Österreich:Entwurf für Impfpflichtgesetz vorgestellt

Österreich: Bundesminister Wolfgang Mückstein (Grüne), Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Bundesministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bei der Vorstellung ihres Entwurfs für ein Impfpflichtgesetz.

Bundesminister Wolfgang Mückstein (Grüne), Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Bundesministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bei der Vorstellung ihres Entwurfs für ein Impfpflichtgesetz.

(Foto: Martin Juen/imago images/SEPA.Media)

Die österreichische Regierung präsentiert ihre Pläne für eine Impfpflicht. Das wird Widerstand hervorrufen. Auch, weil der Entwurf manchen nicht weit genug geht.

Von Cathrin Kahlweit

Den größten Teil ihrer einstündigen Pressekonferenz verwandten der österreichische Bundeskanzler, die Verfassungsministerin und der Gesundheitsminister auf Werbung. Sie warben für die Impfung, die vor einem schweren Covid-Verlauf schütze, sie warben für einen Entschluss zur Impfung aus freiem Willen, sie warben für Solidarität und Gemeinschaftsgefühl. Wäre die kurzfristige Einladung zur PK in Wien am Sonntagmittag nicht mit "Präsentation Gesetzentwurf zur Impfpflicht" überschrieben gewesen, hätte man glauben können, Karl Nehammer, gerade erst von einer Covid-Infektion genesen, Karoline Edtstadler und Wolfgang Mückstein hätten sich gemeinsam vor die Kameras gestellt, um nach zwei Jahren Pandemie einmal mehr zu erklären, warum das Vakzin grundsätzlich und gesundheitspolitisch ein zentraler Bestandteil des Kampfes gegen das Virus sei.

Das mag daran liegen, dass die österreichische Bundesregierung aus ÖVP und Grünen, ähnlich den Verantwortlichen in Deutschland, die längste Zeit versichert hatte, eine Impfpflicht werde es nicht geben - und kurz vor Weihnachten eine Volte ankündigte. Jetzt komme die Impfpflicht, so die Verfassungsministerin, als Ultima Ratio. Und sie komme nicht wegen der schnell steigenden Inzidenz durch Omikron, die eine generelle Debatte über den Sinn der Impfpflicht ausgelöst hatte, so der Gesundheitsminister, sondern trotzdem: Die Impfpflicht solle langfristig nützen und im Zweifel auch weitere Virusvarianten abdecken.

Auf die Verwaltungsgerichte könnte eine Klagewelle zukommen

Der Widerstand dürfte beträchtlich sein. Gegen das Projekt waren im Begutachtungsverfahren, das dem endgültigen Gesetzestext und der Befassung im Parlament an diesem Donnerstag vorausging, mehr als 100 000 Stellungsnahmen eingegangen, die allermeisten wütende Einsprüche von Impfgegnern. Auf die Verwaltungsgerichte könnte eine Klagewelle zukommen, das Verfassungsgericht dürfte mit der Impfpflicht befasst werden. Und selbst in den Fraktionen, die dem Projekt grundsätzlich zustimmen, gibt es Abgeordnete, die bereits ein Nein angekündigt haben. Gar nicht zu reden von der rechtspopulistischen FPÖ, die Impfgegner im Land zusätzlich aufhetzt und mit Rechtsradikalen gemeinsame Sache macht.

Starten soll die Impfpflicht trotz aller Wider- und Einsprüche, trotz aller technischer Probleme nun zum 1. Februar. Theoretisch zumindest. Denn praktisch ist ein Drei-Phasen-Modell angedacht. Erst einmal wird jeder Haushalt schriftlich informiert. Ab Mitte März erst soll im öffentlichen Raum stichprobenartig kontrolliert werden; ab dann können Strafen von bis zu 600 Euro ausgesprochen werden. Erst in einer dritten Phase werde ein Impftermin zugeordnet, wer dann immer noch uneinsichtig sei, bekomme automatisch eine Strafverfügung zugeschickt. Diese dritte Phase müsse aber, so Nehammer, nur eintreten, wenn sich bis dahin nicht genügend Menschen hätten impfen lassen. Man strebe eine Impfquote von 90 Prozent an, wolle aber "flexibel reagieren" können. Derzeit sind etwa 78 Prozent der Österreich ein- oder mehrmals geimpft.

Die Impfpflicht soll ab 18 Jahren gelten, Schwangere und Menschen mit medizinischer Indikation sowie Genese in den ersten sechs Monaten nach der Infektion sind ausgenommen. Es soll keine Beugehaft, keine Freiheitsstrafen geben. Nach vier Verwaltungsstrafen pro Jahr ist Schluss. So wolle man laut Verfassungsministerin "Willkür verhindern".

In den österreichischen Medien und unter Experten waren die Reaktionen sehr gemischt. Man könne sich "freikaufen", hieß es, das Modell sei zahnlos. Die renommierte Verfassungsjuristin Irmgard Griss kritisierte, dass es in der Eingangsphase keine Konsequenzen gebe. Sie plädierte für die frühe Zuweisung von Impfterminen und Sanktionen ab 1. April.

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