Impeachment:Der Spalter

Donald Trump lügt, polarisiert, greift an. So schlägt der Präsident das Amtsenthebungs-Verfahren stumpf, die schärfste Waffe der amerikanischen Demokratie.

Von Stefan Kornelius

Die Wunden, die Donald Trump der amerikanischen Demokratie zugefügt hat, sie waren in der Impeachment-Nacht im Repräsentantenhaus alle zu sehen. Das politische System der USA, die Idee der Gewaltenteilung, die Vorherrschaft des Rechts, die Suche nach der unerschütterlichen Wahrheit - all dies ist entweder beschädigt oder gar zerstört. Zu seinem Amtsantritt wurde Donald Trump eine dysfunktionale Präsidentschaft prophezeit. Die Befürchtungen wurden nun deutlich übertroffen.

Donald Trump wurde zu Recht des Amtsmissbrauchs angeklagt. Die Impeachment-Klausel in der Verfassung wurde für exakt seinen Fall geschrieben. Ein Präsident missbraucht seine Macht und agiert unkontrolliert. Er benutzt den Präsidenten eines befreundeten, gar abhängigen Landes für den eigenen, innenpolitischen Profit. Er missbrauchte zu diesem Zweck Hunderte Millionen Dollar an Steuergeldern. Und die Aufklärung des Tatvorgangs behinderte er nach Kräften.

Es ist aber nicht nur der konkrete Fall Ukraine, der Trump vor das höchste politische Gericht des Landes bringt. Zu viel hat sich angesammelt in diesen Jahren: die nicht nachlassende Missachtung der simpelsten demokratischen Prinzipien, die Verachtung für das Parlament, die Zerstörung des Regierungsapparats und über allem der frivole Umgang mit Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Das macht Trump reif für die Amtsenthebung. Im Fall Ukraine kulminieren diese Unerträglichkeiten beispielhaft.

Es bedarf höchster ideologischer Verblendung, all diese Vorhaltungen als parteiische Raserei abzutun, so wie es insgesamt ein Merkmal der Trumpisten ist, dass sie die gegen sie erhobenen Vorwürfe wortgleich den Anklägern um die Ohren schlagen. Die Republikaner hat dieses Verfahren endgültig in die Abhängigkeit von Trump getrieben, faktisch hat die Partei aufgehört, aus eigenem Recht Politik zu betreiben. Sie tut dies als Ableger eines Twitterkontos und des Ein-Mann-Betriebes, der sich US-Regierung nennt.

Dies ist also die bittere Wahrheit über das dritte Impeachment-Verfahren der amerikanischen Geschichte. Die Erhabenheit und Ernsthaftigkeit dieses delikaten Verfassungsinstruments wurde verspottet und herabgezogen in den ideologischen Sumpf. Hier sitzt keine Nation mehr zu Gericht und einigt sich über Klage, Beweise und im Idealfall auch über ein Urteil. Hier konnte nicht einmal ein Tatbestand festgestellt und mit rechtsstaatlichen Methoden geprüft werden. Gerechtigkeit und Wahrheit sind auf dem Impeachment-Weg verloren gegangen.

Das Impeachment, die schärfste Waffe der amerikanischen Demokratie, wurde stumpfgeschlagen durch die Methode Trump. Nichts hält der Berserkerkraft dieses Mannes stand. Nun muss sich auch Amerikas Demokratie geschlagen geben. Trump hat Partei, Präsidentenamt, Apparat und letztendlich auch die Verfassung mit seiner spalterischen und verlogenen Art deformiert. Das ist eine schockierende und frustrierende Erfahrung für ein System, das sich seiner Kontroll- und Ausgleichsmechanismen so sicher war.

Dieses Verfahren kostet einen hohen Preis. Das Impeachment ist endgültig in der tagespolitischen Gosse angekommen, es wurde banalisiert und ideologisiert. Dabei darf die Amtsenthebung niemals zum Normalfall der Demokratie gehören, sie signalisiert einen Notfall. Aber: Durch die beständige Trivialisierung der Vorwürfe, durch den kreischenden Umgang mit Zeugen und Tatsachen haben Republikaner und der Präsident selbst aus dem parlamentarischen Gerichtsverfahren eine ideologische Schlacht gemacht, die am Ende - und dies ist die größte Ironie des Verfahrens - Trump sogar noch hilft. Denn es ist seine Methode, es sind seine Werkzeuge von Polarisierung und Aggression, die sich als mächtiger erwiesen haben.

Für jedes rechtsstaatliche System auf der Welt entfaltet sich hier beispielhaft die Dystopie des eigenen Untergangs. Donald Trump hat es geschafft, mit der Kraft der Lüge das Recht auszuschalten. Und er hat die USA in einen seit dem Bürgerkrieg nicht mehr dagewesenen Zustand der Zerrissenheit und Polarisierung versetzt. Das Land kann sich jedenfalls nicht mehr auf diese simple Wahrheit einigen: dass nämlich sein Präsident eine ausländische Macht zum eigenen Vorteil im Wahlkampf instrumentalisiert hat.

Nein, die Demokraten haben das Impeachment nicht in unfairer Weise für eine normale tagespolitische Auseinandersetzung missbraucht. Sie verhalten sich verfassungstreu. Hätten sie das Verfahren nicht angestrengt, sie hätten sich selbst des Verfassungsbruchs schuldig gemacht.

Trump trägt die Anklage nun wie eine Ehrennadel am Revers, er verhöhnt den Kongress und er peitscht das Land weiter auf. Zu Beginn des wahrscheinlich hässlichsten Wahljahres der Geschichte lässt dieser Moment Schlimmes ahnen. Die USA sind gespalten; nun werden die Brücken eingerissen. Die beiden Amerikas werden zueinander nicht mehr finden.

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