Image der Politiker:Ausgerechnet Silvana

Die Bundeszentrale für politische Bildung will mit einer Broschüre für Schüler das Politikerimage aufpolieren. Als Beispiel für Authentizität dient die in die Kritik geratene FDP-Politikerin Koch-Mehrin.

T. Denkler

Falsche Doktoren im Bundestag, Termine mit Ministerpräsidenten gegen Geld, Parteispender auf Dienstreise mit dem Außenminister. Wer die Welt der Politik irgendwo zwischen Sodom und Gomorrha verortet, der hat in den vergangenen Wochen viele Beispiele gefunden, die ihn in seiner Auffassung bestätigt haben.

Koch-Mehrin, Westerwelle, Getty

Zwei Politiker, die sich auskennen mit Image-Problemen: Silvana Koch-Mehrin und Guido Westerwelle (beide FDP).

(Foto: Foto: Getty)

Da passt es ganz gut, dass die Bundeszentrale für politische Bildung und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) der Öffentlichkeit an diesem Morgen ein neues Werk für den Schulunterricht präsentiert hat. "Das Image der Politiker und der Politik", so ist das umfangreiche Film- und Textmaterial betitelt, das die Bundeszentrale in einem Din-A4-Ordner zusammengefasst hat. Untertitel: "Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung politischer Akteure".

Kernbestandteile des Werkes sind elf jeweils 15-minütige Film-Portraits von Politikerinnen und Politikern. Christian Ude von der SPD ist etwa dabei, der Münchner Oberbürgermeister. Oder Jean-Claude Juncker, christdemokratischer Regierungschef von Luxemburg. Durchaus Leute also, denen nicht auf den ersten Blick nachzusagen wäre, sie hätten durch Handeln oder Worte das Image von Politikern nachhaltig negativ beeinflusst.

Auch die anderen Politiker sind eher Typ weiße Weste. Entweder zu jung, um sich schon richtig die Finger verbrannt zu haben. Wie Florian Toncar für die FDP. Oder so alt, dass alle früheren Schandtaten vergeben und vergessen sind, wie bei Heiner Geißler, CDU.

Mit dabei ist aber auch eine Politikerin, die kurz vor der Europawahl 2009 die Schlagzeilen beherrschte, weil sie in ihrer ersten Legislaturperiode im Europaparlament eine nachweislich weit unterdurchschnittliche Anwesenheitsquote im Europaparlament hatte: Silvana Koch-Mehrin. Das Image des fleißigen Bienchens war damals dahin. Trotzdem ziert die mehrfache Mutter aber heute das Titelbild der neuen Publikation der Bundeszentrale.

Der Koch-Mehrin-Skandal kam auf, nach dem die Dreharbeiten zu den Filmbeiträgen abgeschlossen waren. In den schriftlichen Begleitmaterialien aber taucht sie auch nicht auf.

Doch auch ohne Skandal fehlt dem Portrait jede kritische Distanz. Ein PR-Berater hätte den Film nicht besser für Koch-Mehrin produzieren können. Was übrigens für alle Portraitierten gilt.

Kritische Stimmen kommen nicht vor. Stattdessen darf ein Büromitarbeiter Koch-Mehrins erzählen, was für ein engagierte Frau seine Chefin doch sei. Ihr Pressesprecher lobt den angenehmen Umgang mit ihr und das tolle Büroklima. Ihre Sekretärin klärt auf, das alles so reibungslos funktioniere, weil Koch-Mehrin so gut führen könne. Zu allem Überfluss duzen sich Koch-Mehrin und die Fragestellerin in dem Film auch noch. Dazu passt, dass die beteiligte Filmproduktionsfirma Carpe diem aus Saarbrücken ihr Kerngeschäft in der Produktion von Image- und Unternehmensfilmen, Werbespots und Trailern sieht.

Aus journalistischer Sicht dürfte so etwas wohl wegen akuter Einseitigkeit nie gesendet werden. Was die Produzentin des Films, Barbara Wackernagel-Jacobs, zutiefst bedauert. Die einstige SPD-Landesministerin hat bei öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten um Finanzierung gebeten. Die sei ihr aber verwehrt worden mit der Begründung, es sei nicht Aufgabe der Sender, Politiker gut darzustellen. Das aber war der wichtigste Beweggrund für Wackernagel-Jacobs, die Politiker aus der Ecke herauszuholen. Immerhin, der Infokanal des gerne staatstragend auftretenden ZDF strahlte das Werk bereits im Herbst 2008 aus.

Bei der Präsentation des Schulmaterials sagt Lammert, dass es eine Diskrepanz gebe zwischen der medialen Wahrnehmung von Politikern und ihrer Beurteilung nach einer persönlichen Begegnung. Wackernagel-Jacobs macht ihn sich in ihrem Filmprojekt zunutze, konfrontiert Schüler mit den ausgewählten Politikern und siehe da - danach fanden die meisten die Politiker plötzlich irgendwie ganz nett. Erkenntnis des Tages: Die sind ja ganz anders als im Fernsehen.

Politik ist vor allem ein Haifischbecken

Bei so viel Nettigkeit ist für Kritik kein Platz mehr. Nicht nur Koch-Mehrin, auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff darf sich über eine ausgesprochen wohlwollende Darstellung freuen. Für das Filmprojekt zu spät kam die kleine Anekdote, dass er auf Kosten der Fluggesellschaft Air Berlin seinen weihnachtlichen Familienausflug in die USA in der ersten Klasse genießen konnte. Wulff hat später den Differenzbetrag zur regulär erworbenen Touristenklasse aus eigener Tasche nachgezahlt. Imagefördernd aber war die Aktion nicht gerade. Im Begleitheft wird der Umstand nicht angesprochen.

Das Prestige des Politikers rangiert auf den hinteren Rängen

Sicher: In den Materialien geht es auch viel um den Arbeitsalltag von Politikern, ihre Zwänge, ihre Verantwortung, ihre Sprache. Das Ansehen der Politik ist unter Jugendlichen noch ein Stück schlechter als bei den Erwachsenen - es kann also nicht verkehrt sein, mit einigen Vorurteilen, etwa über die notorische Faulheit, Machtbesessenheit und Geldgier im politischen Betrieb, aufzuräumen.

Ein Grund, Politiker mit Samthandschuhen anzufassen, ist das trotzdem nicht. Die Macher des Unterrichtsmaterials wollten "positive Beispiele" von Politikern präsentieren, die bei den jungen Menschen Neugierde auf Politik wecken, die Zutrauen in Volksvertreter geben.

Alles wichtig, keine Frage. Aber Politik ist vor allem ein Haifischbecken, in dem knallharte Machtinteressen maßgebend sind und von Leuten betrieben wird, die nett sein können - aber manchmal eben auch unfähig. Das zu hinterfragen dürfte auch der Bundeszentrale für politische Bildung erlaubt sein.

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