Impfverordnung:Dann macht mal

Die Priorität für Lehrkräfte ist politisch durchaus umstritten - schon beim letzten Bund-Länder-Gipfel war das so.

Von Boris Herrmann

Coronavirus - Zweite Impfdosis verschieben?

Die Ständige Impfkommission werde die Empfehlung zum Astra-Zeneca-Impfstoff überdenken, sagt der Vorsitzende Thomas Mertens.

(Foto: Kay Nietfeld/DPA)

Man kann es nie allen recht machen, schon gar nicht bei der Impfreihenfolge, solange der Impfstoff knapp ist. Thomas Mertens, der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), schätzt, "dass etwa die Hälfte unserer Bevölkerung einen Grund für eine priorisierte Impfung anführen kann". Und wenn man ihn richtig versteht, dann hat ihn ein beträchtlicher Teil dieser Bevölkerungshälfte bereits mit der Bitte um eine höhere Priorisierungsstufe angemailt. Das werde nicht selten auch "sehr fordernd" vorgetragen, teilt Mertens mit.

Die Stiko ist nicht zu beneiden um die Aufgabe, Menschen nach ihrer Position in der Impfwarteschlange zu kategorisieren. Sie ist dabei aus guten Gründen den Empfehlungen des Deutschen Ethikrates gefolgt, wonach es hier nicht nach einer wie auch immer begründeten Wichtigkeit gehen kann, sondern nur nach einer besonderen Schutzbedürftigkeit. Und es ist eine politische Entscheidung, dass sich die Bundesregierung nun über diese Stiko-Priorisierung hinwegsetzt. Wegen der jüngsten Schulöffnungen sollen Beschäftigte in Grundschulen, Förderschulen und Kitas schneller geimpft werden als ursprünglich geplant. Sie werden in der Impfreihenfolge von der Gruppe drei in die Gruppe zwei vorgezogen.

Mertens nimmt die nachträgliche Brüskierung seiner schwierigen Abwägungsarbeit sportlich. "Die politischen Entscheidungsträger können dies fraglos machen. Sie müssen aber die Begründung auch selber geben", sagte er der SZ.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) rechtfertigte die Entscheidung so: "Hierin kommt auch zum Ausdruck, welche Bedeutung Grundschulen, Förderschulen und Kindertageseinrichtungen für die Bildung und Zukunft unserer Kinder haben." Es sei deshalb richtig, diese Gruppen beim Impfen zu bevorzugen.

Dem ist schwer zu widersprechen. Trotzdem finden es längst nicht alle Entscheidungsträger in Bund und Ländern richtig. In der zurückliegenden Ministerpräsidentenkonferenz soll darüber rund eine Stunde lang kontrovers diskutiert worden sein. Ausgerechnet die sonst so streng auf Regeln achtende Angela Merkel hatte zur allgemeinen Überraschung die Idee aufgebracht, die Stiko-Regeln zu ändern. Mit Blick auf die anstehenden Schulöffnungen sei das ein "Signal", sagte sie laut Teilnehmern.

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) widersprach als Erster. Damit begebe man sich in "schwieriges Fahrwasser". Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sprang ihm mit dem Argument bei, dass dann auch andere Berufsgruppen Ansprüche anmelden könnten. Sein thüringischer Kollege Bodo Ramelow (Linke) bemühte gar das Bild von der "Büchse der Pandora". Auch Gesundheitsminister Jens Spahn habe sich in der Runde nicht begeistert gezeigt, heißt es. Er hatte sich zuvor öffentlich gegen eine Veränderung der Impfreihenfolge ausgesprochen. Nun ändert er sie trotzdem.

Die Skeptiker scheinen recht zu behalten. Erste Gruppen fühlen sich benachteiligt, darunter Polizisten und Feuerwehrleute. Wo soll das enden, wenn nun alle schneller drankommen wollen? Mertens findet: "Eine Forderung nach höherer Eingruppierung müsste im Grunde mit der Aussage verbunden werden, welche Gruppe stattdessen 'heruntergestuft' werden soll." Im Übrigens steht er weiter zur Einschätzung der Stiko, dass Beschäftigte von Kitas und Schulen in die dritte Impfgruppe gehören. "Lehrer mit Vorerkrankungen sind ja bereits priorisiert", sagt er.

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