Pakistan:Die Entzauberung des Imran Khan

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Reaktion auf einem Markt in Karachi auf eine Ansprache von Pakistans Premierminister Imran Khan Ende Februar. (Foto: Rizwan Tabassum/AFP)

Pakistans Premier hat den versprochenen Aufbruch für sein Land nicht hinbekommen, nun sieht die Opposition eine Chance, ihn zu stürzen. Aber können sie den früheren Cricket-Star wirklich entmachten?

Von Arne Perras, München

Am Tag der russischen Invasion in die Ukraine saß Imran Khan als Staatsgast neben Wladimir Putin - nicht gerade ideale Bilder für einen Regierungschef, der auf internationale Hilfe angewiesen ist, um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden. Sollte sich Khan ein anderes Timing für seine Visite in Moskau gewünscht haben, so ließ er sich das allerdings nicht anmerken.

Nach seiner Rückkehr vermied es Pakistans Premier, den russischen Überfall auf das Nachbarland zu verurteilen. Khan lavierte, es blieb bei einem milden Bedauern Pakistans über "die Situation zwischen Russland und der Ukraine". Zugleich war er darum bemüht, das komplizierte Verhältnis zu Moskau öffentlich auf zwei nützliche Deals zu reduzieren: Man wolle Gas beziehen und habe den Import von zwei Millionen Tonnen Getreide vereinbart, hieß es in Islamabad - ohne mit einem Wort zu erwähnen, dass der Weizen für Pakistan zuvor noch aus der Ukraine gekommen war.

Der Westen hätte gerne scharfe Töne in Richtung Moskau gehört, doch Pakistan reagierte auf einen entsprechenden Brief von 22 diplomatischen Vertretungen in Islamabad mit Empörung. Khan fragte öffentlich: "Sind wir ihre Sklaven?" Pakistan enthielt sich bei der Abstimmung über die UN-Ukraine-Resolution, so wie China, Indien und 33 weitere Staaten.

Ausgerechnet am 24. Februar, dem Tag, an dem die russische Invasion in die Ukraine begann, traf Pakistans Premier den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau. (Foto: Mikhail Klimentyev/Imago/ITAR-TASS)

Die Zurückhaltung hat womöglich auch damit zu tun, dass es Khan und dem pakistanischen Militär gerade erst gelungen war, die ramponierten Beziehungen zu Russland halbwegs zu reparieren. Im Kalten Krieg waren beide Länder bittere Feinde gewesen, Islamabad stand an der Seite Washingtons und unterstützte die Gotteskrieger in Afghanistan, um die Sowjetarmee zu vertreiben. Vier Jahrzehnte später will Pakistan den Kreml nicht verärgern, jede Verstimmung - so die Sicht in Islamabad - würde dem Erzrivalen Indien in die Hände spielen.

Aus westlicher Perspektive mag der Ukraine-Krieg derzeit alle politischen Anstrengungen dominieren, für Khan ist es anders; er ist abgelenkt, weil er sich zunächst ein Problem in nächster Nähe vom Hals schaffen muss: Die Opposition will ihn stürzen und hat einen Misstrauensantrag eingebracht. So eng war es für Khan noch nie. Vorbei die Zeiten, in denen er seinen Nimbus als Cricket-Legende stets zum eigenen Vorteil ausspielen konnte und die Konkurrenz heillos zerstritten schien. Lange Zeit musste Khan sie kaum fürchten. Aber jetzt? "Die Chancen für ihn stehen nicht gut", kommentierte die Zeitung Dawn .

Khan beschimpft die Opposition als "Banditen" und "Mafia"

Andererseits: Alle wissen, dass Khan ein Kämpfer ist. Er wird alles daransetzen, mutmaßliche Abweichler und Rebellen in den eigenen Reihen zu bändigen, bevor es, womöglich schon in wenigen Tagen, zur Abstimmung im Parlament kommt. Die Nervosität unter seinen Anhängern steigt, denn Khans Partei PTI hat - zusammen mit ihren Verbündeten - nur eine Mehrheit von 17 Stimmen.

