Süddeutsche Zeitung

Imagepflege für Ruanda:Gorillas statt Genozid

Ruandas alter und neuer Präsident Kagame überzieht die ganze Welt mit Ruanda-Propaganda, um die Wirtschaft zu stärken - und von den Menschenrechtsverletzungen abzulenken. Eine Londoner PR-Agentur hilft dabei.

Susanne Klaiber

Paul Kagame lässt sich von seinen Fans feiern. In einem Fußballstadion von Kigali ruft er in die Nacht: "Das ist der Sieg für die Bevölkerung von Ruanda." Dabei steht der Gewinner der Wahl vom Montag noch gar nicht fest. Allerdings sind die Teilergebnisse so eindeutig, dass es an seinem Sieg wohl nichts zu rütteln gibt: Kagame soll mit 92,9 Prozent der Stimmen wieder zum Präsidenten gewählt worden sein.

Seit Kagame 2000 die Macht übernommen hat, geht es aufwärts mit dem kleinen Land in Ostafrika: Der 52-Jährige hat verstanden, was Ruanda braucht, um in einer globalisierten Welt zu bestehen: Stabilität und Wirtschaftskraft. Vor allem aber hat Kagame verstanden, dass aller Fortschritt nicht viel nützt, wenn keiner davon erfährt. Deshalb überzieht Kagame sein Land und die ganze Welt mit Ruanda-Propaganda.

Befeuert wird Kagames mediale Charme-Offensive von einer europäischen PR-Agentur. Die Kommunikationsprofis sollen zeigen, dass Kagame aus dem vom Völkermord 1994 zerstörten Land einen relativ erfolgreichen afrikanischen Staat gemacht hat: Seit Kagame im Jahr 2000 zum Präsidenten gewählt wurde, arbeitet die Regierung ernsthaft daran, dass alle Nahrung, Bildung und Gesundheitsversorgung bekommen, damit es Perspektiven statt Unruhen gibt. Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Volksgruppen wie Hutu und Tutsi, gibt es offiziell nicht mehr. Das Bruttosozialprodukt wächst Jahr um Jahr.

Ablenken von den Menschenrechtsverletzungen

Die Medienarbeit soll aber auch ablenken von dem, was den nicht ganz schlechten Präsidenten von einem guten trennt, und was die ziemlich stabile Lage im Land von einer wirklich friedlichen trennt.

Denn Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) bemängeln, dass die Regierung schon Monate vor den Wahlen zwei unabhängige Zeitungen verboten hat. Dass Kagames Regime keine wirklichen Oppositionsparteien zu den Wahlen zugelassen hat. Dass Oppositionspolitiker kurz vor der Abstimmung ermordet wurden. Dass das Image eines demokratischen Staates Illusion ist.

Bei seinen Imagekampagnen im eigenen Land hilft Kagame die starke regierungseigene PR-Maschinerie, außerdem die wichtigste englischsprachige Zeitung des Landes, die New Times, auf deren unverhohlene Propaganda sich Kagame verlassen kann.

Im Ausland setzt der Präsident auf Überredungskunst made in London. Die Agentur Racepoint bestätigte sueddeutsche.de, dass sie für Ruanda arbeitet. "Unsere vorrangige Aufgabe ist es, Ruandas wachsende Wirtschaft zu unterstützten", heißt es in der Stellungnahme, außerdem sei man beauftragt, "Investionen im Land zu fördern und auf den aufstrebenden Tourismus aufmerksam zu machen". Zu welchen Mitteln die Agentur greift, will Racepoint nicht kommentieren.

Carina Tertsakian, Ruanda-Expertin bei HRW, hält vor allem die Darstellung Ruandas als demokratischen Staat für "irreführend" - und für gefährlich. Denn wenn nur noch Experten und nicht mehr die Öffentlichkeit über die Menschenrechtsverletzungen Bescheid wüssten, schwinde der Druck auf Kagame, daran etwas zu ändern. Dann könnten zum Beispiel weiter Leute im Gefängnis landen, nur weil sie T-Shirts mit der Aufschrift "Wir wollen Demokratie und Gerechtigkeit" besitzen.

