Indonesien:Bikinis und Penisrohre auf dem Index

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Indonesiens Islamisten haben ein Gesetz gegen alles Pornographische durchgesetzt - es bedroht die Kunst, alte Bräuche und auch die nationale Einheit.

Oliver Meiler

Am Ende, nach vielen Jahren der Polemik und der Proteste, gab es wenigstens eine Ausnahme für den Bikini.

Unterschiedliches Kulturgut: Ein Anti-Pornographie-Gesetz bedroht die Penisrohre der Ureinwohner in West-Papua. (Foto: Foto: AP)

In Indonesien wird es auch nach der Verabschiedung eines strikten Gesetzes gegen die Pornographie Orte geben, umzäunte und markierte freilich, so genannte Freizeitanlagen an den schönen Sandstränden des Inselreichs, wo sich rigoros nicht-muslimische Frauen im Bikini zeigen dürfen.

Die Lokalbehörden der Insel Bali haben solange für diese Ausnahme gekämpft, bis auch den eher uneinsichtigen Hardlinern unter den indonesischen Islamisten gewahr wurde, wie viel Geld die nationale Wirtschaft verlöre, wenn die kaufkräftigen Touristen aus dem Westen mit ihren Bekleidungsgewohnheiten von einer Reise abgeschreckt würden.

Ideologisch aber passt ihnen das natürlich überhaupt nicht. Für die konservativen Parteien und Kleriker im Land sind schon Modeschauen pornographisch, ganz zu schweigen von Schönheitswettbewerben, Fernsehprogrammen mit lasziv tanzenden Menschen oder Konzerte freizügiger Popsängerinnen.

Ansonsten haben sich die Hardliner durchgesetzt. Das Parlament hat das umstrittene Gesetz Nr. 44-2008 unlängst verabschiedet, obschon es bereits einige Paragrafen zu diesem Thema im Strafgesetzbuch gegeben hatte. Die neue Norm sieht Haftstrafen von bis zu zehn Jahren vor und definiert Pornographie im ersten Artikel als "vom Menschen geschaffenes Material mit sexueller Handlung in Form von Zeichnungen, Sketchen, Illustrationen, Fotografien, Texten, Ton, Filmen, Animationen, Cartoons, Poesie, Gesprächen oder jeder anderen Form kommunikativer Botschaft". Schon "angedeutete Nacktheit" ist strafbar. Sie könnte zu "Obszönitäten anregen" und "die Moral der Gesellschaft verletzen".

Das Gesetz lässt viel Raum für eine harsche Auslegung - viel zu viel, wenn es nach Menschenrechtlern und liberalen Intellektuellen geht, nach Künstlern und Andersgläubigen. Viele von ihnen befürchten, dass die Norm dazu diene, die Meinungs- und Gestaltungsfreiheit einzuschränken, provokative Ausstellungen zu verhindern, unliebsame TV-Sendungen abzusetzen, freche Publikationen zu verbieten.

Freibrief für Schlägertrupp

Als das US-Magazin Playboy vor zwei Jahren erstmals eine sehr züchtige indonesische Ausgabe herausgab, durchwegs ohne Nacktbilder, stürmten islamistische Sittenwächter die Redaktion in Jakarta. Playboy zog um ins tolerantere, mehrheitlich hinduistische Bali, bevor es den Druck ganz einstellte.

Diesen privaten Sittenwächtern, etwa die berüchtigte Islamic Defenders Front, die wie ein Schlägertrupp auftritt, steht es nach dem neuen Gesetz offen, selber nach dem Rechten zu schauen. Die Bevölkerung wird danach ausdrücklich ermutigt, "die Produktion, Verbreitung und den Gebrauch von Pornographie" zu verhindern. Ohne ausdrückliche polizeiliche Genehmigung.

Unklar ist sogar, ob die antiken und erotisch expliziten Skulpturen, wie man sie aus Indonesien kennt, künftig auch unter Pornographie laufen und verboten werden. Und was ist mit dem Koteka, dem traditionellen, auch schon mal dreißig, vierzig Zentimeter langen Penisrohr aus getrocknetem Kürbis, wie ihn Männer in West-Papua noch zu tragen pflegen? Man hat etliche von ihnen bei den Protestmärschen gegen das Gesetz auf Bali gesehen. Die Stämme, die den Koteka tragen, sehen darin ein Kleidungsstück ohne jegliche erotische Bedeutung. Wie aber sieht man das wohl in der Hauptstadt Jakarta?

Es gibt allerdings auch progressive Politiker, die das Gesetz für eine Bedrohung der nationalen Einheit halten. Es sprenge die hehre Maxime "Einheit in der Unterschiedlichkeit", wie sie Indonesien für sich formulierte. Bei 17.000 Inseln, 230 Millionen Einwohnern, bei so vielen Kulturen und Sprachen und Bräuchen ist der Zusammenhalt immer und notgedrungen brüchig.

Zwar sind neun von zehn Indonesiern Muslime, doch die religiösen Minderheiten fordern ihre Rechte ein und erinnern den Zentralstaat bei jeder Gelegenheit daran, dass die Republik eine säkulare ist. Auf Bali kündigte die Lokalregierung inzwischen an, man sei sogar bereit, dem Gesetz mit zivilem Ungehorsam zu begegnen, so sehr widerspreche es den Werten der Inselbewohner. Aus dem Norden von Sulawesi, wo die Mehrheit ebenfalls nicht muslimisch ist, dringt ähnlich lauter Protest.

Der Präsident hätte das Gesetz laut Verfassung verwerfen können. Selbst einige seiner engsten Mitarbeiter sollen ihm dazu geraten haben. Doch Susilo Bambang Yudhoyono hat es schnell unterschrieben, wohl aus politischem Kalkül. Bald finden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Und dann zählen Mehrheiten. Yudhoyono wäre der erste Präsident in der demokratischen Ära Indonesiens, also seit 1998, der wiedergewählt würde.

Er ging wohl davon aus, dass die Muslime insgesamt eher auf der Seite der Gegner der Pornographie stünden, selbst in dieser breiten Definition. Vielleicht hat er sich aber auch verrechnet. Vielleicht legen ihm die Indonesier, die in ihrer großen Mehrheit einen toleranten und moderaten Islam leben, diesen Kniefall vor den Islamisten als Feigheit aus.

© SZ vom 24.12.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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