Süddeutsche Zeitung

Incirlik:Was die Bundeswehr-Tornados in Syrien und im Irak machen

  • Seit fünf Wochen ist die deutsche Luftwaffe im türkischen Incirlik stationiert, um Aufklärungsflüge über Syrien und dem Irak zu fliegen.
  • Man arbeite auf Hochtouren, um die Flugfähigkeit der Tornados auch bei Nacht zu gewährleisten, heißt es bei der Bundeswehr.
  • Seit Einsatzbeginn haben die Deutschen 34 Flüge absolviert und wahrscheinlich Tausende Bilder geliefert. Was anschließend an diesen Orten geschieht, bleibt im Dunkeln.

Von Stefan Braun, Incirlik

Das also sind die Bilder, deretwegen die Deutschen hier sind. Auf drei Bildschirmen zeigt ein junger deutscher Hauptmann Luftaufnahmen eines kleinen syrischen Dorfes. Ein langer staubiger Weg, offenbar versperrt durch mehrere Hindernisse, Sandhaufen, ein Tor, ein alter vergammelter Lastwagen. Daneben zahlreiche Flachdachbauten, ein bis zwei Stockwerke hoch, offenbar Wohnhäuser. Mittendrin eine Moschee mit zwei Minaretten. Und drum herum staubige Felder, vertrocknete Gärten, Wüstenpisten.

An einigen Stellen haben die Luftaufklärer der Bundeswehr, untergebracht in einem Container-Büro, Markierungen angebracht. Die Moschee ist weiß eingerahmt, sie soll als Nichtziel geschützt werden. Die Straße ist rot gekennzeichnet, hier sind die Hindernisse von Interesse. Und dazu deuten sie eine Alternativstrecke an - man kann ja nie wissen. ,,Das ist ein klassisches Beispiel'', erzählt der Hauptmann, dessen Namen unbekannt bleiben soll. ,,So bearbeiten wir die Fotografien aus den Flugzeugen und schicken sie dann ins Hauptquartier nach Katar.''

Seit fünf Wochen ist die deutsche Luftwaffe zum neuesten Bundeswehreinsatz auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik stationiert. Seit knapp zwei Wochen starten und landen hier täglich deutsche Tornados, um über Syrien und dem Irak Aufklärungsflüge zu bestreiten. Und seit zwei Stunden an diesem Donnerstagvormittag ist Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hier, um zu hören, ob alles so läuft, wie es sich die Bundesregierung von diesem Einsatz erhofft.

Die Botschaft für Berlin: alles okay, alles nach Plan

Oberst Michael Krah, Kommodore des Einsatzgeschwaders, lobt die eigenen Leistungen. Die Bündnispartner seien ,,hochzufrieden''; die Soldaten würden ,,ausgezeichnete Arbeit'' machen. Und Pannen oder negative Zwischenfälle habe es keine gegeben. Wirklich überprüfen kann man das alles nicht, aber es gibt bislang auch keine Belege, die das Gegenteil beweisen würden. Also steht man hier und lauscht den Worten, sofern nicht gerade mit einem Höllenlärm zwei Kampfflugzeuge in den Himmel steigen. Von der Leyen dürfte das recht sein. Es ist diese Botschaft, die sie nach Berlin mitnehmen möchte: alles okay, alles nach Plan. Der Einsatz ist sinnvoll.

Dabei kommt Krah, seinen zwölf Piloten und den gut 200 weiteren Soldaten in Incirlik zugute, dass sie aus dem Hauptquartier der alliierten Luftstreitkräfte in Katar bislang nur Aufträge für eine Aufklärung am Tage erhalten haben. So wurde hier noch nicht zum Problem, was sich zuhause zu einer kleinen Krisendebatte auswuchs: Die Tatsache, dass die Tornados durch eine zu helle Armaturenbeleuchtung derzeit nachts über weitgehend unkontrolliertem syrischem Gebiet nicht wirklich sicher geflogen werden können. Krah versichert zwar, dass die Nachtflugfähigkeit stets gewährleistet sei. Nur die Nachtsichtfähigkeit aber sei eingeschränkt. Aber daran arbeite man ,,mit Hochdruck''.

