Tourismus:Inder im Anflug

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Passagiere am Flughafen in Neu-Delhi. (Foto: Vipin Kumar/Hindustan Times/IMAGO)

Mitten im Wirtschaftsboom entwickelt sich Indien zu einer reisefreudigen Nation. Nun buhlen Ferienziele um die Millionen neuen Touristen.

Von David Pfeifer, Bangkok

Indien, das bevölkerungsreichste Land der Welt, erlebt ein Wirtschaftswunder. Und so wie das in Deutschland von den 1960er-Jahren an dazu führte, dass die Deutschen ihre europäischen Nachbarn in friedlicher Absicht besuchten, so reisen nun immer mehr Inderinnen und Inder ins Ausland.

Die Zahl der Reisepässe, die in Indien ausgegeben werden, stieg von 52 Millionen im Jahr 2014 auf 93 Millionen in diesem Jahr. Auch das Budget, das Inderinnen und Inder insgesamt für Reisen ausgeben, verdreifachte sich in dieser Zeit von etwa zehn auf 30 Milliarden Euro. Schon im kommenden Jahr soll es auf mehr als 40 Milliarden Euro steigen, schrieb das britische Wirtschaftsmagazin The Economist vor wenigen Tagen unter dem Titel „Die Inder kommen“. Man konnte es als Warnung oder als Versprechen lesen.

Deutsche können in sehr viel mehr Länder ohne Visum einreisen als Inder

Mit der einstigen Kolonialmacht Großbritannien teilt Indien die Sprache sowie Teile der Kultur und Geschichte. Doch ein Visum für Großbritannien zu bekommen, ist für indische Touristen etwa so einfach, wie den Mount Everest zu besteigen. Es kostet sehr viel Energie und Geld. Der Schengen-Raum ist noch weniger einladend, Inderinnen und Inder müssen stapelweise Papierkram ausfüllen, um nach Europa zu reisen, finanzielle Belastbarkeit nachweisen, eine Einladung vorlegen und die Absicht nachweisen, wieder nach Hause zurückzufliegen.

Laut dem aktuellen „Henley Passport Index“ kann man mit einem indischen Pass in nur 58 Länder problemlos einreisen (für Deutsche sind es 192 Länder). Doch im Ringen um die Wirtschaftsressource Tourist verhandelt nun beispielsweise Russland neben Handelsabkommen auch über einen gegenseitigen visafreien Zugang mit Indien. Die Besucher aus dem Westen werden so bald ja nicht wiederkommen. Auch Australien bemüht sich um indische Touristen, genauso wie Saudi-Arabien, wo man zu den Vereinigten Arabischen Emiraten aufschließen will, der Top-Destination für Inder. Vietnam und Thailand buhlen ebenfalls um die neuen Besucher, seitdem die chinesischen Touristen wegbleiben. Vor der Pandemie hatten Chinesen elf der jährlich 40 Millionen Besucher Thailands ausgemacht. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 3,5 von 28 Millionen. Dafür sollen dieses Jahr rund zwei Millionen Inderinnen und Inder kommen.

Dabei hat man in Thailand schon festgestellt, dass indische Touristen eine nicht nur einfache Zielgruppe sind. Einerseits gibt es viele Gemeinsamkeiten. Der in Thailand verbreitete Buddhismus fußt im Hinduismus. Auch gibt es in Bangkok auffallend viele indische Restaurants auf Sterne-Niveau. Gleichzeitig sind die Inderinnen und Inder mit ihrem Kasten- und Klassensystem auch schwierige Kunden, die Angestellte von oben herab behandeln und sehr laut schimpfen können. Für die eher subtile asiatische Art, Nein zu sagen, bringen sie wenig Verständnis auf.

Als Ressource sind Inder mittlerweile so bedeutend, dass sogar Premierminister Narendra Modi sie als Machtmittel nutzt. Nach diplomatischen Verstimmungen zwischen seiner Regierung und der Republik Malediven im vergangenen Jahr rief er seine Landsleute dazu auf, lieber Urlaub an den eigenen Stränden zu machen. Der Tourismus auf den Malediven brach daraufhin um 40 Prozent ein. 1,4 Milliarden Inderinnen und Inder sind eben immer auch ein Markt. Und der ist weltweit in Bewegung geraten.

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