Bund-Länder-Treffen:Frohe Botschaft verzweifelt gesucht

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Erst die Impfpriorisierung freigeben - und dann die Biergärten für Geimpfte? Ein Bild aus Berlin vom vergangenen Juni. (Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Nach dem Chaos vor Ostern standen die Bundesländer beim Impfgipfel unter besonderem Druck, ein gutes Bild abzugeben, am besten mit einer positiven Botschaft. Die gab es tatsächlich - Beschlüsse hingegen nicht.

Von Angelika Slavik, Berlin

Am frühen Abend sitzen sie nun also vor der Presse, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der verhinderte Kanzlerkandidat Markus Söder (CSU). Es war, sagt der Bayer nicht ohne Pathos, "eine Ministerpräsidentenkonferenz der Hoffnung".

Das ist natürlich ziemlich dick aufgetragen, aber, zumindest das muss man ihm lassen, es war auch nicht irgendeine Konferenz an diesem Montag in Berlin. Es ist die erste Beratung der Länderchefs mit der Kanzlerin seit den schon legendären Chaosveranstaltungen vor Ostern, als diese Runde erst mitten in der Nacht eine "Osterruhe" beschlossen hatte, um sie mangels Umsetzbarkeit kaum 30 Stunden später wieder zu kassieren.

Deshalb gab es zwei verschiedene Aufgaben an diesem Tag: Die Unterredung sollte mehr Klarheit bringen bei all den komplizierten Fragen, die rund um das Pandemiemanagement in Deutschland im Raum stehen. Sollte man die Impfpriorisierung aufheben - und wenn ja, wann? Und sollen jene, die eine Impfung ergattert haben, künftig von Ausgangssperren und Quarantäneregeln, von Testpflichten und Kontaktbeschränkungen befreit werden?

Die Antworten fallen vage aus. Die Grundrechte sollen schnellstmöglich zurückgegeben werden, die Impfpriorisierung spätestens im Juni fallen. Einen formalen Beschluss gibt es nicht. Aber das war ja auch nur die erste, die inhaltliche Aufgabe an diesem Tag. Wichtiger war die zweite: die Mission Ehrenrettung.

Denn das Durcheinander vor Ostern sollte sich als Wendepunkt in der deutschen Pandemiepolitik erweisen. Die Bundesregierung drückte in der Folge eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes durch den Bundestag. Seither sind die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in einem Bundesgesetz geregelt - und seit dem vergangenen Wochenende in Kraft, anzuwenden, sobald der Inzidenzwert einer Region den Schwellenwert 100 überschreitet. Das ist aktuell so gut wie überall der Fall, abgesehen von Schleswig-Holstein. Virusbekämpfung ist nun also faktisch Bundessache. Dazu hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung, ob das nun gerecht sein mag oder nicht, ein Bild manifestiert: das von Bundesländern, die partout kein geordnetes Corona-Management auf die Reihe kriegen. Die Beschlüsse fassen, an die sie sich dann selbst nicht halten.

Für Biontech gibt es überall viel Lob

Wie sehr dieser Machtverlust und die öffentliche Schmähung die Länderchefs getroffen haben, konnte man vergangene Woche im Bundesrat erleben. Über alle Parteigrenzen hinweg zeigten sich die Ministerpräsidenten ungewohnt emotional, geradezu empört über die neue "Bundesnotbremse". Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) nannte das Gesetz einen "Tiefpunkt in der föderalen Kultur der Bundesrepublik Deutschland" und konstatierte "obrigkeitsstaatliche Vorschriften". Sein Parteikollege Tobias Hans aus dem Saarland sagte, ob die "Kompetenzverlagerung auf die Bundesebene eine wirkungsvollere Art der Pandemiebekämpfung" bringen werde, "dieser Beweis ist noch nicht erbracht. Und der muss erbracht werden". Bodo Ramelow (Linke), Ministerpräsident aus Thüringen, ließ wissen, er habe massive Zweifel an der Praktikabilität des Bundesgesetzes. "Ich weiß nicht, wie ich das umsetzen soll." Sogar Stephan Weil (SPD), Regierungschef von Niedersachsen und üblicherweise die Verbindlichkeit in Person, fauchte: Dieses Gesetz sei "kein großer Wurf, weiß Gott nicht". Er sei im Übrigen schon "sehr gespannt" auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Nach all dem Frust ist die Ministerpräsidentenkonferenz an diesem Montag also die Gelegenheit für die Länder, etwas für Image und Ego zu tun. Auch deshalb mühen sich vor allem Müller und Merkel wohl um einen geordneten Auftritt: ein Kontrapunkt zu dem chaotischen Treffen vor Ostern. Nur Markus Söder will da nicht mitspielen. Die Diskussion sei durchaus "sehr kontrovers" gewesen, lässt er wissen. Und referiert, wie "absurd" es doch wäre, müssten sich Geimpfte weiterhin testen lassen und Quarantänebestimmungen einhalten. Aber trotzdem sei das Treffen heute "ein Signal des Optimismus".

Frohe Botschaften zu überbringen, ist in dieser Pandemie ja ein seltenes Privileg - in den vergangenen Tagen versuchten es einige Länder schon mal und hoben die Priorisierung für das Vakzin von Astra Zeneca auf. Denn zumindest hier sind die Länder immer noch handlungsfähig, das ist ihre Zuständigkeit. In Sachsen, Bayern, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gibt es bei diesem Impfstoff nun keine Voraussetzungen in Bezug auf Alter, Vorerkrankungen, Beruf oder Pflegesituation mehr, auch wenn die Zahl der Impftermine natürlich dennoch begrenzt ist.

Wie schnell sich das ändert, hängt auch davon ab, ob es gelingt, noch weitere Hersteller in die deutsche Impfkampagne einzubinden. Bislang kommt das Gros des für Deutschland bestellten Impfstoffes von Biontech. Über diesen Hersteller ist man im Bundesgesundheitsministerium voll des Lobes. Alle Lieferzusagen werden tagesgenau eingehalten. Auch mit Moderna gibt es kaum Probleme, dieser Hersteller ist aber nur für einen vergleichsweise kleinen Teil der Dosen verantwortlich. Komplizierter ist die Lage mit Astra Zeneca. Das Unternehmen liefert unregelmäßig und hält auch die zugesagten Mengen nicht immer ein. Dass die EU-Kommission deshalb nun juristisch gegen Astra Zeneca vorgeht, findet man in Berlin nur mäßig schlau. Die Kooperationsbereitschaft des Unternehmens werde dadurch vermutlich nicht steigen, so hört man.

Sputnik V könnte alles beschleunigen, aber wann?

Ganz neu ist der Wirkstoff von Johnson & Johnson, zehn Millionen Dosen sollen bis Ende Juni nach Deutschland geliefert werden. Noch ohne Zulassung ist das Vakzin von Curevac. Der Tübinger Hersteller war einst ein großer Hoffnungsträger, wurde dann aber von der Konkurrenz überholt. Unklar ist die Lage bei Sputnik V, das russische Vakzin wird in einigen Ländern schon im großen Stil verimpft, für eine europäische Zulassung fehlt aber noch eine große Menge an Daten. Ob und wann diese Daten eingereicht werden, ist unklar. Um die deutsche Impfkampagne maßgeblich voranzubringen, müsste Sputnik V aber schnell in großen Mengen verfügbar sein. Ein neuer Impfstoff, der etwa erst im September auf den Markt kommen würde, würde nichts mehr bringen, weil man in Berlin damit rechnet, dass spätestens im Sommer mehr als genug Impfstoff vorhanden ist.

Das war die Ausgangslage, auf deren Basis die Länderchefs und die Kanzlerin am Montag berieten, aber dann eben keine festen Beschlüsse fassen wollten - das macht die Sache mit dem geordneten Auftritt eben gleich viel leichter.

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