Kaschmir-Konflikt:Indien hebt Kaschmirs Autonomie auf

Kaschmirkrise in Indien

Frauen demonstrieren gegen die indische Vorherrschaft in der Region Kaschmir.

(Foto: dpa)
  • Die indische Regierung entzieht der Region Kaschmir den Sonderstatus.
  • Das Gebiet wird ebenfalls von Pakistan beansprucht. Die Entscheidung Indiens dürfte zu neuen Spannungen zwischen den Ländern führen.
  • Die Art des Vorgehens der indischen Regierung könnte vor Indiens Oberstem Gericht landen.

Von Paul-Anton Krüger

Indiens hindu-nationalistische Regierung entzieht dem von ihr kontrollierten Teil Kaschmirs, der mehrheitlich von Muslimen bewohnt wird, die weitreichende Autonomie. Innenminister Amit Shah verkündete am Montag im Parlament in Neu-Delhi ein Präsidialdekret, das den bisherigen Artikel 370 der Verfassung ersetzen soll. Er garantierte dem Bundesstaat Jammu und Kaschmir einen Sonderstatus, eine eigene Verfassung und Flagge sowie weitreichende Kompetenzen mit Ausnahme der Außen- und Verteidigungspolitik sowie der Telekommunikation.

Die größte Veränderung der politischen Ordnung der Provinz seit 70 Jahren Spannungen mit dem Nachbarn Pakistan, der wie Indien die umstrittene Region Kaschmir beansprucht. Pakistan rief US-Präsident Donald Trump auf zu vermitteln; Indien lehnt es strikt ab, Drittstaaten zu involvieren. UN-Generalsekretär António Guterres rief Pakistan und Indien zu Zurückhaltung auf. Im Februar standen die beiden Atommächte am Rande eines Krieges, nachdem Separatisten - die nach Ansicht der indischen Regierung von Pakistan unterstützt wurden - im indischen Teil Kaschmirs einen Anschlag auf einen Konvoi verübt hatten.

Die Regierung von Premier Narendra Modi hatTausende zusätzliche Polizisten und Soldaten nach Kaschmir verlegt und die Luftwaffe in Alarmbereitschaft versetzt. Seit der Nacht sind die Telefon- und Internetverbindungen gekappt. Die Behörden stellten Politiker unter Hausarrest und errichteten Straßensperren in Srinagar, der größten Stadt. Sie verboten Versammlungen und schlossen Schulen. Vergangene Woche hatten Indiens Behörden Touristen in der Region zur Ausreise angehalten. Die indische Armee hatte das mit Informationen über Anschlagsplanungen durch separatistische Gruppen mit Stützpunkten in Pakistan begründet, die Pilger und Touristen angreifen wollten.

Muslimischen Mehrheit fürchtet demografische Verändeurng

Die Regierung plant, die Region Ladakh, ein an Pakistan und China grenzendes Hochplateau, von Jammu und Kaschmir abzutrennen und der Zentralregierung zu unterstellen. Aufgehoben werden sollen Vorschriften, die es Indern aus anderen Teilen des Landes verbieten, Land in Kaschmir zu kaufen. Viele der etwa zwölf Millionen Bewohner des bisherigen Bundesstaates fürchten, dass die Regierung auf diese Weise die von einer muslimischen Mehrheit geprägte Demografie ändern will. Mehbooba Mufti, bis Juni 2018 Regierungschefin von Jammu und Kaschmir, sagte der BBC, die Regierung wolle "unser Land okkupieren", die Muslime zur Minderheit machen und sie "total entmachten".

Im indischen Parlament kam es zu einer erregten Debatte, Politiker der wichtigsten Oppositionspartei warfen der regierenden Bharatiya Janata Partei vor, Indiens Verfassung "ermordet" zu haben. Premier Modi hatte die Änderungen im Wahlkampf angekündigt und war im Mai mit einer deutlichen Mehrheit im Amt bestätigt worden. Die Frage, ob ein Verfassungsartikel per Präsidialdekret geändert werden darf, dürfte vor Indiens Oberstem Gericht landen.

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