitig vor der Bundestagswahl alle Führungsposten bei den deutschen Sicherheitsbehörden mit Leuten aus dem eigenen Ministerium neu besetzen will", sagte der geschasste Bundespolizei-Chef Matthias Seeger der Bild-Zeitung. "Sie sollen als verlängerter Arm des BMI dienen und nicht zu viel Kritik üben." Michael Hartmann von der SPD spricht von einem "kolossalen Fehler", den Friedrich begehe. Der Minister opfere die "Häuptlinge" und bringe die Beamten so gegen sich auf.

Tatsächlich waren sowohl Romann als auch Maaßen bislang mehr oder minder direkte Untergebene Friedrichs. Den wichtigsten Teil ihrer Karriere verbrachten beide im Innenministerium. Bei den Vorgängern hatte das noch anders ausgesehen: Seeger hatte als Leiter des Bahnpolizeiamtes Köln gearbeitet, ehe er zum Präsidenten des Grenzschutzpräsidiums West berufen wurde, das später in der neu formierten Bundespolizei aufging. Der zurückgetretene Verfassungsschutzpräsident Fromm arbeitete als Leiter der Justizvollzugsanstalt Kassel, ehe er zum Nachrichtendienst wechselte.

Wie die CSU die Reform einst zerredete

Zur These des Machterhalts in höchster Not passt auch, dass sich Friedrichs Getreue in Berlin bemühen, das Gegenteil zu behaupten. Es gehe bei der Berufung von Romann und Maaßen um einen weitreichenden Umbau der Behörden, berichtet der Tagesspiegel unter Berufung auf Ministeriumskreise. Die Zusammenlegung von Teilen des Bundeskriminalamtes (BKA) mit der Bundespolizei solle erneut geprüft werden.

Ex-Bundespolizei-Chef Seeger und seine Stellvertreter hätten dem kritisch gegenübergestanden - deshalb habe Friedrich sie gefeuert. Beim BKA erledige sich der Widerstand von selbst, wenn Chef Jörg Ziercke im Jahr 2013 in den Ruhestand gehe. "Somit ist der Weg frei", zitiert der Tagesspiegel einen anonymen "Experten".

Aber strebt Friedrich diesen "Weg" wirklich an? Dazu müsste er seine Meinung grundlegend geändert haben.

Pläne für einen Umbau der Sicherheitsbehörden gibt es seit langem. Im April 2010 setzte Friedrichs Vorgänger Thomas de Maizière eine "Kommission zur Evaluierung der Sicherheitsbehörden" unter der Leitung des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten und Berliner Innensenators Eckart Werthebach ein. Sechs Monate später legte die Werthebach-Kommission ihre Empfehlungen vor. Die wichtigste lautete, BKA und Bundespolizei zu einer einzigen Behörde zusammenzufügen.

Die CSU war gegen eine Neuordnung

De Maizière sprach - voreilig, wie seine Kritiker sagen - von einem Bericht "von außerordentlicher Güte". Niemand werde künftig daran vorbeikommen. Die Reform müsse schnell durchgeführt werden. "Organisationsruhe ist kein Selbstzweck."

Dass sich der damalige Innenminister nicht durchsetzen konnte, lag an inhaltlichen Unschärfen des Papiers, aber auch wesentlich am Widerstand der CSU: "Wenn man einen Metzger und einen Bäcker zusammenlegt, heißt das noch lange nicht, dass die Wurstbrote besser werden", sagte damals der bayerische Innenminister Joachim Herrmann. Die "Debatte über ein deutsches FBI" müsse schleunigst beendet werden.

Für das vorläufige Ende der Pläne sorgte dann ausgerechnet Herrmanns Parteifreund Hans-Peter Friedrich. Noch am Tag seiner Vereidigung vor dem Deutschen Bundestag am 16. März 2011 sagte der neue Innenminister: "Bundespolizei und Bundeskriminalamt bleiben zwei Säulen der Polizei des Bundes." Im Juni bekräftigte er diese Position und legte die Pläne einer Fusion "endgültig ad acta", wie etwa die taz schrieb. Zugleich kündigte er an, dass die beiden Behörden stärker zusammenarbeiten sollen - was aber bis zu der Enttarnung der NSU im November 2011 nicht funktioniert zu haben scheint.

Karriereplan über 2013 hinaus

"Wenn Friedrich jetzt Werthebach II auflegen möchte, wäre das unglaubwürdig", kritisiert Michael Hartmann von der SPD. Doch der Innenminister kann sich inzwischen auf den gestiegenen Handlungsdruck berufen, um seinen Meinungswandel zu erklären.

Womöglich will der 55-Jährige mit seinen Personalentscheidungen den Grundstein für eine Amtskarriere über die Wahl 2013 hinaus legen - als Innenminister in einer möglichen großen Koalition. Bei seiner Berufung war zu hören, er habe den Job nicht gerne übernommen. Mittlerweile sei ihm, so sagen Vertraute, das Amt aber doch ans Herz gewachsen.

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