Imran Khan:Pakistans Premier durch Misstrauensvotum gestürzt

Imran Khan: Imran Khan bei einer Militärparade in Islamabad Ende März.

Imran Khan bei einer Militärparade in Islamabad Ende März.

(Foto: Anjum Naveed/AP)

Der frühere Cricket-Star Imran Khan muss den Posten des Regierungschefs räumen. Aber ist er damit schon geschlagen?

Von Arne Perras

Alle Fernsehreden an die Nation und alle trickreichen Manöver, mit denen sich Pakistans Premier Imran Khan an die Macht klammerte, haben am Ende nichts mehr genützt. Nach wochenlangen hitzigen Auseinandersetzungen ist der Regierungschef in Islamabad in der Nacht von Samstag auf Sonntag durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt worden: 174 der insgesamt 342 Abgeordneten stimmten gegen Khan. Das hat es in der 75-Jährigen Geschichte der Nation so noch nie gegeben, häufiger waren es mehr oder weniger kaschierte Interventionen des Militärs, die widerspenstige Premiers entmachteten.

Zu dieser drastischen Wendung ist es dieses Mal nicht gekommen, das Verfahren folgte den parlamentarischen Regeln, wie es der Supreme Court des Landes strikt eingefordert hatte. Der Premier hatte schon zuvor seine Mehrheit in der Nationalversammlung verloren, weil ihm eigene Abgeordnete und wichtige Koalitionspartner die Treue aufgekündigt hatten.

Im Fall Khan ist die Rolle der Armee noch nicht klar auszumachen. Das Militär pocht stur darauf, nicht interveniert zu haben, doch klar ist auch, dass es im Umgang mit Putin und dem Krieg in der Ukraine wachsende Differenzen gibt zwischen dem sogenannten "Establishment", wie das Militär im Land euphemistisch genannt wird, und dem eigenwilligen Regierungschef. Die Armee hat den Krieg Putins als "Aggression" gegeißelt, Khan hingegen weigerte sich, Russland zu verurteilen. Er war am Tag der Invasion sogar in Moskau. Ein lange geplanter Trip, wie er sagte. Vom Einmarsch habe er nichts wissen können, hieß es aus seinem Umfeld. Aber auch hinterher hat sich der Premier nicht von Putin distanziert.

Khan hatte noch am vergangenen Sonntag versucht, sich dem Misstrauensvotum zu entziehen, in dem er das Parlament auflösen ließ und Neuwahlen ankündigte. Damit schwor er eine ernste konstitutionelle Krise herauf. Doch die obersten Richter erklärten seinen Schritt als verfassungswidrig und verlangten die Rückkehr zu einem geordneten Verfahren. Analysten werteten dies als bedeutsamen Schritt, die Justiz hat sich nicht von politischen Kräften verleiten lassen, einen Verfassungsbruch abzusegnen.

Khan will nun Proteste auf der Straße mobilisieren

Andererseits ist die schwere Krise damit nicht vorüber. Khan hat schon in der Nacht zuvor in einer Fernsehansprache erklärt, dass er eine neue Regierung nicht anerkennen werde. Alle rechnen damit, dass nun Oppositionsführer Shehbaz Sharif die Nachfolge Khans antreten wird, er ist der Bruder des früheren Premiers Nawaz Sharif, der über Korruptionsvorwürfe und die Panama Papers gestürzt war. Die Wahl eines neuen Regierungschefs sei für Montag angesetzt, teilte der geschäftsführende Parlamentspräsident Ayaz Sadiq mit. Khan aber will außerparlamentarischen Widerstand organisieren, ein beliebtes Mittel in Pakistan, um Regierende vor sich her zu treiben und zu schwächen.

Der gestürzte Khan will also nicht aufgeben, er verlegt seinen Kampf auf die Straße, was er ideologisch bereits sorgfältig vorbereitet hat. Khan strickt seit Tagen an der Erzählung, dass nur er die gebeutelte Nation als stolzes und unabhängiges Land retten könne. Alle anderen würden doch nur als Marionetten des Westens und vor allem der USA agieren, schimpft er. Diese Leute ließen es zu, so Khan, dass die Pakistaner zu Sklaven anderer Mächte degradiert würden. Er ist ein geschickter Rhetoriker und weiß Emotionen zu schüren. In den Mittelpunkt rückt er dabei den Vorwurf, er sei Opfer einer westlichen Verschwörung geworden. Angeblich habe es handfeste Drohungen aus den USA gegeben, die er aber nicht offenlegen will, weil sie geheim seien.

Das schürt Unsicherheit und auch unterschwelligen Zorn im Volk. Verschwörungsmythen haben in der vernebelten Politik ohne Transparenz in Pakistan immer Konjunktur, besonders wenn es um die USA geht. Schon Obamas umstrittener Drohnenkrieg gegen Extremisten entlang der afghanischen Grenze nährte den Antiamerikanismus, Khan greift diese Stimmung wieder auf. Er stellt es so dar, als habe Washington einen Regimewechsel herbeiführen wollen und dafür die pakistanische Opposition eingespannt. Er lässt seine Gegner als Verräter dastehen und hofft offenbar auf die große Aufwallung im Volk, die ihm den Weg zurück an die Macht ebnen soll. Die mögliche Rache des Imran Khan, sie ist in seinen Ankündigungen und Drohungen schon deutlich spürbar.

Der frühere Cricket-Star galt einmal als große Hoffnung

Ob der entmachtete Premier das aber auch schafft? Angesichts seiner eher enttäuschenden Regierungsbilanz ist ungewiss, ob der außenpolitischen Plot ausreicht, um die Massen zu mobilisieren. Große Proteste sind auch nur dann möglich, wenn die Sicherheitskräfte diese zulassen und laufen lassen.

Der frühere Cricket-Star Khan, der 2018 als Außenseiter an die Macht kam, galt mal als große Hoffnung, vor allem junge Wähler sehnten sich nach einem Ausweg aus dem verkrusteten System, in dem sich feudale Politikerclans - die Bhuttos und die Sharifs - mit dem Militär arrangierten und eine breite Entwicklung des Wohlstands eher bremsten als förderten. Die Korruption blühte, demokratische Kontrolle scheiterte an mächtigen Seilschaften und Netzwerken der dominierenden Familien. Khan ist mit seinem Anspruch gescheitert, Pakistan in eine neu Ära zu führen, es ist ihm nicht gelungen, der Jugend Jobs zu verschaffen. Und dann kam auch noch die Pandemie, die Pakistans Niedergang beschleunigte, die Preise in die Höhe trieb und die Qualen der Armen noch vergrößerte.

Um den Kollaps abzuwenden, braucht Pakistan ein Rettungspaket des Internationalen Währungsfonds und massive Hilfe aus China. Es braucht aber auch ein legitimiertes und handlungsfähiges Regierungsteam in Islamabad, das Khans Nachfolger nun erst einmal auf die Beine stellen muss. Die Mehrheit eines neuen Premiers wird knapp und eher wackelig sein; möglich, dass es doch noch Neuwahlen geben wird vor dem regulären Termin im Jahr 2023.

Als phänomenaler Cricket-Kapitän hat Khan einst Sportgeschichte geschrieben, nun will er nicht als politischer Verlierer dastehen. Er werde bis zum letzten Ball spielen, verspricht er. Das Misstrauensvotum betrachtet er aber wohl noch nicht als Ende der Partie. Sein Nachfolger wird mit ihm rechnen müssen.

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