Coronavirus:Ein Versprechen von Freiheit

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Kinder spielen im Gardasee in Italien im Wasser. (Foto: Westend61/imago)

Die EU einigt sich auf einen digitalen Impfnachweis für alle Mitgliedstaaten. Werden die Europäer damit schon im Sommer verreisen können, als sei nichts gewesen? Das hängt auch von Virus-Mutanten ab: Deutschland beschränkt bereits Einreisen aus Großbritannien.

Von Björn Finke, Brüssel, und Angelika Slavik, Berlin, Brüssel/Berlin

Der Sommer ist ein Sehnsuchtsziel, schon immer und in dieser Pandemie noch mehr als sonst. Im Sommer werde alles wieder gut, hieß es im Winter, als die Infektionszahlen hoch waren und der Frust auch. Man müsse durchhalten, um den Sommer zu retten, hieß es im Frühjahr, als sich der Lockdown endlos anfühlte. Nun aber ist der Sommer nah, die Inzidenzwerte sinken immer weiter, und der Bundesgesundheitsminister verspricht: Er wird wirklich schön, dieser Sommer.

Ob der schöne Sommer auch schöne Reisen ermöglicht? Die EU hat sich nun immerhin auf einen digitalen Impfpass geeinigt. Dieser soll Reisen mindestens europaweit ermöglichen, weil Bürgerinnen und Bürger so in der Lage sein sollen, ihren Impfstatus jederzeit unkompliziert nachzuweisen. Der digitale Impfpass soll also Freizügigkeit während der Pandemie ermöglichen. Am Donnerstagabend einigten sich das Europaparlament und der Ministerrat, das Entscheidungsgremium der Mitgliedstaaten, auf die entsprechende Verordnung. Sie soll im Juni verabschiedet werden und am 1. Juli in Kraft treten.

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Das sei nötig, um regulären Unterricht zu ermöglichen, nur Biontech sei für diese Altersgruppe zugelassen. Impfungen sollen laut einer Studie auch gegen die erstmals in Indien aufgetretene, wohl besonders ansteckende Variante gut wirken.

Konkret soll dieses digitale Zertifikat in Form eines QR-Codes auf Papier oder auf dem Smartphone den Nachweis über eine Impfung, einen aktuellen, negativen Corona-Test oder eine überstandene Covid-19-Erkrankung liefern. Das EU-Gesetz zwingt die Staaten, nationale Systeme für entsprechende Zertifikate aufzubauen. Diese müssen technisch so gestaltet sein, dass die Zertifikate und ihr QR-Code auch im EU-Ausland gescannt werden können. Ein deutscher Impfnachweis soll also von französischen Grenzbeamten ebenso kontrolliert werden können wie von einer Gastronomin in Portugal, weil die Systeme zwar unterschiedlich, aber alle miteinander kompatibel sein sollen. Die EU-Kommission stellt dazu ein sogenanntes Gateway zur Verfügung, das grenzüberschreitende Abfragen ermöglicht, um die Echtheit eines Zertifikats prüfen zu können.

Laut dem Beschluss müssen alle EU-Mitgliedsländer am 1. Juli in der Lage sein, Zertifikate aus dem EU-Ausland zu scannen und zu prüfen. Allerdings setzten die Mitgliedstaaten eine sechswöchige Übergangsfrist durch, dank der sie zwar von Juli an andere Zertifikate prüfen, aber erst Mitte August mit dem Ausstellen eigener digitaler Impfnachweise beginnen müssen. In Deutschland soll das System aber in vollem Umfang pünktlich zur Verfügung stehen, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag. Bis Juli würden 50 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland mindestens einmal geimpft sein, prognostizierte er.

Millionen Menschen werden allerdings geimpft, noch bevor der digitale Impfnachweis zur Verfügung steht. Für sie muss also nachträglich ein Impfzertfikat zur Verfügung gestellt werden. Die Frage, wer diesen Verwaltungsaufwand schultern soll, wird seit Tagen heftig diskutiert - Ärztevertreter warnten, dass Praxen durch die vielen Anfragen von Impfwilligen ohnehin massiv überlastet seien. Die nachträglichen Impfnachweise von den Hausärzten ausstellen zu lassen, sei also wegen des bürokratischen Aufwands unzumutbar. Spahn sagte, die Aufgabe sollten Praxen, Impfzentren und Apotheken gleichermaßen erledigen. Zudem prüfe man, ob es möglich sei, die QR-Codes nachträglich einfach per Post zu verschicken.

Reisen sei aber jedenfalls auch mit dem bekannten gelben Impfpass aus Papier möglich: "Der gelbe WHO-Ausweis ist internationaler Standard." Es gebe keine Verpflichtung, auf den digitalen Impfnachweis umzusteigen, man könne auch weiterhin den Papierpass nutzen. Das ist vielleicht "nicht so praktisch", so Spahn, bei Reisen aber kein Hinderungsgrund.

Auf EU-Ebene war ein großer Streitpunkt, welche Vorteile die Nachweise für Test, Impfung oder überstandene Erkrankung denn bieten sollen. Die EU-Abgeordneten wollten zunächst durchsetzen, dass Reisende mit Zertifikat keinerlei Test- oder Quarantänepflichten unterliegen. Die Mitgliedstaaten argumentierten aber, dass solche Entscheidungen ihre nationale Kompetenz seien. Am Ende stand ein Kompromiss, demzufolge Regierungen Reisenden mit Zertifikat keine Auflagen machen sollen - es sei denn, dies sei "nötig und verhältnismäßig" im Kampf gegen die Pandemie. Das könnte etwa bei Virus-Mutanten der Fall sein.

Eine solche ist die indische Variante: Weil diese sich in Großbritannien stark ausbreitet, stuft die Bundesregierung das Land von Sonntag an als so genanntes Virusvariantengebiet ein, teilte das Robert-Koch-Institut am Freitagabend mit. Damit wird die Einreise aus Großbritannien nach Deutschland drastisch beschränkt. Fluggesellschaften, Bus- und Bahnunternehmen dürfen nur noch deutsche Staatsbürger oder in Deutschland lebende Personen nach Deutschland befördern. Für Einreisende gilt eine zweiwöchige Quarantänepflicht, die nicht durch negative Tests verkürzt werden kann.

Nicht nur deshalb könnte Reisen immer wieder kompliziert werden - zum Beispiel für Eltern mit ungeimpften Kindern. Auf welche Hürden sie sich bei internationalen Urlaubreisen einstellen müssten, darauf wollte sich Spahn am Freitag nicht festlegen. Er verstehe das Bedürfnis nach Urlaubsplanung "nach den dunklen Monaten des Winters". Er empfehle aber Reiseziele mit niedriger Inzidenz. Bei Flugreisen werde jedenfalls jeder bei der Rückkehr getestet, ob geimpft oder nicht. Quarantäneauflagen seien zudem jederzeit möglich, so Spahn, der Ferien in der Heimat empfahl: "Also ich mache Urlaub in Deutschland, einmal im Jahr."

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