Süddeutsche Zeitung

Covid-Bekämpfung:Astra Zeneca liefert noch viel weniger

Der Hersteller wird der EU von April bis Juni nur 70 statt 180 Millionen Dosen des Corona-Vakzins zur Verfügung stellen. Schuld seien Exportstopps anderer Länder, klagt der Konzern. So wird das Mittel in den USA gehortet.

Von Björn Finke, Brüssel

Die Probleme bei der Impfkampagne der EU verschärfen sich: Astra Zeneca hat am Freitagabend gewarnt, dass der Konzern im ersten Jahresviertel, also bis Ende März, nur 30 Millionen Dosen Corona-Impfstoff liefern könne. In ihrem Vertrag versprach die britisch-schwedische Firma 90 Millionen, räumte aber zuletzt ein, es würden lediglich 40 Millionen sein. Jetzt ist auch diese Marke nicht mehr zu halten. Im zweiten Jahresviertel fällt die Kürzung sogar noch härter aus.

So könnten von April bis Juni nur 70 anstatt von 180 Millionen Dosen bereitgestellt werden, teilte das börsennotierte Unternehmen aus Cambridge mit. "Obwohl unermüdlich daran gearbeitet wurde, die Lieferungen zu beschleunigen, muss Astra Zeneca enttäuschenderweise eine Kürzung der geplanten Corona-Impfstoff-Lieferungen in die EU ankündigen", hieß es in der Mitteilung. Neben diesen Engpässen bereiten auch mögliche Nebenwirkungen Sorgen: Dänemark und andere Staaten stoppten deswegen den Einsatz des Mittels fürs Erste.

Schuld sind Exportbeschränkungen

Grund für die Lieferengpässe in Europa sind Anlaufschwierigkeiten in einem belgischen Werk des Auftragsfertigers Thermo Fisher. Schon im Februar verkündete Astra Zeneca, dass EU-Fabriken daher wohl nur die Hälfte der 180 Millionen Dosen Impfstoff herstellen können, die für das zweite Jahresviertel zugesagt sind. Der Konzern gelobte aber, den Rest von Standorten auf anderen Kontinenten zu beschaffen. Das war offenbar nicht möglich. Das Unternehmen nannte Exportbeschränkungen als Ursache: Diese würden leider "die Lieferungen im ersten Quartal nun reduzieren und werden dies wahrscheinlich auch im zweiten Quartal".

Weitere Details enthüllte Richard Bergström in einem Fernsehinterview. Der Schwede ist für die Impfkampagne seines Heimatlandes zuständig und sitzt im Steuerungsausschuss, mit dem die Mitgliedstaaten die gemeinsame Vakzinbeschaffung der EU überwachen. Bergström zufolge wollte Astra Zeneca im zweiten Quartal 75 Millionen Dosen von Werken in Großbritannien, den USA und Indien in die EU liefern. "Jetzt wurde uns mitgeteilt, dass das Unternehmen diese Dosen nicht bekommen kann, weil es in den USA und Indien Exportverbote gibt und in Großbritannien vertragliche Hindernisse für die Ausfuhr", sagte er.

In den USA stapeln sich Millionen Impfdosen von Astra Zeneca im Lager

Dabei stapeln sich in den USA Millionen Impfdosen von Astra Zeneca im Lager, wie die New York Times berichtet. Das Unternehmen lässt dort fertigen, doch das Mittel kann nicht eingesetzt werden, da noch die Zulassung vor Ort fehlt. Exporten in die EU steht allerdings eine Order entgegen, die der damalige US-Präsident Donald Trump im Dezember erließ: Demnach soll die Impfstoffproduktion amerikanischer Werke zunächst den US-Bürgern dienen. Sein Nachfolger Joe Biden hat das bislang nicht aufgehoben.

Jeff Zients, der Corona-Koordinator im Weißen Haus, sagte am Freitag, dass es "einen kleinen Bestand" gebe. Sobald die Zulassung vorliege, könne der Impfstoff schnellstmöglich an die Amerikaner verteilt werden. US-Regierungssprecherin Jen Psaki ergänzte, es gebe Anfragen einer ganzen Reihe von Ländern nach diesen Impfdosen, doch die Regierung habe bisher keine an andere Staaten herausgegeben. Bidens erste Pflicht sei es, sich um die Krise in den USA zu kümmern. Am Vortag hatte Psaki allerdings gesagt: "Es gibt keine Exportverbote."

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kritisiert die Politik der USA: Man habe auch bei Medikamenten und Tests in den vergangenen zwölf Monaten immer wieder erlebt, dass "bestimmte Produkte die USA nicht verlassen haben", sagte der CDU-Politiker schon am Donnerstag. Dies finde er "problematisch, auch im Miteinander in der transatlantischen Partnerschaft".

Auch bei Johnson & Johnson gibt es Zweifel

EU-Industriekommissar Thierry Breton griff Astra Zeneca auf Twitter an. Die Firma bemühe sich nicht genug, schrieb der Franzose: "Es wird Zeit für die Führung von Astra Zeneca, ihren treuhänderischen Pflichten nachzukommen und jetzt zu tun, was nötig ist, um die Zusagen zu erfüllen." Breton leitet die Impfstoff-Taskforce der Kommission.

Für das zweite Quartal rechnete die EU ursprünglich damit, dass alle Hersteller zusammen etwa 500 Millionen Impfdosen liefern. Die Ausfälle bei Astra Zeneca machen das unmöglich. 55 Millionen Dosen davon sollen vom amerikanischen Produzenten Johnson & Johnson (J&J) stammen; die ersten Dosen sollen frühestens Mitte oder Ende April eintreffen. Die EU-Kommission und die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA erteilten dem Vakzin am Donnerstag die Zulassung.

Doch es gibt Zweifel, ob J&J seine Verpflichtungen einhält, denn bislang konnte die Firma den Mitgliedstaaten keinen Lieferplan präsentieren. "Das erlaubt Fragezeichen", sagt ein EU-Vertreter. Das Unternehmen hat Brüssel gewarnt, dass es Probleme mit den komplizierten, mehrere Kontinente umspannenden Zulieferketten geben könnte. Diese Warnung sei eine Vorsichtsmaßnahme und bedeute nicht, dass die Zusagen in jedem Fall verfehlt würden, heißt es. Der Impfstoff von J&J muss praktischerweise nur einmal gespritzt werden; insgesamt soll der Konzern in diesem Jahr 200 Millionen Dosen für die EU produzieren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5233199
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.