Im Notfall:Jung will Terror-Flugzeuge abschießen

Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht hin oder her: Im Extremfall will der Verteidigungsminister unbemannte oder nur mit Terroristen besetzte Flugzeuge abfangen. Er beruft sich auf die Notwehr.

Peter Blechschmidt

Eine tief greifende Grundgesetzänderung mit dem Ziel, die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern auszuweiten, wird es in absehbarer Zeit wohl nicht geben.

Jung, dpa

Franz Josef Jung will Terror-Flugzeuge abschießen, auch wenn es das Grundgesetz nicht vorsieht.

(Foto: Foto:)

Das war die Meinung vieler Politiker am Freitag in Berlin nach Interview-Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Man muss hier den Realitäten ins Auge sehen: Da unterscheiden sich die Auffassungen der Parteien", sagte Merkel zu dieser Frage am Donnerstagabend im ZDF.

Möglich erscheint nun lediglich eine klarstellende Änderung im Grundgesetz, die in Folge des Verfassungsgerichtsurteils zum Luftsicherheitsgesetz den Abschuss eines unbemannten oder nur mit Terroristen besetzten Flugkörpers durch die Luftwaffe ermöglichen würde.

Merkel will Widerstand offenbar akzeptieren

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte, dass er den Abschuss eines unbemannten Flugkörpers oder eines nur mit Terroristen besetzten Flugzeugs befehlen würde, auch wenn es dafür noch keine Rechtsgrundlage gebe. Er berief sich auf Notwehr oder übergesetzlichen Notstand.

Das Verfassungsgericht hatte am Mittwoch das Luftsicherheitsgesetz verworfen und klargestellt, dass die darin vorgesehene Möglichkeit, ein von Terroristen entführtes Passagierflugzeug notfalls abzuschießen, gegen die Menschenwürde verstoße und damit ausgeschlossen sei.

Auch hatte das oberste Gericht betont, dass dem Einsatz der Bundeswehr im Innern enge Grenzen gesetzt seien. Dessen ungeachtet hatten führende Politiker der Union, allen voran Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, weiterhin für eine Änderung des Grundgesetzes plädiert, um beispielsweise die Bundeswehr zum Objektschutz einsetzen und damit die Polizei für andere Aufgaben entlasten zu können.

Dies stößt bei der SPD auf Widerstand, was Merkel nun anscheinend bereit ist, zu akzeptieren. Jedenfalls deuten ihre Äußerungen darauf hin.

Wohl kein Bundeswehr-Einsatz zur WM

Die Kanzlerin bekräftigte in dem Interview die Auffassung der Union, dass innere und äußere Sicherheit heute nicht mehr so scharf getrennt werden könnten wie vor 15 oder 20 Jahren. Deshalb sollten Möglichkeiten geschaffen werden, um die Bundeswehr in bestimmten Fällen nicht für polizeiliche, sondern für ergänzende Aufgaben einzusetzen.

Ein solcher Fall könnte die Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer sein, wie auch Schäuble oder der bayerische Innenminister Günter Beckstein (CSU) immer wieder betont haben.

Merkel räumte dann aber ein: "Realistischerweise werden wir das mit dem Koalitionspartner nicht hinbekommen - schon gar nicht vor der Fußball-Weltmeisterschaft."

SPD will klare Trennung von Polizei und Armee

Man müsse jetzt auf der Grundlage des Karlsruher Urteils prüfen, welche Möglichkeiten es gebe, Bedrohungen aus der Luft oder von See her abzuwehren, sagte Merkel. Politiker der SPD, aber auch der FDP signalisierten am Freitag schon ihre Bereitschaft, an einer derartigen Regelung mitzuwirken.

In einer von der FDP beantragten Aktuellen Stunde des Bundestags vermied Schäuble am Freitag eine konkrete Aussage über die Konsequenzen, welche die Bundesregierung aus dem Urteil ziehen wolle. Er versicherte lediglich, die Regierung werde im Rahmen des Grundgesetzes alles tun, um den Sicherheitsbedürfnissen der Bevölkerung während der Fußball-WM gerecht zu werden.

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach forderte alle Parteien auf, Regelungen zu treffen für Fälle, in denen nur die Bundeswehr über Mittel und Möglichkeiten zum Eingreifen verfüge. Sprecher der SPD bekräftigten übereinstimmend, dass sie an der klaren Trennung zwischen Polizei- und Militäraufgaben festhalten wollten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: