Impfpflicht:Kleiner Pikser, große Wirkung

Impfung

145 Jahre nach der ersten Impfpflicht - gegen Pocken - in Deutschland, soll nun der Masernschutz gesetzlich vorgeschrieben werden. <ET>

(Foto: dpa)

Eltern sollen verpflichtet werden, ihre Kinder gegen Masern impfen zu lassen. Was bedeutet der Plan von Minister Spahn für die 700 000 Menschen, die bisher nicht geschützt sind? Und was für die, die sich verweigern?

Von Ulrich Schäfer

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist dafür, die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und SPD-Chefin Andrea Nahles sind es auch: Die Impfpflicht für Masern wird kommen. Was aber genau plant das Gesundheitsministerium in seinem Masernschutzgesetz? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Welche Kinder müssen geimpft werden?

Alle Kinder, die in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut werden - also in einer Kita, einem Kindergarten, einer Grundschule, einer weiterführenden Schule oder einem Hort. Soll ein Kind dort künftig aufgenommen werden, müssen die Eltern nachweisen, dass es die erste und die zweite Masernimpfung absolviert hat. Auch bei allen Kindern, die schon jetzt eine solche Gemeinschaftseinrichtung besuchen, müssen die Eltern bis zum 31. Juli 2020 den Nachweis erbringen, dass ein ausreichender Impfschutz vorliegt. Sie können entweder den gelben Impfausweis vorlegen oder eine ärztliche Bescheinigung, die eine Immunität gegen Masern attestiert.

Wann werden Kinder üblicherweise gegen Masern geimpft?

Säuglinge können laut Gesundheitsministerium frühestens im Alter von neun Monaten geimpft werden - sobald ihr natürlicher Impfschutz nachlässt. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt zwei Impfungen: Die erste sollte zwischen dem elften und dem dreiundzwanzigsten Lebensmonat erfolgen, die zweite vier Wochen später. So soll sichergestellt werden, dass Kinder im Alter von zwei Jahren geschützt sind. Wollen Eltern ihr Kind in einer Kita betreuen lassen, sollten sie mit dem Impfen bereits im Alter von neun Monaten beginnen, empfiehlt die Stiko.

Wer muss sich noch impfen lassen?

Der Gesetzentwurf gilt auch für alle Menschen, die in Gemeinschaftseinrichtungen arbeiten und dort in Kontakt mit Kindern kommen: Erzieher, Lehrer, Hausmeister, aber auch Küchenpersonal und Reinigungskräfte. Auch Mitarbeiter von Arztpraxen und Kliniken, die Kontakt mit Patienten haben, müssen sich gegen Masern impfen lassen oder einen entsprechenden Impfschutz nachweisen.

Wie viele Menschen betrifft das Gesetz?

Das Gesundheitsministerium rechnet damit, dass sich im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. März 2020 weit mehr als 700 000 Kinder und Erwachsene impfen lassen, die bislang über keinen ausreichenden Impfschutz verfügen. Den Schätzungen zufolge müssen allein 79 000 Kinder geimpft werden, die in eine Kindertagesstätte oder einen Kindergarten aufgenommen werden sollen. Auch 71 000 Erstklässler, die eingeschult werden, brauchen demnach einen Schutz, zudem eine noch ungeklärte Zahl von Kindern, die auf eine weiterführende Schule wechseln. Außerdem müssen 361 000 Kinder, die schon jetzt eine Kita oder einen Kindergarten besuchen, gegen Masern geimpft werden, ferner 160 000 Mitarbeiter von Schulen und Kitas und 60 000 Angestellte von Kliniken und Arztpraxen.

Welche Konsequenzen drohen, wenn man nicht impfen lässt?

Ist ein Kind nicht gegen Masern geimpft, kann es vom Kita- oder Kindergartenbesuch ausgeschlossen werden. Schulkindern droht kein Ausschluss, denn das widerspräche der Schulpflicht. Allerdings kann das Gesundheitsamt ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro verhängen. Auch die Leiter von Schulen, Kitas oder Kindergärten, die ein ungeimpftes Kind aufnehmen und das Gesundheitsamt mithin nicht über die unzureichende Masernimpfung informieren, müssen mit einem Bußgeld von bis zu 2500 Euro rechnen.

Verlangt das Gesetz auch einen Impfschutz gegen andere Krankheiten?

Ja und nein. Jens Spahn hat sein Vorhaben "Masernschutzgesetz" getauft, dem neuen Trend in Berlin folgend, Gesetze mit einfachen, griffigen Namen zu versehen. So erweckt er den Eindruck, als reiche es aus, sich allein gegen diese Krankheit immunisieren zu lassen. Jedoch räumt das Bundesgesundheitsministerium in seinem Entwurf ein praktisches Problem ein. Die Pharmahersteller bieten derzeit nur Kombinationsimpfstoffe an, mit denen man gegen drei oder vier Krankheiten gleichzeitig geimpft wird: gegen Masern, Mumps und Röteln - oder zusätzlich auch noch gegen Windpocken. Diese Drei- oder Vierfachimpfungen haben den Vorteil, dass kleine Kinder nicht mehr so oft gepikst werden wie früher. Allerdings führen die Kombinationsimpfstoffe nun dazu, dass die Regierung de facto nicht bloß eine Impfung gegen Masern, sondern auch gegen zwei bis drei weitere Krankheiten zur Pflicht macht. Solange die Hersteller den Masern-impfstoff nicht wieder separat anbieten, müsse dieser Nachteil "angesichts des erwarteten Nutzens der Masernimpfung in Kauf genommen" werden.

Soll es Ausnahmen von der Pflicht geben?

Ja, wenn eine Allergie gegen den Impfstoff besteht oder jemand akut erkrankt ist.

Wer führt die Impfungen durch?

Das Gesundheitsministerium stellt in seinem Gesetzentwurf klar, dass grundsätzlich alle Ärzte dazu berechtigt sind, Schutzimpfungen vorzunehmen. Dadurch sei es möglich, "jeden Arztbesuch von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen dafür nutzen zu können, den Impfstatus zu überprüfen und fehlende Impfungen möglichst umgehend nachzuholen".

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