Immigranten in den USA:Urteil mit Signalwirkung

Ohne die Arbeitskraft illegaler Einwanderer hätte sich Amerika seinen Lebensstil über Jahre nicht leisten können. Trotzdem versucht eine lautstarke Minderheit, die ungebetenen Gäste aus dem Land zu drängen. Der Oberste Gerichtshof hat die illegalen Einwanderer nun gestützt, jetzt ist die Politik am Zug.

Reymer Klüver

Eine ganze Reihe von Debatten hat Amerika im Laufe der vergangenen zehn Jahre zutiefst gespalten: die Auseinandersetzung über die Kriege in Irak und Afghanistan, der mit Ingrimm geführte Streit um Schulden und Haushaltsdefizit, das epische Ringen um die Gesundheitsreform. Doch keine Frage ist so lange und so ergebnislos diskutiert worden wie der Umgang mit den illegalen Einwanderern - dem Heer der unterbezahlten Hilfskräfte, ohne die Kaliforniens Farmer ihre Erdbeeren nicht ernten könnten, Fleischfabriken im Mittleren Westen ihre Hähnchen nicht verarbeitet bekämen und Hausbesitzer im ganzen Land ihre Rasen selbst mähen müssten. Mit anderen Worten: Ohne die Amerika sich seinen Lebensstil über Jahre nicht hätte leisten können.

Elf, zwölf Millionen Einwanderer, die meisten aus Mexiko und Mittelamerika, leben illegal in den Vereinigten Staaten. Seit der Wirtschaftskrise sind nicht mehr so viele nachgekommen. Aber gegangen sind sie auch nur in geringer Zahl. Viele leben seit Jahren, manche seit Jahrzehnten in den USA. Für sie muss es endlich eine Regelung geben.

Eine lautstarke Minderheit hat vor dem Problem die Augen verschlossen. Sie will stattdessen einen Massenexodus der ungebetenen (aber für viele so nützlichen) Gäste mit drakonischen Gesetzen und Polizeistaatsmethoden erzwingen. Amerikas Oberster Gerichtshof hat ihnen nun bedeutet, dass es so nicht geht.

Einwanderung regelt ausschließlich der Bund

Anlass war ein Gesetz des Bundesstaats Arizona, das dort die Republikaner durchgesetzt hatten. Es sollte aus Illegalen, die zu Hunderttausenden in dem Grenzstaat zu Mexiko leben, Kriminelle machen. Es sollte eine Straftat sein, Arbeit zu suchen. Allein der illegale Aufenthalt in Arizona sollte zum Straftatbestand werden. Nach Bundesrecht sind das Delikte, aber keine Verbrechen. Der Supreme Court hat dieses Anti-Einwanderer-Gesetz Arizonas nun mit der Begründung verworfen, dass die Einwanderung ausschließlich vom Bund zu regeln sei. Die Bundesstaaten dürfen das Recht nicht in die eigene Hand nehmen.

Einzig eine Gesetzespassage darf bestehen bleiben: Arizonas Polizisten dürfen etwa bei Verkehrskontrollen nebenbei auch den Aufenthaltsstatus überprüfen. Das ist problematisch. Denn was soll künftig den Verdacht erregen außer der dunkleren Hautfarbe der Menschen aus Lateinamerika? Wendete man die Regel überall im Land an, würde die größte Minderheit in den USA systematisch diskriminiert - obwohl die meisten von ihnen völlig legal im Land sind.

Dennoch geht von dem Urteil ein Signal aus: Amerika muss eine Regelung für die Illegalen finden, nicht nur um Auswüchse wie in Arizona zu vermeiden. Auch ökonomisch ist die Legalisierung zwingend, um die Schattenwirtschaft einzudämmen. Und überhaupt ist es menschlich geboten, Millionen aus der Illegalität zu befreien, die in der Hoffnung auf einen kleinen Anteil am amerikanischen Traum ins Land gelockt wurden.

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