Für den pakistanischen Oppositionsführer Imran Khan war diese Woche eine wilde Achterbahnfahrt, wobei noch immer nicht klar geworden ist, wohin ihn sein Zerwürfnis mit den mächtigen Generälen des Landes am Ende führen wird: Bekommt er jemals wieder eine Chance, erneut Premierminister zu werden? Oder hat er es sich so mit dem Militär verscherzt, dass er politisch einpacken kann?
Der bizarre Verlauf dieser Woche zeigt, welche Spannungen sich aufgebaut haben im Kampf um die politische Zukunft von Khan. Alle Streitigkeiten kreisen um seine Person, weil er der populärste aller Politiker ist und Wahlen gewinnen kann.
Am Freitag musste der inhaftierte Ex-Premier und frühere Cricket-Star erneut vor einem Gericht in Islamabad erscheinen, es hat am Nachmittag entschieden, dass Khan gegen Kaution zunächst für zwei Wochen freikommt. Ihm werden in verschiedenen Ermittlungen Vorteilsnahme und Korruption vorgeworfen.
Begonnen hat die jüngste Krise am Dienstag vor dem Gerichtshof in Islamabad: Khan ist an jenem Tag zu einer Anhörung geladen, er muss sich zunächst einer biometrischen Untersuchung unterziehen. Doch plötzlich fahren Truppen der paramilitärischen Rangers auf dem Gelände vor, sie zertrümmern eine Glasfront, um ins Innere vorzudringen, dann zerren sie Khan ins Freie und zwingen ihn in ein gepanzertes Fahrzeug.
Zerwürfnis mit dem Militär
Wer die Szenen später auf Videos verfolgt, kann einigermaßen nachvollziehen, warum Khans Anwälte so empört sind und von einer staatlich organisierten "Entführung" sprechen. Eine ordentliche Festnahme sieht anders aus, zumal Khan später auch noch den Vorwurf erheben wird, er sei mit Stöcken auf den Kopf geschlagen worden.
Angeblich wurde Khan verhaftet, weil ihm ein Prozess wegen Korruption gemacht werden soll. Seine Anhänger nennen den Vorwurf "politisch motiviert". Khan war bis April 2022 der gewählte Premier Pakistans, bevor er durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt wurde. Einige Monate später entging er nur knapp einem Mordanschlag. Er macht für seinen Sturz ein Komplott seiner politischen Gegner und der Armee verantwortlich, außerdem bezichtigt er offen einen hochrangigen Offizier, den Anschlag gegen ihn angezettelt zu haben.
Auf die Verhaftung Khans am Anfang dieser Woche folgten: drei Tage blutige Randale. Wütende Khan-Anhänger attackierten Einrichtungen des Militärs, sie lieferten sich in mehreren Städten Straßenschlachten mit Soldaten und Polizisten. Mindestens fünf Menschen starben. Die Partei von Khan sagt, die Menschen seien einfach niedergeschossen worden, verifizieren lässt sich das nicht. Hunderte kommen in diesen Tagen in Haft, darunter mindestens drei weitere hochrangige Führer der Khan-Partei PTI.
Verfassungsrichter nennen Khans Verhaftung illegal
Dann, am späten Donnerstag: ein Paukenschlag der obersten Justiz. Alles zurück auf Los. Die Verhaftung Khans sei "illegal und ungültig", urteilt das Verfassungsgericht. Und ordnet dessen Freilassung an. Khans Anhänger jubeln, seine Gegner sind empört und verweisen auf Ermittlungen der Anti-Korruptionsbehörde, die dem Ex-Premier wegen mutmaßlicher Verfehlungen den Prozess machen wollte.
Es ist ein verstörendes Durcheinander, manche sagen: nur ein weiteres Kapitel einer fortlaufenden politischen Seifenoper, in der sich die politischen Lager gegenseitig bekämpfen, und letztlich doch nur um die Gunst des mächtigen Militärs buhlen. Dass sie dabei Rücksicht auf das Schicksal der Massen nehmen, ist nicht erkennbar.
Khan präsentierte sich immer als einer, der dieses zynische Spiel nicht mitmachen wollte. Aber Kritiker weisen darauf hin, dass auch er offenbar nicht regieren kann ohne das Wohlwollen der Armee.
Man könnte über all das Theater vielleicht sogar lächeln, ginge es nicht um das Schicksal von 230 Millionen Pakistanerinnen und Pakistanern, die in der Mehrheit bitterarm sind und ums Überleben kämpfen. Jobs für die Jugend fehlen, das Land steuert in den Staatsbankrott.
Gegen Khan läuft eine Vielzahl unterschiedlicher Ermittlungen
Wie die Zeitung Dawn berichtete, erklärte Khan noch am Donnerstag bei der Anhörung des Verfassungsgerichts, dass seine Partei "keine Anarchie im Land will. Schließlich sind wir eine Partei, die der Verfassung verpflichtet ist. Wir wollen sofortige Wahlen". In einem Editorial verwies die Zeitung allerdings darauf, dass die juristischen Schwierigkeiten Khans noch lange nicht vorüber seien.
Die Vielzahl unterschiedlicher Ermittlungen - zumeist geht es um Korruptionsvorwürfe - werden von seinem Lager allesamt als Versuche abgetan, ihn politisch kaltzustellen. Im Falle einer Verurteilung wäre er womöglich für lange Zeit von Wahlen ausgeschlossen.
So verworren ist die Lage, dass zwei für Sonntag angesetzte Regionalwahlen - eine in der Provinz Punjab, die andere in Khyber-Pakhtunkhwa - jetzt kaum stattfinden können. Unklar ist auch, wie es mit den nationalen Wahlen weitergehen soll, die für Herbst vorgesehen waren. Khans Partei sagt, dass ihr Anführer nur deshalb weggesperrt werde, damit er nicht die nächsten Wahlen wieder gewinnt. Aber die ökonomische Misere hat auch Khan in seiner Zeit als Regierungschef nicht gut lindern können.
Ein Rettungspaket des Internationalen Währungsfonds soll Pakistan vor dem finanziellen Kollaps bewahren, doch die jüngsten Unruhen schüren Zweifel, dass es bald umgesetzt werden kann.