Luftverschmutzung:Dicke Luft in Delhi

A couple poses during a pre-wedding photo shoot near India's Presidential Palace which is shrouded in smog, in New Delhi

Ein Brautpaar posiert vor der Hochzeit - mitten im Smog von Delhi.

(Foto: Anushree Fadnavis/Reuters)

Home-Office und geschlossene Schulen - nicht wegen der Pandemie, sondern wegen Smog. Warum Indiens Hauptstadt so sehr unter starker Luftverschmutzung leidet.

Von David Pfeifer, Bangkok

In Delhi sind diese Woche die Schulen geschlossen worden, nicht wegen der Pandemie, sondern weil die Luft so schlecht ist. Daheim freilich ist es nicht besser, dort atmen höchstens die Kinder von besserverdienenden Luftfilterbesitzern etwas freier. Doch was hilft, den Verkehr zu entlasten, wird derzeit gemacht. Home-Office wird dringend empfohlen, am Wochenende sollen die Leute zu Hause bleiben, auch viele Baustellen wurden erst mal bis zum kommenden Sonntag stillgelegt. Es dürfen keine Lastwagen mehr in die indische Hauptstadt fahren, es sei denn, sie transportieren lebenswichtige Güter. Und nur fünf der elf Kohlekraftwerke im Großraum Delhi dürfen derzeit feuern, um Strom zu erzeugen.

Es passt ins Bild, dass diese harten Maßnahmen ergriffen werden, in der Woche nach dem Klima-Gipfel in Glasgow, bei dem Indien darauf gedrungen hatte, die Abschlusserklärung abzumildern, was den künftigen Kohleverbrauch angeht. War anfangs noch von einem "phase out" die Rede, wurde das zu einem "phase down" reduziert, aus dem geplanten Ausstieg wurde ein langsames Herunterfahren. Einige Teilnehmer waren unzufrieden, es gab schlechte Presse.

Auch die CO₂-Neuralität bis 2070, die Premierminister Narendra Modi angekündigt hatte, schien ein zu fernes Ziel zu sein. Die eher kurzfristigen Maßnahmen verhängte nun der "Ausschuss für Luftverschmutzung", der dem Ministerium für Umwelt, Forst und Klimawandel unterstellt ist. Umweltminister Gopal Rai sagte der Times of India, der eigene Beitrag der 20-Millionen-Metropole zur Luftverschmutzung betrage nur 31 Prozent, "während die restlichen 69 Prozent der Verschmutzung von außerhalb Delhis stammen".

Die Luft in der Hauptstadt ist selten gut, das bekommen auch Politiker häufig am eigenen Leib zu spüren. Wenn man an Tagen, an denen das Smartphone die Qualität mit "schlecht" angibt, im relativ grünen Regierungsviertel spazieren geht, fühlt sich die Gesichtshaut nach einer halben Stunde an, als habe man Sonnenbrand. Auch in den Augen. Nur vor einem Jahr, da war es besser, da mussten ja alle zu Hause bleiben, es kursieren nun Bilder in den sozialen Netzwerken, wo die Smogphasen übereinandergelegt werden. Vergangenes Jahr um diese Zeit: feiner Dunst. Diese Woche: graugelber Nebel, richtig schlechte Sicht. Auch das ist allerdings nicht alleine auf Verkehr und Industrie zurückzuführen.

Auch die Landwirtschaft hat ihren Anteil

Im Herbst und Winter herrscht fast schon traditionell dicke Luft, weil die Bauern im Umland die Stoppel-Reste ihrer Ernte abfackeln, den Gestank hat man überall in der Nase. Da die Regierung seit einem Jahr mit den Bauern im Clinch liegt, wegen einer verunglückten Agrarreform, lässt sich an dieser Stelle derzeit wenig machen.

Dazu kommen Auto- und Industrieabgase. Los ging es dieses Jahr an Diwali, dem Lichterfest. Dazu wird traditionell ein großes Feuerwerk abgefackelt. Zwei Wochen ist das her, aber seither schmeckt die Luft, als würde der Pulverdampf immer noch in der Stadt stehen. Niedrige Windgeschwindigkeiten sorgen dafür, dass sich die Schadstoffe unten in der Atmosphäre sammeln.

Etwa sieben Millionen Tote pro Jahr lassen sich laut der Times of India auf Luftverschmutzung zurückführen, sie stützt sich auf die Zahlen des Schweizer Unternehmens IQAir, dass Geräte zur Überwachung der Luftqualität und deren Verbesserung herstellt. Tatsächlich hatte sich laut IQAir die Luftqualität in allen indischen Städten von 2018 zu 2019 stark verbessert. Trotzdem liegen weiterhin 22 der 30 Städte weltweit mit der größten Luftverschmutzung in Indien.

Es wurde bereits zum nationalen Ziel ausgerufen, die Qualität zu verbessern. Die indische Regierung weiß sehr genau, wie groß das Problem ist. Man muss keine abstrakten Zahlen in die Zukunft projizieren oder Fallbeispiele studieren, um das Ausmaß zu erfassen. Man muss in Delhi derzeit nur das Fenster öffnen.

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