Wenn Khan Druck verspürt, tritt er am liebsten auf die offene Bühne und gibt den entschlossenen "Kaptaan". Als Kapitän führte er einst seine Cricket-Nationalmannschaft zum WM-Sieg. Dreißig Jahre ist das her, aber der belagerte Premier setzt darauf, dass sein Ruf als Motivator und Stratege immer noch verfängt. Nahezu täglich erweitert er seine Attacken gegen die Opposition, deren Anführer er als "Banditen" und "Mafia" schmäht und manchen mehr oder weniger offen Korruptionsverfahren androht, sobald er das Misstrauensvotum überstanden habe. Seine Rivalen gehören überwiegend etablierten Politiker-Dynastien an, dem Bhutto-Clan und dem Sharif-Clan. Beide Lager halten derzeit taktisch zusammen, um den Premier aus dem Amt zu hebeln.

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Khan hat nie zu diesen Zirkeln gehört, die Pakistan über Jahrzehnte als feudale Klasse oder Industriemagnaten dominierten, er stützt sich nicht auf ein dynastisches Erbe, sondern setzt auf seinen Ruf als Sportler. Und so hat er sich, wie der pakistanische Kolumnist Hamid Mir unlängst anmerkte, zum Retter der Nation stilisiert.

Vielen ist noch in Erinnerung, wie Khan einst rief, dass er sich lieber das Leben nehme als in der Welt um Kredite zu betteln. Hilfen einsammeln musste der Premier später dennoch, Pakistan ist auf Rettungspakete des Internationalen Währungsfonds IWF angewiesen. Und Khan sucht die Nähe zu China, das für seine Seidenstraße Verbindungen durch Pakistan bis zum Indischen Ozean ausbaut.

Armut, steigende Preise, Perspektivlosigkeit und Bombenterror

Pakistans größtes Finanzblatt Business Recorder berichtete unter Berufung auf Regierungsquellen, dass sich Islamabad chinesische Hilfen in Höhe von 21 Milliarden US-Dollar gesichert habe, offiziell bestätigt ist das nicht. Sicher ist nur: Khan braucht diese Milliarden. Er hat neue Subventionen für Treibstoff und Strom versprochen, seit der Ukraine-Krieg die Preise in die Höhe treibt. Das wiederum erschwert Gespräche mit dem IWF, der weitere Hilfen auf den Weg bringen soll.

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So steigt der Druck auf einen Premier, der ohnehin an Popularität eingebüßt hat. In einer Umfrage im Januar hatten 55 Prozent der Befragten angegeben, dass Khans Partei schlechter regiere als erwartet. Eine Regionalabstimmung im Grenzgebiet zu Afghanistan war schon vor Monaten für Khan verloren gegangen. Vier Jahre nach dem nationalen Wahltriumph wird der Regierungschef zunehmend entzaubert. Der versprochene Aufbruch von 2018 - er ist für viele nicht in Erfüllung gegangen. Armut, steigende Preise und Perspektivlosigkeit für die Jugend bleiben die drängendsten Probleme - neben dem Bombenterror der Extremisten.

So wird das Misstrauensvotum nun zur bislang größten politischen Gefahr für den 69-jährigen Premier. Zugleich fragen sich viele: Wo steht eigentlich das Militär? Bislang hielt sich Khan die Generäle gewogen, kein pakistanischer Regierungschef ist stark genug, eine Konfrontation mit der Armee lange durchzuhalten. Spekulationen, dass das Militär bereits auf die Seite der Opposition umgeschwenkt sei, wies Khans Informationsminister Fawad Chaudhry zurück. Allerdings weiß das Militär seinen Einfluss gut zu verbergen. Und so bleibt erst einmal ungewiss, wie sich die Generäle positioniert haben.

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