Amokfahrt:Bundestag will Tragödie von Magdeburg aufklären

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Fünf Menschen kamen bei dem Anschlag ums Leben. (Foto: JENS SCHLUETER/AFP)

Am Montag diskutiert der Innenausschuss über die Details zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt – ein Thema, dass die Parteien zunehmend auch im Wahlkampf beschäftigt.

Sina-Maria Schweikle, Berlin

Fast zwei Wochen nach der Tragödie von Magdeburg beginnt die politische Aufarbeitung der Bluttat. Am Montagmittag will der Innenausschuss des Bundestages in Berlin über den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt beraten. Erwartet werden dabei unter anderem Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, sowie der Vizepräsident des Verfassungsschutzes, Sinan Selen. Im Mittelpunkt der Beratungen steht die Frage, wie der mutmaßliche Täter Taleb A. mit einem Auto in die Menge auf dem Weihnachtsmarkt fahren konnte, dabei fünf Menschen tötete und bis zu 235 weitere verletzte.

Die Ermittlungen konzentrieren sich derzeit auf zahlreiche Details. In den vergangenen Tagen wurden verstärkt mögliche Versäumnisse von Behörden und Polizei diskutiert. Der 50-jährige Taleb A. war den Sicherheitsbehörden schon länger bekannt, bevor er mit einem Mietwagen durch eine Lücke in der Absperrung auf den Weihnachtsmarkt gelangte. Eine zentrale Frage ist nun, warum Flucht- und Rettungswege entgegen dem Sicherheitskonzept des Veranstalters nicht mit Stahlketten gesichert waren. Der Innenausschuss wird sich deshalb am Montag voraussichtlich intensiv mit den Schlussfolgerungen von Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) befassen, die an der Sitzung teilnehmen wird.

CSU-Chef Söder fordert eine „Zeitenwende“

Gleichzeitig nehmen die Parteien die Situation zum Anlass, sich für den Bundestagswahlkampf zu positionieren. So forderte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder in der Zeitung Bild am Sonntag eine „Zeitenwende“ beim Schutz der inneren Sicherheit. Für die Union sei es nach der Bundestagswahl entscheidend, in einer neuen Regierung ein weiteres Sicherheitspaket zu schnüren, sagte der CSU-Chef.

Unterstützung erhielt er von Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz. Sie sagte der Süddeutschen Zeitung, dass es genügend Hinweise auf Taleb A. gegeben habe: „Aber scheinbar hatte niemand ein Gesamtbild.“ Sollte sich nun herausstellen, dass Erkenntnisse über ihn nicht weitergegeben wurden, müssten aus ihrer Sicht „Abläufe von Justiz, Verwaltung und Sicherheitsbehörden auf den Prüfstand gestellt werden“. Wenn jedoch Informationen aufgrund fehlender Rechtsgrundlagen nicht weitergegeben wurden, sei es dringend erforderlich, Gesetze zu ändern. Eine lückenlose Aufklärung sei notwendig, um zu verhindern, dass sich eine solche Tat wiederhole. Es verbiete sich aber „aus Respekt vor den Opfern und den Angehörigen, diesen Fall politisch zu nutzen“, erklärte Lindholz.

Doch die politische Diskussion bleibt nicht aus. Im Gegenteil: Die Parteien betonten nach dem Attentat in Magdeburg ihre Positionen zu Sicherheits- und Migrationspolitik. So erklärte SPD-Chef Lars Klingbeil am Sonntag in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, dass Asylbewerber, die terroristische Straftaten androhen, das Land verlassen müssten. Er mahnte jedoch, Sicherheitsfragen nicht mit Migrationsfragen zu vermischen. „Ich warne davor, das Gegeneinander in dieser Gesellschaft zu verstärken. Alice Weidel und die AfD versuchen, den Anschlag von Magdeburg für ihre rechte Hetze zu instrumentalisieren.“

Attacken auf Menschen, die wohl aus Sicht der Angreifer Migranten waren

Nur drei Tage nach dem Vorfall hatte die AfD eine Kundgebung auf dem Magdeburger Domplatz organisiert. Die Partei kritisierte, dass die Behörden Taleb A. nicht gestoppt hätten, und machte die Herkunft des Täters für die Tat verantwortlich. Parteichefin Alice Weidel erklärte, dass es der AfD um „Lehren aus dieser Wahnsinnstat“ gehe. Mit Blick auf den Täter sagte sie, wer die Bürger des Landes verachte, das ihm Asyl gewähre, „der gehört nicht zu uns“.

Am Wochenende wurde bekannt, dass es in Magdeburg zu Übergriffen auf Menschen kam, die in den Augen der Angreifer offenbar Migranten waren. Vier Fälle von Körperverletzung wurden gemeldet, in zwei Fällen ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die Polizei verstärkte ihre Schutzmaßnahmen und erhöhte die Streifenpräsenz im Stadtgebiet. Unterdessen teilten die Deutsche Bahn und das Innenministerium mit, in den vergangenen zehn Jahren 11 000 Kameras an etwa 750 Bahnhöfen installiert zu haben, um die Sicherheit auf Deutschlands Bahnhöfen zu erhöhen.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese forderte in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung eine „umfassende Darlegung des aktuellen Ermittlungsstandes durch die Sicherheitsbehörden aus Land und Bund“ zu den Umständen des Anschlags. Wiese, der selbst an der Ausschusssitzung am Montag teilnehmen will, hob hervor, wie wichtig es sei zu prüfen, „ob die Sicherheitsdienste die Befugnisse online und offline haben, die sie für aktuelle Bedrohungslagen brauchen“. Er bedauerte, dass ein Teil des von der Bundesregierung geplanten Sicherheitspakets im Bundestag von der Union gestoppt wurde. CDU und CSU signalisierten zuletzt jedoch Bereitschaft, mit Innenministerin Faeser erneut über ein solches Paket zu sprechen.

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