Debatte zu Corona-Impfungen:Kritik an Impfpflicht-Vorschlag für medizinische Berufe

Corona-Impfung in der Messehalle der Hanse Messe Rostock

Die Impfkampagne hat begonnen, so wie hier in der Messehalle der Hanse Messe Rostock. Doch soll es auch eine Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen geben?

(Foto: imago images/imago images/Fotoagentur Nordlic)

Bayerns Ministerpräsident Söder bringt die Idee von verpflichtenden Impfungen für Pflegekräfte ins Spiel. Und erntet Widerspruch bei Berufsverbänden und aus der Politik.

Von Dietrich Mittler

Mit seinem Vorstoß, angesichts der vielen Corona-Infizierten in Pflegeeinrichtungen für bestimmte Berufsgruppen eine Impfpflicht einzuführen, stößt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf entschiedenen Widerstand. Söder erwähnte in diesem Zusammenhang gezielt die Pflegekräfte. Georg Sigl-Lehner, der Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern, erklärte am Dienstag: "Die Diskussion um eine Impfpflicht ist augenblicklich nicht sehr zielführend. Wir lehnen eine Impflicht für bestimmte Berufsgruppen ausdrücklich ab."

Er setze bei der Corona-Impfung dezidiert auf Freiwilligkeit. Die Pflegenden in Bayern seien ohnehin bis an den Rand gefordert, die bereits bestehenden Auflagen zur Sicherheit zu erfüllen. "Unsere Erfahrung ist: Wo eine gute Information stattgefunden hat, steigt auch die Impfbereitschaft", sagte Sigl-Lehner. Er selbst sei auch geimpft - "und es ist gar kein so schlechtes Gefühl, wenn man geimpft ist".

Nach Sigl-Lehners Beobachtung bestehe unter Bayerns Pflegekräften "auch keine generelle Impfablehnung, sondern vielmehr ein Informationsdefizit - etwa bezüglich der Nebenwirkungen des Impfstoffs". So höre er etwa von jungen Frauen, die Einwirkungen auf ihre geplante Schwangerschaft befürchten. Diesen Ängsten gelte es nun durch gesicherte Informationen entgegenzutreten. "Wir haben bereits im Dezember mit einer Informationsveranstaltung zur Impfung den ersten Schritt gemacht." Weitere Veranstaltungen - übertragen auf Video - sollen folgen.

Widerstand gegen die von Ministerpräsident Söder eingeforderte Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen kommt auch von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG). Roland Engehausen, der neue BKG-Geschäftsführer, erklärte auf Nachfrage: "Wir halten davon nichts." Zwar sehe er ganz deutlich die Notwendigkeit, dass sich die Beschäftigten in den Krankenhäusern impfen lassen - aber das müsse freiwillig geschehen. Und es geschehe bereits jetzt in hohem Maße aus eigenen Stücken. "Das ist jetzt der falsche Zeitpunkt, über das Thema Impfpflicht zu reden", betonte Engehausen. Und: "Das gießt augenblicklich nur Öl ins Feuer der Impfgegner", sagte der BKG-Geschäftsführer.

Denn die Öffentlichkeit erinnere sich nur zu gut daran, dass die Politik die Zusicherung gegeben habe, dass die Corona-Impfung auf freiwilliger Basis erfolge. Jetzt gelte es erst einmal, auf breiter Basis mehr Informationen zur Impfung zur Verfügung zu stellen. "Wir werden alles dazu tun, dass dies in unserem Bereich geschieht", fügte Engehausen hinzu.

Auch Politiker äußern Unverständnis und Kritik

Wolfgang Krombholz, der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), würde lieber von "einer persönlichen Verpflichtung zur Impfung" als von einer gesetzlichen Impfpflicht sprechen. "Ein heikles Thema", sagte er. Natürlich sehe er hier "eine gewisse Verpflichtung jedes Einzelnen der Gesellschaft gegenüber". Aber eine von oben angeordnete Impfung könne Folgen haben, die niemand will. "Wenn man jetzt das Problem der Pflege bei der Personalgewinnung größer machen will, sprich, auch noch einige Pflegekräfte aus dem Beruf verscheuchen will, dann muss man die Impfpflicht für diese Berufsgruppe fordern", so gibt Krombholz Kommentare wieder, mit denen sich Kollegen an ihn wenden.

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBP) hat seine Kritik an der Impfpflicht für Pflegekräfte dementsprechend bereits mitgeteilt. "Wir sind gegen eine Impfpflicht und kritisieren auch die aktuelle Berichterstattung über die mangelnde Impfbereitschaft beruflich Pflegender, da es bislang unserer Kenntnis nach keine repräsentativen Zahlen dazu gibt", betont die Vorsitzende des DBP, Christel Bienstein.

Widerspruch erntet Söder nicht nur von Vertretern aus dem Gesundheitswesen. Auch Politiker äußern Unverständnis und Kritik. Er verstehe zwar, dass man auf diese Idee komme, so Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags im SWR. Aber der Gedanke komme zur falschen Zeit. "Wir haben noch nicht alles ausgereizt, was Überzeugungsarbeit angeht", sagt er. "Und jetzt zu sagen, wir können euch nicht überzeugen, also zwingen wir euch, das kommt mir etwas zu früh."

Noch deutlicher in seiner Ablehnung wird Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). "Im Moment über eine Impfpflicht zu spekulieren, verbietet sich", gibt Heil bei RTL/ntv zu Protokoll. "Ich halte den Weg für richtig, den wir eingeschlagen haben, nämlich, dass wir keine Impfpflicht einführen." Bei Pflegekräften und Medizinern müsse man stattdessen mehr werben. "Ich will vor allem Impfakzeptanz."

Auch seitens der Landtags-Opposition regt sich Widerstand. Christina Haubrich, die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, erklärte: "Dieser Vorstoß von Markus Söder war möglicherweise unbedacht, in jedem Fall aber unklug." Statt durch Aufklärung und motivierende Kommunikation die Impfbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger zu fördern, sorge Söder für Verunsicherung. "Einen Impfzwang darf es in Deutschland nicht geben - nicht für einzelne Bevölkerungs- oder Berufsgruppen und schon gar nicht für die gesamte Bevölkerung", sagte Haubrich.

Ruth Waldmann, die gesundheitspolitische Sprecherin der Landtags-SPD, forderte den Ministerpräsidenten auf, doch vielmehr darauf zu schauen, warum Pflegekräfte immer noch Bedenken gegen die Impfung haben. Sie rechne ohnehin damit, dass es Häuser geben werde, die ihren Beschäftigten gegenüber erklären, eine Impfung gegen Corona gehöre grundsätzlich zum Hygiene-Konzept der Einrichtung - im Sinne von: "Bei uns kann nur geimpftes Personal eingesetzt werden." Dafür hätte sie Verständnis, sagte Waldmann. Weltweit seien bereits "viele Millionen an Impfdosen verabreicht worden, ohne dass große Komplikationen bekannt wurden".

Mit Material der Agenturen

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