In den sechziger Jahren galt es noch als Schande, in den siebziger Jahren war es mutig, ja sogar ein bisschen revolutionär, heute ist es normal: Wer in Deutschland ein Kind ohne Trauschein zur Welt bringt, wird nur noch selten schief angeschaut. Der gesellschaftliche Wandel und die darauf folgenden Gesetze haben die Grundlage dafür geschaffen, dass sich der Anteil nichtehelicher Babys an der Gesamtzahl aller Säuglinge in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt hat.
Im Osten der Republik, wo das Recht schon zu DDR-Zeiten nicht mehr zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterschieden hatte, werden heute nur noch 40 Prozent der Babys in eine Ehe hineingeboren, in den westlichen Bundesländern sind bei einer von vier Geburten die Eltern nicht verheiratet.
Vor allem die Reform des Kindschaftsrechts 1998, das die Rechte des Vaters gestärkt hat, lässt viele Familien entspannt mit der Frage umgehen, ob der positive Schwangerschaftstest Auslöser für Hochzeitsvorbereitungen sein sollte. Viele Paare gehen erst mit Kleinkind zum Standesamt, oft dann, wenn das zweite Kind unterwegs ist. Der Anteil dieser Hochzeiten ist laut Statistik im vergangenen Jahrzehnt von acht auf 20 Prozent gestiegen.
Einerseits lässt sich dies als große soziale Errungenschaft werten, als Zeichen einer toleranten und aufgeklärten Gesellschaft. Schließlich spricht es auch für die Paare, wenn sie sich trotz der steuerlichen Anreize nicht übereilt ans Heiraten machen.
Andererseits spiegeln die Zahlen auch eine zunehmende Angst davor, Bindungen und damit Verpflichtungen einzugehen. Deutschland ist das kinderärmste Land Europas. Die schwindende Begeisterung für die Ehe trägt nichts dazu bei, dies zu ändern.