Dass Regierungen nicht nur ihrer eigenen Maschinerie vertrauen, sondern auch externe Berater verpflichten, ist nicht ungewöhnlich. Einerseits lässt sich so der Urheber der Informationen verschleiern. Das ist wichtig, weil direkt von Regierungen lancierte Nachrichten in der Regel besonders kritisch beäugt werden.

Andererseits seien Regierungsapparate ohne Hilfe von außen schnell mit dem globalen 24-Stunden-Medienkarussell überfordert, sagt John Lough von der Londoner PR-Firma BGR Gabara. Das sei vielen Staaten klargeworden, als die Nato im Kosovo-Krieg 1999 der geballten Medienkritik nur mit großen Schwierigkeiten habe standhalten könnten. Und so agieren Staaten immer mehr wie Firmen, die ihre Marke bewerben müssen. "In den vergangenen zehn Jahren haben Regierungen sehr viel von der Wirtschaft gelernt", sagt Lough.

Sauberes Image für unsauberes Treiben

Neben BGR Gabara arbeiten viele der unzähligen PR-Firmen in London nach Recherchen der britischen Zeitung The Guardian für Regierungen und Politiker rund um den Globus - neben Ruanda unter anderem aus Russland, Kasachstan, Saudi-Arabien und China. Ein lohnendes Geschäft, denn die Kampagnen sind oft auf Jahre angelegt. Imagearbeit braucht Zeit.

Dass die Profis einem Land ungerechtfertigt zu einem dauerhaft positiven Image verhelfen können, glaubt John Lough indes nicht. Dazu brauche es tatsächliche Erfolge, die man Politikern, Touristen und Journalisten auch zeigen können. "Journalisten zu betrügen ist relativ schwierig und bringt nichts", sagt er.

Unmöglich ist es aber nicht.

Die Londoner Agentur Hill & Knowlton zum Beispiel hat vor dem Golfkrieg von 1991 der Öffentlichkeit und dem amerikanischen Kongress eine angebliche kuwaitische Hilfskrankenschwester namens Nayirah präsentiert, die behauptete, irakische Soldaten hätten aus ihrem Krankenhaus Brutkästen mitgenommen und die darin liegenden Babys einfach auf dem kalten Fußboden abgelegt.

Ein willkommenes Argument für die US-Regierung, Irak anzugreifen. Erst nach dem Krieg kam heraus, dass die junge Frau Nijirah hieß und Tochter des damaligen kuwaitischen Botschafters in den USA war. Einige Zeugen sagten aus, sie habe gar nicht in dem Krankenhaus gearbeitet. Für die Aktion soll Hill & Knowlton Millionen erhalten haben, unter anderem von der US-Regierung.

Der Fluch der Geschichte

In Sachen Ruanda scheinen zumindest englischsprachige Medien der PR in Teilen zu folgen. "Es gab in letzter Zeit sehr viele Berichte, in denen Ruanda positiv besetzt war", sagt Carina Tertsakian von Human Rights Watch. Der Wirtschaft des Landes kommt da zugute, schließlich ist Großbritannien ein bedeutender Touristenmarkt für Ruanda. Unter anderem wirbt Ruanda mit seiner landschaftlichen Schönheit und seiner Tierwelt, den Gorillas zum Beispiel.

In deutschen Leitmedien verfangen Kagames PR-Tricks offenbar noch nicht so. Nach wie vor taucht in jedem dritten Artikel, der das Wort "Ruanda" enthält, auch das Wort "Völkermord" auf.

Wie Ruanda künftig in den internationalen Medien dastehen wird, dürfte allerdings weniger von der PR abhängen als davon, wie friedlich, demokratisch und professionell die Wahl und die Regierungsbildung ablaufen. Kommt es zu Unregelmäßigkeiten und Unruhen, könnte Ruanda in den Köpfen ebenso schnell wieder negativ besetzt sein wie Libyen, das 15 Jahre professioneller PR innerhalb von Stunden zunichtegemacht hat: Mit dem euphorischen Empfang für den freigelassenen Lockerbie-Attentäter.

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