Süddeutsche Zeitung

Impeachment:Nervosität vor dem Super-Dienstag

Im Impeachment gegen US-Präsident Donald Trump tauchen immer neue Beweise und Zeugen auf. In wenigen Tagen muss der Senat über ihre Zulassung entscheiden.

Von Stefan Kornelius

Nach der prozeduralen Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens gegen US-Präsident Donald Trump bereiten sich Senat und Weißes Haus auf den eigentlichen Beginn der Auseinandersetzung am kommenden Dienstag vor. Anwälte des Präsidenten wurden aufgefordert, bis zum Wochenende Prozessunterlagen an den Senat zu überstellen. Das gleiche Verfahren gilt für die vom Repräsentantenhaus bestellten "Manager"-Abgeordneten, die wie Staatsanwälte die Anklage vorantreiben sollen und sie nun schriftlich ausführen müssen.

Im Senat fällt jetzt die gesamte Aufmerksamkeit dem republikanischen Mehrheitsführer Mitch McConnell zu, der zwar als verlässlicher Verbündeter Trumps gilt und insofern die Mehrheit gegen das Impeachment garantieren wird. Gleichzeitig gerät McConnell aber auch vonseiten moderater Senatoren seiner eigenen Partei unter Druck. Sie wollen sich nicht dem Vorwurf aussetzen, dass sie das Verfahren nicht ernst nehmen oder gar behindern.

McConnell zog sich deshalb die Missbilligung des Trump-Lagers zu, als er am Donnerstagabend andeutete, er werde großzügige Verfahrensregeln zulassen, etwa zur Ladung zusätzlicher Zeugen oder der Erhebung neuer Beweismittel. McConnell machte auch klar, dass er einen kurzen Prozess, also eine schnelle Abstimmung über die Anklagepunkte, nicht zulassen werde.

"Ich verwette mein Leben darauf, dass der Präsident über alles Bescheid wusste"

Anders als beim Clinton-Impeachment 1998 wird der Senat im Trump-Fall nur einen begrenzten Aktenstand vorfinden. Während bei Präsident Bill Clinton ein Sonderermittler jedem Verdacht nachgegangen war und alle Zeugen mehrmals unter Eid vernommen hatte, gelten die Trump vorgeworfenen Manipulationen im Umgang mit der Ukraine nicht als umfassend ermittelt. Wichtige Zeugen wie der ehemalige Sicherheitsberater John Bolton wurden von Trump mit einem Aussageverbot belegt, obwohl Bolton inzwischen selber zur Aussage bereit ist. Über Verfahrensregeln und zusätzliche Zeugen wird ebenfalls am Dienstag entschieden.

Unter Republikanern macht sich deswegen Nervosität breit, denn nach dem Austausch der Anwälte wird das Scheinwerferlicht allein auf die Senatoren gerichtet sein, die anders als Trump nicht zu ideologischen Ausbrüchen neigen und ihr Verhalten gegenüber Wählern rechtfertigen müssen. Außerdem stehen sie bei Androhung einer Gefängnisstrafe unter Schweigezwang und dürfen den Fall bis zur Abstimmung nicht kommentieren. Der Rechtfertigungsdruck wird also wachsen.

Vor allem beim Thema Zeugen und Beweismittel ist der Druck noch einmal gewachsen. Erzeugt hat ihn der aus Russland stammende Lev Parnas, der als Partner von Trumps persönlichem Anwalt, dem früheren New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani, eine zwielichtige Rolle im Umgang mit der Ukraine spielte. Parnas, der im vergangenen Oktober kurz vor einem Auslandsflug wegen anderer Delikte verhaftet wurde und seitdem auf seinen Prozess wartet, hat nun vollständig mit Giuliani gebrochen. Offenbar hat ihm die zuständige Staatsanwaltschaft Straferleichterungen in Aussicht gestellt, sollte er auspacken. Pünktlich zur Eröffnung des Impeachment im Senat landeten also Dokumente, Textnachrichten, Bilder und Notizen aus seinem Fundus bei den Demokraten im Repräsentantenhaus.

Die neuen Beweismittel belegen, dass Parnas von Giuliani eingespannt wurde, um in der Ukraine Druck auf den neuen Präsidenten Wolodimir Selenskij auszuüben. Parnas könnte damit zum Kronzeugen für den Kernvorwurf der Demokraten werden: Dass der Präsident eine ausländische Regierung unter Druck gesetzt hat, um daraus einen Vorteil im innenpolitischen Kampf gegen seinen Widersacher Joe Biden zu ziehen. Parnas, der verschiedenen Medien ausführlich Rede und Antwort stand, sagte: "Ich verwette mein Leben darauf, dass der Präsident über alles Bescheid wusste, was Rudy Giuliani in der Ukraine tat."

Konkret scheinen die Dokumente zu belegen, dass Parnas in die Diskreditierungskampagne gegen die damalige US-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch, eingespannt war. Er wurde als Emissär eingesetzt, um den ukrainischen Generalstaatsanwalt zu Ermittlungsverfahren gegen Joe Bidens Sohn zu drängen. Über seine Erfahrungen gibt Parnas bereitwillig Auskunft, unter anderem über die direkten Einbeziehung Trumps in die Entscheidungen und über die politischen Ziele der Drohkampagne. Seine Nachrichten sind pikanterweise an zwei wichtige Wahlkampfspender Trumps adressiert. Auch diese beiden Figuren wurden bislang nicht als Zeugen gehört.

Neue und bisher nicht zugelassene Beweise im Impeachment-Verfahren kommen außerdem von einer unabhängigen Behörde, die im Auftrag des Kongresses die Ausgaben der Regierung kontrollieren soll. Das Government Accountability Office bescheinigte am Donnerstag, dass im vergangenen Sommer bereits vom Kongress bewilligte Hilfszahlungen in Höhe von 400 Millionen Dollar an die Ukraine aus "politischen Gründen" und auf Anordnung Trumps zurückgehalten wurden. Damit habe der Präsident klar gegen Recht verstoßen.

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SZ vom 18.01.2020/kit
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