Indonesien:Reformer ohne Gnade

Indonesian President Widodo speaks to journalists as Indonesia's Ambassador to Brazil Riyanto looks on after a meeting to discuss the delay in Brazil's acceptance of the ambassador's credentials, in Jakarta

Indonesiens Präsident Widodo (rechts) galt als Reformer in Menschenrechtsfragen. Diesem Ruf wird er nicht mehr gerecht.

(Foto: REUTERS)
  • Australien protestiert gegen die geplante Hinrichtung von zwei seiner Staatsbürger. Sie waren wegen Drogenschmuggels in Indonesien zum Tode verurteilt wurden.
  • Indonesiens Präsident Widodo lehnt bislang alle Gnadengesuche kategorisch ab.
  • Mit der harten Linie gegen Drogenhändler erhält Widodo innenpolitisch Zuspruch. Die reformorientierte Mittelschicht wendet sich hingegen mehr und mehr von ihm ab.

Von Arne Perras, Singapur

Noch ist nicht zu erkennen, dass Druck von außen Indonesien zu einem Kurswechsel in letzter Minute bewegen würde. Präsident Joko Widodo hat bislang alle Gnadengesuche von zum Tode verurteilten Drogenschmugglern kategorisch abgelehnt. Er lässt die Strafen rasch vollstrecken: Im Januar wurden bereits sechs Drogenstraftäter hingerichtet, unter ihnen fünf Ausländer. Nun sollen weitere zehn Todeskandidaten folgen.

Proteste anderer Staaten zeigen wenig Wirkung

Protestierende Staaten wie die Niederlande oder Brasilien, deren Bürger bereits als Kapitalverbrecher von einem indonesischen Erschießungskommando hingerichtet wurden, haben vorübergehend ihre Botschafter abgezogen. Aber erfahrene Diplomaten wissen, dass dies bei einem so großen und strategisch bedeutenden Land wenig Wirkung zeigen dürfte. Zumal die Indonesier äußerst empfindlich reagieren, wenn ihnen andere Länder Ratschläge erteilen.

In dieser Woche hat Jokowi, wie die Indonesier ihren Präsidenten nennen, noch einmal unterstrichen, dass er bei seiner harten Linie bleiben werde. Er verbat sich jede weitere Intervention, weil es das souveräne Recht Indonesiens sei, nationale Gesetze anzuwenden. Das Land hat eins der strengsten Drogengesetzte der Welt. Nach fünfjähriger Pause hat es 2013 die Hinrichtung verurteilter Dealer und Schmuggler wieder aufgenommen.

Das ohnehin angespannte Verhältnis zu Australien ist nun noch schwieriger geworden

Mit dieser Praxis hat Jakarta in den vergangenen Wochen vor allem Australien gegen sich aufgebracht. Canberra versucht, die Hinrichtung zweier Drogenschmuggler mit australischen Pässen in letzter Sekunde abzuwenden.

Premier Tony Abbott hat darum gebeten, die beiden zu verschonen; doch die Art, wie er es tat, hat Jakarta nur noch mehr aufgebracht. Denn Abbott verknüpfte seine Intervention mit einem Hinweis auf die Tsunamihilfe, die sein Land einst für die indonesischen Opfer geleistet habe - gerade so, als müsste Indonesien aus Dankbarkeit nun artig den Wünschen Canberras folgen.

Das kam nicht gut an in Jakarta, wo Vizepräsident Joseph Kalla sagte, Indonesien könne all das Geld ja auch zurückzahlen, wenn es nicht als "humanitäre Hilfe" gedacht gewesen sei.

Abbotts Versuch, die zum Tode Verurteilten zu retten, schlug also kläglich fehl, und nun ist das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen beiden Staaten noch schwieriger geworden.

Früher stritten die beiden Staaten über Flüchtlinge

In der Vergangenheit hatte sich immer wieder der Streit um die vielen Bootsflüchtlinge hochgeschaukelt, die durch indonesische Gewässer bis an Australiens Küsten gelangen. Nun sind es die drohenden Hinrichtungen von Myuran Sukumaran und Andrew Chan, die den Graben vertiefen.

Die beiden wurden 2005 verhaftet und als Anführer des Schmugglerrings "Bali Nine" 2006 zum Tode verurteilt. Sie hatten versucht, 8,3 Kilo Heroin aus Indonesien nach Australien zu schmuggeln. Australien argumentierte, dass die beiden Häftlinge eine vorbildliche Resozialisierung durchlaufen hätten und nun andere Menschen geworden seien. Doch Präsident Widodo ließ sich nicht umstimmen.

Widodo galt als Reformer in Menschenrechtsfragen

Viele hat es überrascht, dass ausgerechnet Jokowi, der anfangs auch in Menschenrechtsfragen als Reformer galt, nun in rasendem Tempo die Hinrichtungen wieder aufnehmen lässt. Innenpolitisch nützt es dem Präsidenten, wenn er den Rufen aus dem Ausland nicht nachgibt, wenn er festhält an seinen Entscheidungen. Er präsentiert sich seinen Wählern so als einer, der unter Druck nicht so schnell einknickt.

Doch Indonesienexperte Greg Barton von der Monash-Universität in Australien glaubt, dass Jokowi die Sorge um den indonesischen Drogensumpf nicht nur vorgeschoben hat, um den starken Mann zu markieren. Er scheint tatsächlich überzeugt zu sein, dass Drogen sein Land in hohem Maße bedrohen.

Diese Analyse ist womöglich nicht ganz falsch, falls die von Jokowi vorgebrachte Zahl stimmt, wonach täglich 40 bis 50 Indonesier an den Folgen des Drogenkonsums sterben. Doch der Kampf gegen die mafiösen Netzwerke ist mühsam, auch deshalb, weil die Korruption bis weit in die Behörden reicht, vor allem in den verfilzten Polizeiapparat, ohne dessen mutmaßliche Beihilfe der Drogenhandel kaum so florieren könnte.

Reformorientierte Mittelklasse enttäuscht

Barton vermutet, dass Jokowi aus Mangel an außenpolitischer Erfahrung die internationalen Reaktionen auf die Hinrichtungen falsch eingeschätzt habe. Zudem enttäusche er mit seiner harten Linie nun auch reformorientierte Schichten der indonesischen Mittelklasse.

Nach dieser Lesart hat er sich in eine Ecke manövriert, aus der er nicht so leicht wieder herauskommt. Denn seine Gegner würden jeden Schwenk als Schwäche deuten und versuchen, politischen Nutzen daraus zu ziehen. So ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sich die Dinge im Hinrichtungsstreit noch wenden.

Der Generalstaatsanwalt teilte in dieser Woche mit, dass die Vorbereitungen zu 90 Prozent abgeschlossen seien. Zehn verurteilte Drogenstraftäter sollen demnächst vor ein Erschießungskommando treten. Einen genauen Zeitpunkt und Namen nannten die Justizbehörden nicht. Doch es wird damit gerechnet, dass zu der Gruppe auch die beiden Australier gehören.

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