Süddeutsche Zeitung

Waffenlieferungen an Kiew:Trumps Ukraine-Politik im Faktencheck

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Von Florian Hassel, Warschau

Präsident Donald Trump war beim Treffen mit Präsident Wolodimir Selenskij am Rande der UN-Vollversammlung in New York voll des Lobes - für sich selbst. Während sein Vorgänger, Präsident Barack Obama, den Ukrainern nur "Kissen und Bettlaken" geschickt habe, lieferten die USA nun Panzerfäuste. Gemeint waren Javelin-Panzerabwehrraketen, die auch moderne russische Panzer zerstören können.

Doch Trumps Behauptung am 26. September hatte mit der Realität ebenso wenig zu tun wie die Feststellung, Europäer täten nichts für die Ukraine. Zu Beginn des Krieges im Osten des Landes 2014 galten gerade 6000 ukrainische Soldaten als wirklich kampffähig. Um dies zu ändern, bildeten US-Offiziere - zusammen mit Engländern und Kanadiern, Polen und Litauern - auf dem Truppenübungsplatz Jaworiw westlich von Lemberg seit 2015 Zehntausende Ukrainer aus. Erst am 16. November haben weitere 1350 ukrainische Soldaten ihr Training beendet.

Der Konflikt in der Ukraine und US-Waffenlieferungen an das Land - all dies würde in den Vereinigten Staaten wohl weiterhin unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung laufen, wenn nicht die Impeachment-Anhörungen im Kongress liefen. Die Demokraten werfen Präsident Donald Trump vor, sein Amt missbraucht zu haben, um die ukrainische Regierung dazu zu drängen, sich zu seinen Gunsten in den US-Wahlkampf einzumischen. Konkret geht es um Trumps Wunsch nach Ermittlungen gegen den Sohn seines Widersachers Joe Biden, der Aufsichtsrat einer umstrittenen ukrainischen Firma war. Es besteht der Verdacht, dass Trump Militärhilfe gegenüber Kiew als Druckmittel einsetzte. Die Republikaner stehen in Treue zu Trump und stellen die Anschuldigungen als politische Hexenjagd da.

Schon unter Obama lieferten die USA Hunderte Schützenpanzer, Scharfschützengewehre, Nachtsichtbrillen und moderne Radargeräte. Die offizielle Lieferung von Waffen wie die Javelin-Panzerfäuste schloss Obama allerdings tatsächlich aus. Doch private Waffenverkäufe wurden genehmigt: So lieferte etwa die Firma Air Tronic der Ukraine 100 moderne PSRL-1-Panzerfäuste, wie der Forscher Aric Toler herausfand. Insgesamt lieferte Washington 2014 bis 2019 Militärgüter im Wert von 1,5 Milliarden Dollar.

Trump weitete die Lieferung solcher Waffen aus - allerdings teils nur auf dem Papier. So werden 210 im April 2018 gelieferte Javelin-Raketen in der Westukraine aufbewahrt, mutmaßlich in Jarowiw, rund 1300 Kilometer von der Front im Donbass entfernt. Gleichwohl soll schon die Stationierung der - offiziell nur zum defensiven Einsatz gelieferten - Panzerfäuste eine abschreckende Wirkung auf russische Militärs gehabt haben, bestätigten ukrainische Offizielle der SZ noch im September.

Auch die Europäer lieferten Waffen - aber in weit geringerem Umfang als die USA

Auch Europäer lieferten den Ukrainern Waffen. Dem ukrainischen Waffenimportdirektor Pawlo Barbul zufolge verkauften mindestens fünf osteuropäische Regierungen der Ukraine Waffen. Litauen lieferte schwere Maschinengewehre, Granatwerfer und Panzerfäuste. Sofia erlaubte privaten Waffenhändlern den Verkauf an die Ukraine. Forscher Toler dokumentierte im Donbass etwa raketengetriebene RPG-22-Panzerfäuste der bulgarischen Hersteller VMZ und Arsenal. Der tschechische Botschafter in Kiew bestätigte im August 2017, auch tschechische Waffenproduzenten verhandelten mit der Ukraine. Kanada erlaubte seinen Waffenproduzenten zeitgleich mit der US-Regierung im Dezember 2017, Waffen in die Ukraine zu liefern.

Dennoch waren die amerikanischen Waffenlieferungen die mit weitem Abstand wichtigste Hilfe für die Ukraine. Insbesondere die Javelin-Raketen waren ein wichtiges Symbol auch an andere Regierungen. Ebenso wie der vorübergehende Stopp der gesamten Militärhilfe - unter anderem Granatwerfer, Scharfschützengewehre, Radargeräte und medizinische Ausrüstung für 391 Millionen Dollar. Sie war im Juli von Trump eingefroren worden. Das Weiße Haus gab sie erst am 11. September nach Druck durch US-Parlamentarier wieder frei.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2019
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