Süddeutsche Zeitung

Initiative zur CO2-Reduktion:Merkels neue Klima-Offensive

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einen neuen Vorstoß gestartet, um zu einem konkreten Klimaschutzziel im Rahmen der Vereinten Nationen zu gelangen. Bei ihrem Besuch in Japan schlug sie ein Modell vor, das vor allem für große Schwellenländer wie China und Indien interessant sein könnte.

Das von Kanzlerin Merkel ins Gespräch gebrachte Modell sieht vor, dass sich die Grenzwerte für den CO2-Ausstoß an der Bevölkerungszahl der einzelnen Länder orientieren sollen. Damit soll vor allem für große Schwellenländer mit rasantem Wirtschaftswachstum wie China und Indien ein Anreiz geschaffen werden, sich zu einem konkreten Klimaschutzziel zu bekennen.

"Wir werden um quantifizierbare Reduktionsziele nicht herumkommen", sagte Merkel im Hinblick auf die Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll, das Ende 2012 ausläuft. Es gehe jetzt darum, eine möglichst günstige Methode zu finden.

"Wir werden davon ausgehen müssen, dass die Schwellenländer natürlich nicht sofort die gleiche Verantwortung bekommen können" wie die Industrieländer, betonte Merkel auf einem Symposium des Medienkonzerns Nikkei in Tokio. Sie schlug ein neues System vor, das den Emissionshandel, der gerade in der EU erprobt wird, ersetzen könnte.

Danach würde der für jedes einzelne Land erlaubte CO2-Ausstoß pro Kopf errechnet. Die Entwicklungsländer, die klar unter dem internationalen Mittelwert liegen, würden zunächst Ausgleichszahlungen erhalten, bis sich ihre Schadstoffproduktion der in den Industrieländern angeglichen hat. Das Modell basiert auf einem Vorschlag, den der indische Ministerpräsident Manmohan Singh im Juni auf dem G-8-Gipfel geäußert hat.

Merkel sieht in einem solchen System die Chance, einen Konsens zwischen den Schwellen- und Industrieländern herzustellen. In der EU hatte sie das Ziel durchgesetzt, bis 2050 zu einer CO2-Reduktion von 50 Prozent zu kommen. In der G-8-Abschlusserklärung von Heiligendamm ist lediglich die Rede davon, eine Halbierung der Treibhausgase bis 2050 "ernsthaft in Betracht" zu ziehen.

"Amerika wird mitmachen"

Im Rahmen der Vereinten Nationen wird eine Einigung über eine Kyoto-Nachfolgevereinbarung bis 2009 angestrebt. Merkel drückt aufs Tempo. "Je mehr Zeit verstreicht, umso schneller müssen wir später die Veränderungen dann auch vornehmen", sagte sie. "Es werden harte Verhandlungen werden bis 2009", fügte die Kanzlerin hinzu. "Da darf man sich keinen Illusionen hingeben."

Sie geht dennoch fest davon aus, dass sich die USA einer Verpflichtung auf konkrete Ziele nicht verschließen werden. "Ich denke, Amerika wird mitmachen, aber Amerika muss auch mitmachen", sagte sie. Andernfalls würden sich Indien und China niemals auf konkrete Ziele zum Ausstoß von CO2 verpflichten lassen.

Der Klimabeschluss des G-8-Gipfels in Heiligendamm sei ein wichtiger Schritt zu dem Ziel gewesen, "dass Amerika auch in der nächsten Runde nicht wird entschwinden können". Das Bewusstsein in den USA habe sich auch durch Naturkatastrophen wie den Hurrikan "Katrina" verändert, betonte Merkel.

Die Kanzlerin lobte auch die "Motorenrolle" Japans beim Klimaschutz. Ministerpräsident Shinzo Abe hatte sie bei ihren Bemühungen um einen möglichst weitgehenden Klimabeschluss beim G-8-Gipfel in Heiligendamm unterstützt. Zum Jahreswechsel übernimmt Japan die Präsidentschaft in der Gruppe der wichtigsten Industrienationen und will den Klimaschutz beim Gipfeltreffen im kommenden Jahr wieder zum Schwerpunktthema machen.

Neuer Schwung für den Handel

Mit einem Abbau von Handelshemmnissen will Merkel den wirtschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Japan wieder in Schwung bringen. "In der wirtschaftlichen Zusammenarbeit haben wir noch nicht das Potential ausgeschöpft, das in unseren beiden Ländern liegt", sagte sie. Die Kanzlerin strebt langfristig ein Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Japan an, wie sie es schon im April als EU-Präsidentin mit den USA abgeschlossen hat.

Der Vertrag sieht den Abbau von Regulierungen, eine Verbesserung der Investitionsbedingungen und einen besseren Schutz geistigen Eigentums vor. Hintergrund für den Vorstoß Merkels ist die vergleichsweise geringe Dynamik der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den zwei Ländern, die auf der Rangliste der stärksten Volkswirtschaften auf Platz zwei und drei liegen. Bei den deutschen Exporten rangiert Japan lediglich an 16. Stelle, bei den Importen auf Platz elf.

Der Besuch Merkels bei Kaiser Akihito lief nach einem genau festgelegten Plan ab. Allerdings dauerte der Empfang mit 23 Minuten sechs Minuten länger als protokollarisch festgelegt. "Wir hatten ein freundliches, aufgeschlossenes Gespräch, das deutlich gemacht hat, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Japan beiden wichtig sind", sagte die Kanzlerin anschließend.

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AP/Michael Fischer
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