Indien:Aus dem Weg

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Nach der Niederlage bei den Kongresswahlen: Rahul Ghandi legt den Vorsitz der Kongresspartei nieder. Es ist das vorläufige Ende einer Dynastie.

Von Tobias Matern, München

Will nicht länger im Wege stehen: Rahul Gandhi. (Foto: AP)

Dieser Name verpflichtet, und folgte man der langjährigen Tradition seines Landes, stünde ihm eigentlich qua Geburt der Posten des Premierministers zu: Rahul Gandhi ist Sprössling der mächtigsten indischen Politik-Dynastie. Sein Urgroßvater Jawaharlal Nehru war erster Regierungschefs des Landes, nachdem die britischen Kolonialherren das Land 1947 in die Unabhängigkeit entließen. Seine Großmutter Indira Gandhi und sein Vater Rajiv Gandhi hatten das Amt ebenfalls inne. Doch Rahul zieht sich nach der krachenden Niederlage seiner Kongresspartei bei den Wahlen im Frühling gegen den hindunationalistischen Regierungschef Narendra Modi vom Posten des Parteivorsitzenden zurück.

Modis BJP hatte sich mit 303 Sitzen souverän die absolute Mehrheit im Unterhaus gesichert, für die Kongresspartei bleiben nur 52 Sitze auf der Oppositionsbank. Das war trotz eines leichten Zugewinns im Vergleich zur letzten Wahl eine Schmach.

Bald wird Indien das bevölkerungsreichste Land sein

Gandhi übernahm die Verantwortung für die Niederlage, er wolle dem dringend erforderlichen "Wachstum unserer Partei" nicht länger im Wege stehen. Zugleich griff er Regierungschef Modi scharf an, dieser habe durch unlautere Methoden "die Stimmen der indischen Menschen zerquetscht". Außerdem stehe der Premierminister für eine gewaltbereite Form des Hindunationalismus, der das säkulare Gewebe des indischen Staates bedrohe. Von den etwa 1,3 Milliarden Indern geben etwa 80 Prozent an, Hindus zu sein. Laut demografischen Projektionen wird Indien China in den nächsten Jahren als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablösen. In Indien leben nach Angaben des US-amerikanischen Pew Research Centers auch etwa 195 Millionen Muslime, demnach ist Indien hinter Indonesien das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerungsgruppe. Vor allem Muslime beschweren sich in Indien zunehmend, dass Modis Regierung sie nicht fair behandele.

Doch Rahul Gandhi ist es nicht gelungen, über die Minderheiten hinaus in Modis Stammwählerschaft vorzudringen, auch wurde seine Partei für die grassierende Korruption und ihren elitären Führungsstil gescholten. Seine Aura als Redner ist zudem wenig ausgeprägt, ihm fehlt das Mitreißende. Auch das Direktmandat, das seine Familie über Jahrzehnte im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh gewann, konnte der 49-jährige Rahul bei dieser Wahl nicht erringen. Sein Rückzug bedeutet, dass die Kongresspartei zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren nicht von einem Mitglied der Gandhi-Familie, zu der übrigens nicht der Vater der Nation, Mahatma Gandhi, zählt, geführt wird. Bislang zeichnet sich noch kein Favorit für die Nachfolge Rahuls ab. Allerdings zieht er sich auch nicht ganz aus der Politik zurück, zudem werden seine Mutter und Schwester weiter ein gewichtiges Wort in der Partei mitreden.

© SZ vom 05.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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