Seit dem Beginn des Einsatzes haben die Deutschen bereits 34 Flüge absolviert und wahrscheinlich schon tausende Bilder geliefert. Dabei geht es mal um präzise Details an einer bestimmten Straßenkreuzung, dann wieder um die großflächige Abbildung eines Tals, einer Bergkette, einer Verkehrsverbindung. Dabei, das räumt Krah ein, werten die Deutschen nur aus. Was anschließend an denselben Orten geschieht, bleibt im Dunkeln.

Kollateralschäden sollen nun unter allen Umständen vermieden werden

Allerdings geht es, das berichtet der Luftaufkläroffizier vor den Bildschirmen, in rund der Hälfte der Fälle nicht darum, Ziele zu erkennen. Genauso wichtig sei es, Schulen, Moscheen, Krankenhäuser und andere Gebäude zu identifizieren, die auf keinen Fall getroffen werden sollen. Solche Kollateralschäden haben in Afghanistan fürchterliche Verheerungen angerichtet - und sollen nun unter allen Umständen vermieden werden. Was freilich nicht nur Ziel der Amerikaner, Briten und Franzosen ist, die tatsächlich Angriffe fliegen. Von Anfang an war es auch erklärtes Ziel der Deutschen, um diesen Einsatz zu begründen. Ein Pilot sagt es am Rande so: Außenpolitisch sei der Einsatz wichtig, um die deutsche Solidarität in diesem Krieg zu belegen. Innenpolitisch wichtig sei, dass es nur um Aufklärung gehe, also um das Bemühen, bloß keine Falschen zu treffen.

Ob dabei alle in dieser Anti-IS-Koalition wirklich die gleichen attackieren möchten, bleibt bei diesem Besuch der Ministerin allerdings auch offen. Versprechen tun das zwar alle, aber jeder macht es auf seine Weise. Das zeigt sich bei einem gemeinsamen Presseauftritt der deutschen Verteidigungsministerin mit ihrem türkischen Kollegen Ismet Yilmaz. Platziert zwischen einem deutschen Tornado und einer türkischen F-16, beschwört von der Leyen die deutsch-türkische Freundschaft und bedankt sich überschwänglich bei ihrem Kollegen. Sein Land leiste Großes bei der Flüchtlingsaufnahme und sei ein ganz ganz wichtiger Bündnispartner gegen den IS-Terror. Yilmaz klingt zunächst kaum anders. Auch er spricht viel von der großen Freundschaft. Dann aber spricht er über den Terror und erklärt, diesen müsse man bekämpfen, attackieren und besiegen, ,,egal, wo er her kommt, egal, welchen Namen er trägt''. Das klingt nicht nur nach Anti-IS-Kampf. Hier wird klar, dass Ankara den Kreis der Gegner auch künftig viel größer ziehen möchte, die kurdische PKK mit eingeschlossen. Auch wenn von der Leyen das gerne vermieden hätte - hier zeigt sich, wie konträr die erklärten Partner weiter denken.

Der Einsatz über Syrien und dem Irak ist der dritte dieser Art. Auch im Kosovo-Krieg und in Afghanistan sind die Recce-Tornados der Bundeswehr schon eingesetzt worden. Recce kommt von Reconnaissance und heißt übersetzt Aufklärung. Krah betont deshalb gerne, dass bei diesem Einsatz ein gutes Stück Routine mitschwinge. Außerdem seien die Flugzeuge durch sehr gute Abwehrtechniken bestens geschützt, seine Piloten müssten sich deshalb keine zu großen Sorgen machen. Mulmig allerdings sei ihnen schon; und alle hätten sich das Video von jenem jordanischen Piloten angesehen, den der IS nach Absturz grausig getötet hatte.

So gesehen ist nicht überraschend, dass der Ministerin aus Berlin in Incirlik nicht nur Luftbilder, sondern auch die Notausrüstung der Piloten präsentiert wird. Darunter ein Taschenmesser, eine Infrarotlampe, eine Pistole, Schmerztabletten und dazu ein Filterstrohhalm, mit dem man aus schmutzigen Pfützen trinken kann, ohne krank zu werden.

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