Süddeutsche Zeitung

Impeachment:Wann es für Trump eng wird

Der US-Präsident liefert viele Gründe für ein Strafverfahren gegen ihn. Doch die Hürden dafür sind hoch. Mehr Erfolg könnte ein Amtsenthebungsverfahren versprechen.

Von Reymer Klüver

Julie O'Sullivan hat einen guten Rat für den Präsidenten. "Er braucht jetzt wirklich einen Anwalt", sagte die Strafrechtsexpertin der New York Times . Donald Trump selbst liefere gerade Tag für Tag mehr Indizien dafür, dass er sich strafbar gemacht haben könnte. Mit diesem Verdacht steht die Rechtsprofessorin von der Georgetown University nicht allein. Längst kursiert im Washingtoner Kongress, wohlgemerkt bei Demokraten und Republikanern, wieder das "I-Wort": impeachment - die Amtsenthebung des Präsidenten.

Alles dreht sich dabei um die Frage, ob sich Trump eines schweren Vergehens im Amt schuldig gemacht haben könnte. Damit ist zunächst einmal nicht der eher groteske Umstand gemeint, dass Trump im Gespräch mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in der vergangenen Woche Staatsgeheimnisse ausgeplaudert haben könnte - mit der peinlichen, vielleicht tragischen Konsequenz, dass damit geheimdienstliche Quellen im Kampf gegen die Terrororganisation IS versiegen könnten. Der Präsident darf jederzeit qua Amt, was in den USA declassifying genannt wird: geheimen Unterlagen den Geheimhaltungsstempel entziehen.

Die persönliche Loyalität des FBI-Direktors zu verlangen, hat sicherlich Hautgout

Ungleich brisanter ist eine andere Sache: Hat sich Trump vielleicht der Behinderung der Justiz schuldig gemacht, als er den FBI-Chef James Comey darum bat, die Ermittlungen gegen seinen damals gerade gefeuerten Sicherheitsberater Michael Flynn einzustellen?

Bereits vor dieser unter vier Augen vorgetragenen Bitte hatte der Präsident Comey gefragt, ob der FBI-Chef ihm persönlich loyal dienen könne. Comey hatte darauf nach eigenem Bekunden ausweichend reagiert. So hat er es jedenfalls wohl in einem seiner Memos festgehalten. Die persönliche Loyalität des FBI-Direktors zu verlangen, hat sicher einen Hautgout. Der Chef der US-Verbrechensbekämpfung sollte Loyalität allein Gesetz und Verfassung gegenüber schuldig sein. Strafbar aber ist Trumps Drängen, so es denn geschehen ist, zunächst nicht.

Sollte der Präsident aber Comey tatsächlich gebeten haben, das Verfahren gegen Flynn fallen zu lassen, so wie Comey es notiert hat, könnte das als Behinderung der Justiz gewertet werden. Letzteres wäre nicht nur der Fall, wenn man Ermittlungen zu "unterbinden" oder zu "behindern" sucht, wie es im US-Strafrecht heißt, sondern auch schon, wenn man sie zu "beeinflussen" versucht. Das Strafmaß für Behinderung der Justiz ist sehr unterschiedlich. Es reicht von einer Geldstrafe bis hin zu langjährigen Haftstrafen.

Doch auch Trumps Drängen in der Causa Flynn wäre an sich nicht unbedingt ein strafwürdiges Vergehen. Denn nach US-Recht kommt es wesentlich darauf an, ob die Behinderung der Justiz mit Absicht ins Werk gesetzt wird, ob sie quasi von Amts wegen geschieht - etwa um zu verhindern, dass Staatsgeheimnisse veröffentlicht werden - oder ob sie aus Versehen passiert. Was man bei Trump und seinen vielen unbedachten Äußerungen ja durchaus annehmen könnte. Doch Trump hat seinen FBI-Direktor gefeuert, nachdem der seinem Drängen nicht nachgegeben hatte. Das könnte als Beleg dafür gelten, dass der Präsident mit unlauteren Absichten Comey um die Einstellung des Verfahrens bat.

Am Ende ist alles eher eine politische Frage

Das Weiße Haus indes bestreitet vehement, dass es eine Unterredung mit einer entsprechenden Bitte Trumps überhaupt gegeben hat. Nun steht Wort gegen Wort, das des Präsidenten gegen das des FBI-Direktors. Sollte es Comeys Memos geben, und daran dürfte kein Zweifel bestehen, weil New York Times und Washington Post gleichlautend daraus zitieren, ist das zunächst einmal nicht gut für den Präsidenten. Denn vor US-Gerichten haben Aussagen von FBI-Agenten, zumal wenn sie unmittelbar nach dem Ereignis schriftlich festgehalten werden, üblicherweise die Kraft eines Beweises. Comeys Notizen wiegen also schwer.

Noch schwerer dürften indes Tonaufzeichnungen der Gespräche wiegen. Weshalb Jason Chaffetz, der Vorsitzende des House Oversight Committee, einer Art Dauer-Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses, vom Weißen Haus die Herausgabe der Mitschnitte der Gespräche verlangt hat - sollte es sie denn tatsächlich geben.

Doch am Ende ist alles weniger eine juristische als eine politische Frage. US-Präsidenten besitzen zwar nur als Amtspersonen Immunität - sie können etwa wegen eines fehlgeleiteten Bombenangriffs nicht zur Rechenschaft gezogen werden, den sie als Oberbefehlshaber angeordnet haben. Belangt werden können sie nur für strafbare Handlungen, die sie persönlich begangen haben - also etwa Behinderung der Justiz. Aber das dürfte dann doch eher eine theoretische Frage sein. Denn welcher Justizminister wird schon ein Verfahren gegen seinen Chef eröffnen?

Das kann indes der Kongress. Wenn es dem Präsidenten "Verrat, Bestechlichkeit und andere schwere Verbrechen und Vergehen" vorwirft, kann das Parlament laut Verfassung ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. Was aber schwere Verbrechen und Vergehen sind, das zu bestimmen, liegt allein beim Kongress. Gefeuert werden kann der Präsident im Prinzip also für jedes Vergehen - wenn sich denn dafür eine Zweidrittelmehrheit im Senat findet.

In jüngerer Zeit gab es zwei Impeachment-Verfahren. 1974 gegen Richard Nixon, 1998 gegen Bill Clinton. Nixon kam der Amtsenthebung durch Rücktritt zuvor, gegen Clinton fand sich keine ausreichende Mehrheit. Beiden aber wurde dasselbe vorgeworfen: Behinderung der Justiz. So wie Trump.

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SZ vom 18.05.2017/jly
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