Süddeutsche Zeitung

Corona:Ampel-Koalition wankt bei der Impfpflicht

Bundeskanzler Scholz hatte vor seiner Wahl zum Kanzler dafür geworben und wollte sie einführen, spätestens im März. Nun soll der Bundestag entscheiden - doch Abgeordnete von SPD und FDP sehen keinen Grund zur Eile.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die Debatte um die allgemeine Impfpflicht in Deutschland ist voll entbrannt. Gerungen wird sowohl um einen möglichen Zeitplan als auch um ihre Einführung überhaupt. Die Pläne sind auch innerhalb der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP umstritten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat offenbar nicht genügend Unterstützung für seinen Vorschlag gefunden, bis spätestens Ende März in Deutschland eine allgemeine Impfpflicht einzuführen. Eine Regierungssprecherin sagte am Montag in Berlin, der Kanzler stehe "zu seiner Überzeugung, dass es eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland geben sollte", er überlasse jedoch dem Bundestag, "wie er den Zeitplan jetzt gestalten will". Einen eigenen Gesetzentwurf wolle die Regierung nicht vorlegen.

Scholz hatte am 30. November als designierter Kanzler in einem TV-Interview dafür plädiert, dass in Deutschland ab spätestens Anfang März eine allgemeine Impfpflicht gelten solle. "Mein Vorschlag ist ja, dass der Zeitpunkt, bis zu dem dann jeder und jede sich hat impfen lassen, auch nicht allzu fern liegt, also mein Vorschlag: Anfang Februar oder Anfang März", sagte Scholz damals.

Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock bekräftige am Montag, für die Einführung der Impfpflicht zu stimmen. "Ich glaube, dass eine Impfpflicht sinnvoll ist", sagte Baerbock am Rande eines Treffens mit ihrem italienischen Amtskollegen Luigi Di Maio in Rom. Es gehe darum, das Leben wieder so zu leben, wie es die Menschen gewohnt gewesen waren, und darum, Menschen zu schützen. Zu einem möglichen Zeitplan sagte Baerbock nichts.

In der FDP ist die Impfpflicht heftig umstritten. Die frühere FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg warnte vor falschen Versprechungen. "Es ist fraglich, ob eine allgemeine Impfpflicht das grundsätzlich legitime Ziel überhaupt erreicht", sagte Teuteberg. Man wisse, dass die Corona-Impfung keinen absoluten Schutz vor Ansteckung biete und auch Geimpfte das Virus übertragen könnten. "Die Impfpflicht würde die Pandemie noch nicht beenden, Testen zum Beispiel bliebe weiterhin wichtig."

"Nichtstun ist keine Option."

Über einen möglichen Zeitplan zur Einführung einer Impfpflicht soll der Bundestag entscheiden. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese twitterte am Montag, die Abgeordneten würden sich "nicht künstlich treiben lassen", eine Impfpflicht sei nicht das Instrument, um die aktuelle Welle zu brechen, sondern eines, um durch den kommenden Herbst zu kommen.

Wiese reagierte damit auf Forderungen aus der Opposition, aufs Tempo zu drücken. Die Union verlangt von der Koalition, eine eigene Gesetzesvorlage zu erarbeiten. "Nichtstun ist keine Option, das verunsichert die Menschen", sagte Generalsekretär Paul Ziemiak in Berlin, die CDU sei jederzeit bereit, über die wichtigen Fragen zu sprechen. "Der Sitzungskalender des Bundestags ist kein Hindernis."

Abgeordnete hatten darauf hingewiesen, dass es im Februar wegen des Karnevals nur eine Sitzungswoche des Bundestags gebe - zu wenig, um die Debatte über die Impfpflicht ausführlich zu führen. Am Montag hatten Unionspolitiker deshalb eine Sondersitzung vorgeschlagen - darüber muss der Bundestag entscheiden.

Die Ampel-Regierung hat die Abstimmung über eine allgemeine Impfpflicht im Bundestag freigegeben. Es soll fraktionsübergreifende Gruppenanträge geben; bisher liegt aber noch keiner vor. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat angekündigt, sein Ministerium werde bei den Anträgen mitarbeiten.

Am Montagabend tagten die Gesundheitsminister der Länder. Petra Grimm-Benne (SPD), Ressortchefin in Sachsen-Anhalt und derzeit Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, berichtete nach dem digitalen Treffen, über die Empfehlung einer vierten Impfung für vulnerable Gruppen sei noch nicht entschieden. Die Impfzentren sollen jedenfalls im Einvernehmen mit dem Bund, der die Finanzierung sichert, im kommenden Sommer nicht geschlossen werden. Die Gesundheitsminister seien dafür, dass eine allgemeine Impfpflicht bald beschlossen werde, sagte Grimm-Benne. Über weitere Verschärfungen der Corona-Maßnahmen soll demnächst weiter beraten werden, möglicherweise schon vor dem nächsten Spitzentreffen am 24. Januar.

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