Süddeutsche Zeitung

Indonesien:Radikale Islamisten bedrohen den inneren Frieden Indonesiens

Der Pluralismus ist im Land eigentlich tief verankert. Doch nun wollen die Radikalen das säkulare Fundament des Staates zerstören und ihr Verständnis von Religion zur Richtschnur machen.

Kommentar von Arne Perras

Indonesien galt lange Zeit als ein Land des gemäßigten Islam. Der Vielvölkerstaat in Südostasien, in dem mehr Muslime leben als in jedem anderen Land der Welt, war nie frei von religiösen und ethnischen Konflikten. Doch der Pluralismus im Inselstaat war so stark verankert, dass es radikale und spaltende Kräfte schwer hatten. Ihr politischer Einfluss blieb gering, und das war wichtig für die Stabilität in der Region. Aber die Zeiten ändern sich.

Das deutlichste Zeichen für den bedrohlichen Umbruch ist der umstrittene Prozess gegen den christlichen Gouverneur der Metropole Jakarta, der nun zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Basuki Tjahaja Purnama, genannt Ahok, muss hinter Gitter, weil er nach Ansicht der Richter den Koran beleidigt hat. Das Urteil ist ein Schock für alle, die darauf gesetzt hatten, dass die Justiz nicht zum Erfüllungsgehilfen der Radikalen wird. Doch genau das ist passiert. Die Islamisten werden stärker, weil ihnen moderate Kräfte nicht entschlossen entgegentreten.

Ahok hatte im Wahlkampf eine Bemerkung gemacht, die ihm nun zum Verhängnis wurde. Er sagte sinngemäß, seine Gegner würden den Koran dazu nutzen, um ihm Stimmen abzujagen. In einem Vers des Korans ist davon die Rede, dass Muslime keine Christen oder Juden zu Verbündeten wählen sollten. Kaum wurde Ahoks Bemerkung bekannt, machten Islamisten Stimmung gegen den Christen, bis die Justiz ein Verfahren wegen Gotteslästerung einleitete. Dies schadete dem Gouverneur so sehr, dass er die Wahl im April verlor.

Ein radikales Indonesien ist ein Schreckgespenst für die Welt

Der Fall macht deutlich: Mit der Religion lassen sich in Indonesien nun besser Stimmen fangen als mit jedem anderen Thema. Der Trend ist alarmierend, denn er untergräbt den säkularen Staat. Indonesiens Erfolgsgeschichte stützt sich aber auf eine Staatsphilosophie, die den Pluralismus als zentralen Wert respektiert. Die Radikalen wollen dieses Fundament zerstören und ihr Verständnis von Religion zur Richtschnur machen. Gewinnen sie weiter an Einfluss, drohen düstere Zeiten, denn ein radikalisiertes Indonesien ist ein Schreckgespenst für die ganze Welt.

Nach einem hasserfüllten Wahlkampf hat sich in Jakarta ein Mann durchgesetzt, der verspricht, Wunden zu heilen. Der Sieger Anies Baswedan gelobt, Jakarta in einen Ort zu verwandeln, in dem alle harmonischer zusammenleben als zuvor. Doch das ist eine Illusion. Baswedan hat sich mit jenen Kräften eingelassen, die einen solchen Frieden nicht wollen. Im Wahlkampf ließ sich der muslimische Politiker von den Radikalen unterstützen. Nun dürfte es mühsam werden, diese Gruppen wieder in ihre Schranken zu weisen. Ein Blick in die Nachbarschaft zeigt dies.

In Pakistan, wo der Staat in den Achtzigerjahren begonnen hat, Religion systematisch zu politisieren, lässt sich beobachten, wie schwer es ist, radikale Gruppen wieder zu bändigen. Von solchen Zuständen ist Indonesien zwar noch weit entfernt. Doch scheint es im politischen Establishment niemanden zu sorgen, dass man die Fanatiker einmal nicht mehr im Griff haben könnte. Diese werden von Politikern als nützliches Werkzeug betrachtet, aber als fundamentale Gefahr für den Staat werden sie nur selten begriffen.

Die Extremisten spielen sich als Tugendwächter auf, schüchtern Minderheiten ein, setzen auf Gewalt. Nun hat die Kampagne gegen einen Christen diese Kräfte politisch hoffähig gemacht. Sie säen Hass und zersetzen mit ätzenden Botschaften den Kitt einer multikulturellen Gesellschaft. Die Mehrheit der Muslime in Indonesien mag diesen Fanatismus nicht teilen. Doch das Urteil, das Ahok zum Kriminellen stempelt, wird die Angst unter den Minderheiten schüren. Und es verschafft den Islamisten einen Triumph, der Gift ist für den inneren Frieden Indonesiens.

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SZ vom 10.05.2017/jly
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