Süddeutsche Zeitung

Immunisierung in Deutschland:Scholz fordert umfassenden Impf-Plan

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Der SPD-Vizekanzler verlangt vor dem Gipfeltreffen Berechenbarkeit für die kommenden Monate. Den Betreibern von Alten- und Pflegeheimen wirft er Versäumnisse vor.

Von Björn Finke, Cerstin Gammelin, Jens Schneider und Mike Szymanski, Berlin/Brüssel

Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erwartet vom Impf-Gipfel Klarheit darüber, in welchem Zeitraum wie viele Bürger geimpft werden können. "Impfen hat oberste Priorität", sagte Scholz der Süddeutschen Zeitung. Es müsse "konkrete Berechnungen" des Bedarfs an Impfstoffen für die nächsten Monate geben, die in ein Impfkonzept einflössen. "Es reicht als Planung nicht, dafür neben den Impfzentren irgendwann die Hausärzte einbeziehen zu wollen. Das scheint mir als Konzept zu sehr aus dem Ärmel geschüttelt zu sein." Er habe deshalb darauf gepocht, dass auch Pharmaunternehmen beim Impf-Gipfel zugeschaltet werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will an diesem Montag mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten nachhaltige Lösungen für Probleme beim Impfen suchen. Neue Lieferengpässe des knappen Impfstoffes, unklare Verträge, dauerbesetzte Termin-Hotlines und leerstehende Impfzentren verärgern Bürger und entfachen politischen Streit. Aus den Ländern wurde mit Blick auf die Lieferungen von Impfstoffen ein Mangel an Verlässlichkeit beklagt. So forderte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) eine bessere Planbarkeit der Liefermengen.

Bundesfinanzminister Scholz hält das von der Kanzlerin ausgegebene Ziel für ambitioniert, bis zum Ende des Sommers allen Bürgern, die geimpft werden wollen, ein Angebot zu unterbreiten. "Wenn ich die aktuelle Debatte über Impfstofflieferungen verfolge und hochrechne, müssen wir uns sehr anstrengen", sagte er. Scholz kritisierte die Einkaufspolitik der EU. "Es wäre gut gewesen, Europa hätte mehr Impfstoff bestellt. Viel weiter über den eigenen Bedarf hinaus." Am Geld seien die Bestellungen nicht gescheitert, sagte er. "Wenn die Kommission von uns weitere Finanzmittel erbeten hätte, hätten wir auch der EU zusätzliches Geld überwiesen."

Die EU hat Verträge mit sechs Herstellern abgeschlossen, unter anderem mit Astra Zeneca. Das Unternehmen hatte jedoch kürzlich gewarnt, bis Ende März nur 31 statt der vereinbarten 80 Millionen Dosen liefern zu können - zur Empörung der EU. Am Sonntagabend teilte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit, dass es nun immerhin 40 Millionen sein sollen und damit etwa 30 Prozent mehr als zuletzt angekündigt. Die ersten Lieferungen des Astra-Zeneca-Impfstoffs würden zudem um eine Woche vorgezogen und seien damit Ende dieser Woche zu erwarten, dies habe ihr der Chef des Konzerns in einem Gespräch zugesichert, sagte von der Leyen am Abend im ZDF. Zudem habe er versprochen, seine Kapazitäten in Europa auszubauen.

Scholz attackierte angesichts von mehr als 50 000 Toten ungewöhnlich scharf die Betreiber von Alten- und Pflegeeinrichtungen, die zu wenig für den Schutz der Bewohner getan hätten, obwohl sie Geld und andere Unterstützung bekommen hätten. "Ich verstehe bis heute nicht, wieso in manchen Heimen Pflegepersonal wie Besucher lange nicht regelmäßig getestet wurden. Der Staat hat schon früh das Geld für die Tests zur Verfügung gestellt und für das Personal, das die Tests durchführt. Und trotzdem ist es zu lange in zu vielen Heimen unterblieben." Die Länder hätten erst eine Testpflicht erlassen müssen, damit es langsam klappe.

Scholz zeigte Verständnis für den Ruf nach Lockerungen. Dabei sollten die zuletzt geschlossenen Bereiche zuerst wieder geöffnet werden. "Wir sollten in umgekehrter Reihenfolge vorgehen als bei den Schließungen", sagte er, "oberste Priorität" hätten Kitas und Schulen. Die Gastronomie, von den Maßnahmen gleich zu Anfang betroffen, müsse sich in Geduld üben. "Restaurants und Kneipen werden wohl leider noch warten müssen." Familienministerin Franziska Giffey (SPD) forderte in der Bild am Sonntag eine "echte Öffnungsperspektiven bei Kitas und Schulen" - entlang einer "Kita-Ampel". Je nach der Anzahl der infizierten Personen, der Anzahl der Kinder in Quarantäne und der Anzahl der Erzieher in Quarantäne sollten die Einrichtungen geöffnet sein.

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