Kaschmir-KriseTote und Verletzte nach indischem Angriff auf Pakistan

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Ein mutmaßlich durch indische Raketen zerstörtes Gebäude in der Stadt Muzaffarabad im pakistanisch verwalteten Teil Kaschmirs.
Ein mutmaßlich durch indische Raketen zerstörtes Gebäude in der Stadt Muzaffarabad im pakistanisch verwalteten Teil Kaschmirs. (Foto: M.D. Mughal/AP)

Indien will lediglich „terroristische Infrastruktur“ im Nachbarland attackiert haben, Pakistan spricht von zivilen Todesopfern und kündigt Vergeltung an.

Indien hat mehrere Ziele in Pakistan aus der Luft angegriffen. Pakistanische Geheimdienstkreise und die Armee berichteten von Luftangriffen in den Städten Kotli und Muzaffarabad im pakistanischen Teil der Himalaja-Region Kaschmir sowie in der Stadt Bahawalpur in der Provinz Punjab. Laut Mitteilung des Verteidigungsministeriums in Delhi handle es sich bei den neun Zielen nur um „terroristische Infrastruktur“. Wie Polizei und Augenzeugen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge berichteten, gab es auch zwischen den Armeen beider Länder in Kaschmir an mindestens drei Orten heftige Schusswechsel.

Ein pakistanischer Militärsprecher teilte dem Nachrichtensender Geo News mit, dass zu den von Indien getroffenen Einrichtungen auch zwei Moscheen gehörten. Das pakistanische Militär spricht zurzeit von 31 Toten und 57 Verletzten, darunter auch Zivilisten. Das Außenministerium nannte keine genaue Zahl, teilte aber mit, unter den Opfern seien Frauen und Kinder. Zuvor hatten Geheimdienstkreise von einem toten Kind in der Stadt Bahawalpur im Osten Pakistans gesprochen. In indischen Medien ist unter Berufung auf Insider von mindestens einem Dutzend getöteter „Terroristen“ und 55 Verletzten die Rede.

Der pakistanische Premierminister Shehbaz Sharif bezeichnete den indischen Angriff als feige Aktion sowie einen „kriegerischen Akt“ und kündigte mehrfach Vergeltungsmaßnahmen an. „Pakistan hat jetzt das volle Recht, auf den uns auferlegten Konflikt in angemessener Weise zu reagieren“, sagte Sharif in einer Erklärung. „Wir werden dem Feind nicht erlauben, seine Ziele zu erreichen.“

Indien spricht von zurückhaltenden Attacken

Pakistan hat nach eigenen Angaben bereits fünf indische Flugzeuge abgeschossen und indische Soldaten gefangen genommen. Der Abschuss der Flugzeuge sei kein „feindlicher Akt“ gewesen, Pakistan habe sein Territorium verteidigt, sagte der pakistanische Verteidigungsminister Khawaja Muhammad Asif in einem Interview mit Bloomberg TV. Das indische Außenministerium reagierte nicht auf Anfragen dazu. Pakistan schloss wegen der Ereignisse zwischenzeitlich seinen Luftraum. Auch der Betrieb der Flughäfen Islamabad und Lahore, der eingestellt war, wurde mittlerweile wieder aufgenommen.

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Die indische Regierung erklärte, ihre Streitkräfte hätten mit den Attacken die „Operation Sindoor“ eingeleitet. „Unsere Aktionen waren gezielt, maßvoll und nicht eskalierend“, hieß es. „Indien hat bei der Auswahl der Ziele und der Art der Ausführung beträchtliche Zurückhaltung geübt.“ Man habe nur „bekannte Terrorcamps“ angegriffen und keine pakistanischen zivilen, wirtschaftlichen oder militärischen Ziele getroffen – eine Aussage, die von Pakistan bestritten wird.

Indien teilte später mit, durch pakistanischen Beschuss seien im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs mindestens drei Zivilisten ums Leben gekommen. Die pakistanische Armee habe über die Kontrolllinie hinweg willkürlich geschossen, berichteten Medien unter Berufung auf das Militär. Die indische Armee werde „in angemessener Weise“ reagieren. Die Line of Control gilt als De-facto-Grenze zwischen den beiden Atommächten.

UN-Generalsekretär António Guterres drückte seine „tiefe Besorgnis“ aus. „Die Welt kann sich eine militärische Konfrontation zwischen Indien und Pakistan nicht leisten“, sagte er laut einer Mitteilung seines Büros. Er rief beide Atommächte zur militärischen Zurückhaltung auf. Eine militärische Lösung sei keine Lösung, betonte Guterres. Er sei „sehr besorgt“. Auch das Auswärtige Amt mahnte beide Seiten zu verantwortungsvollem Handeln. Noch im Tagesverlauf soll der Krisenstab der Bundesregierung zusammenkommen, um über die Lage zu beraten.

US-Präsident Donald Trump bezeichnete die Situation als „eine Schande“. Die USA hatten versucht, die Spannungen zu beruhigen, und Außenminister Marco Rubio hatte sich in der vergangenen Woche an beide Seiten gewandt. „Sie streiten sich schon seit Langem“, sagte Trump. „Ich hoffe nur, dass es sehr schnell vorbei ist.“

China forderte beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Man bedauere die Militäraktion Indiens und sei über die Entwicklung der Lage besorgt, teilte ein Sprecher des Außenamtes in Peking mit. Während das chinesisch-indische Verhältnis unter anderem wegen Grenzkonflikten im Himalaja-Gebirge als äußerst angespannt gilt, unterhält Peking enge Wirtschaftsbeziehungen zu Pakistan.

Spannungen seit Anschlag im indischen Teil Kaschmirs verschärft

Die Spannungen zwischen den beiden Atommächten hatten seit einem Anschlag im indischen Teil Kaschmirs am 22. April, bei dem 26 Touristen getötet wurden, stark zugenommen. Indien beschuldigte den Nachbarstaat, an dem Attentat beteiligt gewesen zu sein, was Islamabad zurückweist. Ende April sagte Pakistan schließlich, es habe „glaubwürdige Geheimdienstinformationen“, dass ein indischer Militärschlag unmittelbar bevorstehe.

Seit dem Anschlag haben die beiden Länder Staatsbürger der jeweils anderen Seite ausgewiesen und die diplomatischen Beziehungen reduziert. Experten stufen besonders Indiens Entscheidung als schwerwiegend ein, den sogenannten Indus-Wasservertrag mit dem Nachbarn auszusetzen, der die Wassernutzung des Indus und seiner Nebenflüsse regelt.

Die Kaschmir-Region im Himalaja ist zwischen Pakistan und Indien geteilt – beide beanspruchen aber das ganze Gebiet für sich. Die Ursprünge des Konflikts reichen bis in die Kolonialzeit zurück. 1947 entließen die Briten den indischen Subkontinent in die Unabhängigkeit und teilten diesen auf. Aus der Teilung entstand neben dem überwiegend hinduistischen Indien der neue Staat Pakistan für Muslime. Die gewaltvoll verlaufene Teilung nährt bis heute eine erbitterte Rivalität. Seit ihrer Unabhängigkeit führten beide Länder drei Kriege gegeneinander, zwei davon um Kaschmir. Delhi ist seit Jahrzehnten frustriert darüber, dass das pakistanische Militär seiner Meinung nach Terrorgruppen unterstützt, die innerhalb seines Territoriums zuschlagen.

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